Spezialist oder Generalist? Die Qual der Wahl beim Master

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BERLIN. Nach dem Bachelor-Abschluss steht für viele Studierende eine schwierige Entscheidung an: Welcher Master soll es sein? Die Auswahl an Studiengängen ist groß, das Angebot mitunter sehr ausdifferenziert. Doch wie speziell ist zu speziell?

Wer nach weiterführenden Studiengängen sucht, stößt auf eine gigantische Auswahl. Rund 8540 Masterstudiengänge gab es nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) im Jahr 2017 in Deutschland. Und Zahlen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zeigen, dass die Zahl der weiterführenden Studiengänge zwischen 2014 und 2017 deutlich zugenommen hat – um rund 17 Prozent.

Es gibt aber nicht nur mehr Studiengänge, sondern auch mehr Namen für sie: Die Fächer heißen Vakuumingenieurwesen, individualisierte Digitale Gesundheit, Rehabilitationspädagogik, Gesundheitselektronik oder Nachhaltiges Landnutzungsmanagement. So speziell ihre Namen klingen, so spezialisiert sind mitunter auch ihre Inhalte.

Und nicht immer ist klar, was hinter den Bezeichnungen steckt. Das Problem kennen auch Personalvermittler wie Frank Schabel: «Zum Teil wirken die Namen der Masterstudiengänge wie eine Marketingblase», sagt der Sprecher der Personalberatung Hays. «Welche Spezialisierung sich genau dahinter verbirgt, ist auch für Unternehmen mitunter schