GroKo-Sondierer einigen sich auf „nationalen Bildungsrat“ – gut so!

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Eine Analyse von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Foto: Tina Umlauf
News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Foto: Tina Umlauf

BERLIN. Bei den Sondierungsgesprächen zwischen der Union und der SPD um die Bildung einer großen Koalition scheint es nur Gewinner zu geben. Von „hervorragenden Beschlüssen“ sprach SPD-Chef Martin Schulz. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel betonte, die Einigung könne die Voraussetzungen schaffen, um auch in den nächsten 10 bis 15 Jahren in Deutschland gut leben zu können. Und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer zeigte sich „hochzufrieden“. Tatsächlich gibt es eine „Verliererin“, die allerdings nicht zu Wort kam: die Kultusministerkonferenz. Sollte es zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot im Bund kommen, verliert das Ländergremium massiv an Macht und Einfluss in der Bildungspolitik. Endlich!

Worauf sich die Sondierer in Sachen Bildung nun geeinigt haben, ist noch gar nicht so leicht auszumachen. Das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik solle fallen, so berichtet die „Welt“. Die FAZ hingegen sieht in der Meldung die einseitige Deutung der SPD. Tatsächlich sei im Sondierungspapier die Aufhebung des Kooperationsverbots keineswegs so eindeutig geregelt, „wie die Genossen es vorgeben“. Klar aber scheint zu sein: Für Kinder im Grundschulalter soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung geben. Das wird ein teurer Spaß, der leider keine bessere Förderung der Schüler verspricht (weil’s die dafür notwenigen Lehrer leider nicht auf dem Arbeitsmarkt gibt). Und: Für die Schulen soll es einen „nationalen Bildungsrat“ und eine „Investitionsoffensive“ geben. Damit ist klar, unabhängig davon, ob das Kooperationsverbot formell aufgehoben wird oder nicht: Der Bund soll sich künftig in die Schulpolitik einmischen, finanziell, aber auch inhaltlich.

Seit Jahrzehnten keine Antworten

Damit einhergehen würde ein massiver Einflussverlust der Kulturministerkonferenz (KMK). Ein „nationaler Bildungsrat“, wie auch immer dieser personell besetzt sein würde, hätte sich den offenen Fragen zu stellen, auf die die KMK seit Jahrzehnten keine Antworten findet: Wie lässt sich verhindern, dass Deutschland in der Bildung immer mehr einem Flickenteppich gleicht? Warum bringen es die Länder nicht fertig, sich auch nur mal auf gemeinsame Grobstrukturen im Schulsystem zu einigen – damit ein Umzug mit Kindern von einem Bundesland zum anderen vielleicht mal reibungslos funktionieren könnte? Wie lässt sich eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse sicherstellen, die nicht – wie unlängst beim Medizin-Numerus-Clausus – zu einer Klatsche vor dem Bundesverfassungsgericht führt? Wenn sich ein nationales Gremium endlich diesen Fragen widmet, könnte man die KMK eigentlich auch gleich dicht machen.

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Tatsächlich wäre die Abschaffung kein großer Verlust. Die KMK hat es sogar geschafft, den heraufziehenden Schülerboom zu verschlafen. Erst eine Studie der Bertelsmann Stiftung sorgte dafür, dass seit einigen Monaten mit realistischen Prognosen gearbeitet wird.

Überhaupt: Von einem Wettbewerb, den der Föderalismus angeblich verheißt, ist im derzeitigen System der Länderabsprachen nichts zu spüren. Den öffentlichen Schulen der Länder kann die „Kundschaft“ (also Eltern und Schüler) ja kaum laufen gehen – also braucht sich auch kein Kultusminister ein Bein auszureißen, das Angebot zu verbessern. Allenfalls die Landtagswahlen und die mittlerweile gereifte Erkenntnis, dass sich diese mit einer unpopulären Schulpolitik durchaus verlieren lassen, stören die Ruhe. Solange aber letztlich alle potenziellen Regierungsparteien mehr oder weniger die gleichen Schwierigkeiten in ihren Hoheitsbereichen haben, beschränkt sich der Wettbewerb auf punktuelle und von Eltern wahrnehmbare Themen wie G8 oder Unterrichtsausfall. Die großen Probleme, die Schulen tatsächlich täglich vor neue Herausforderungen stellen, bleiben außen vor.

Das sind: die Inklusion, die Integration (der Flüchtlingskinder) sowie zunehmend der Lehrermangel. Alle drei Themenfelder betreffen Schulen bundesweit, und trotzdem wurschtelt jedes Bundesland allein vor sich hin, um den gewaltigen Herausforderungen zu begegnen. Das gilt übrigens auch für die Digitalisierung der Schulen. Beispiel Lehremangel: Wie kann es sein, dass jedes Bundesland den künftigen Bedarf an Pädagogen für sich selbst definiert und entsprechende Kapazitäten an den Hochschulen schafft (oder eben nicht – und sich im Zweifel darauf verlässt, dass die anderen Länder schon genügend Lehrer ausbilden werden)? Das Ergebnis ließ sich kürzlich am Frankfurter Hauptbahnhof betrachten: Dort, also in Hessen, warb Berlin mit einem Riesenposter um Grundschullehrer. Dabei hat Hessen für sich selbst schon nicht genug.

Was endlich nottut: dass der Bund seine Richtlinienkompetenz auch in der Bildung wahrnimmt und bei bundesweit relevanten Schulthemen die Richtung vorgibt. Was bedeutet Inklusion und wie muss sie – mindestens – personell ausgestattet sein? Wie und mit welchen Ressourcen ist der Sprachenunterricht für Flüchtlingskinder zu organisieren? Wie groß ist überhaupt der künftige Lehrkräftebedarf in Deutschland? Zu solchen Fragen muss der Bund – gerne auch ein „nationaler Bildungsrat“ –  endlich Stellung beziehen. Die GroKo darf dann sicher, Kooperationsverbot hin oder her, Mittel für die umzusetzenden Maßnahmen bereitstellen. Steuereinnahmen gibt es ja derzeit genug. Agentur für Bildungsjournalismus

Deutscher Lehrerverband begrüßt Einigung

BERLIN. Als überwiegend positiv hat der Deutsche Lehrerverband (DL) die jetzt veröffentlichten Sondierungsergebnisse im Bereich Bildung und Forschung begrüßt. Laut DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger gelte dies in erster Linie für die grundsätzliche Zusage, zusätzliche Finanzmittel für Bildung zu mobilisieren, für das Versprechen einer Investitionsoffensive für Schulen sowie für einen verstärkten Ausbau der digitalen Infrastruktur in Bildungseinrichtungen und den angestrebten Berufsbildungspakt samt Stärkung der höheren Berufsbildung und des dualen Studiums.

Der Verbandsvorsitze betonte: „Ich begrüße auch das grundsätzliche Festhalten an der Kultushoheit der Länder. Die beabsichtigte Anpassung des Art 104c GG reicht nach unserer Auffassung völlig aus, um eine stärkere Beteiligung des Bundes an Bildungsinvestitionen in Zukunft zu ermöglichen.“

Skeptisch zeigte sich Meidinger, ob der vereinbarte Nationale Bildungsrat tatsächlich einen Beitrag zu besseren Bildungschancen und mehr Zukunftsinvestitionen in Deutschland liefern könne. Das werde entscheidend davon abhängen, ob hier bei der Besetzung auf Fachexpertise und oder doch wieder auf parteipolitischen Proporz Wert gelegt werde, so der Dachverbands-Vorsitzende.

Abschließend betonte der DL-Präsident: „Was von den Aussagen zur Stärkung der Bildung im Sondierungspapier einer künftigen großen Koalition zu halten ist, wird sich erst zeigen, wenn die konkreten Haushaltszusagen im Rahmen der folgenden Koalitionsverhandlungen dafür vorliegen. Ohne ein Finanzierungskonzept bleiben diese Sondierungsergebnisse Makulatur!“

Das Kooperationsverbot wird zum großen Streitfall der deutschen Bildungspolitik

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Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor

Nationaler Bildungsrat klingt nach einer Idee aus dem Hause Brügelmann , und dann wird sich gar nichts bessern, weil die selben Ideen der ewig gestrigen Ideen der alten 68erwieder wieder entwickelt werden.

sofawolf
6 Jahre zuvor

Diesem Kommentar – ich meine den Artikel von Herrn Pribotschek oben – kann ich zustimmen. Danke!

Im groben einheitliche Strukturen bundesweit, ja, aber im Groben. Details müssen variabel bleiben im Wettbewerb um die besten Ideen.

Rechtsanspruch auf Ganztag für Grundschüler, ja ! Bin ich dafür.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

ZITAT: „Für Kinder im Grundschulalter soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung geben. Das wird ein teurer Spaß, der leider keine bessere Förderung der Schüler verspricht …“

Vielleicht helfen die vielfach erwähnten sprudelnden Steuereinnahmen? Da wird doch in anderen Fällen auch immer gerne drauf verwiesen.

Cavalieri
6 Jahre zuvor

In Bayern gibt es schon länger einen „Aktionsrat Bildung“:
https://www.vbw-bayern.de/vbw/Aktionsfelder/Bildung/Bildung-neu-denken/Aktionsrat-Bildung-Projektseite.jsp
Wer da drin ist, sieht man, wenn man unten nochmal „Aktionsrat Bildung“ anklickt. Herr Lenzen (Präsident der Uni HH) hat den Vorsitz, und der Bildungsökonom Ludger Wößmann ist Mitglied. Wößmann hat schon mal PISA-Punkte in EURO-Milliarden umgerechnet. Brügelmann ist nicht Mitglied.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Eine Initiative für einen „nationalen Bildungsrat“ gab’s schon 2012, zu Zeiten von Frau Schavan (was hat der eigentlich geleistet?):
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/nationaler-bildungsrat-experten-sollen-politik-beraten-a-834547.html
Die Überschrift lautet bezeichnenderweise: „Wer nicht weiter weiß, bildet einen Arbeitskreis.“ Also im Westen nichts neues, im Osten das alte.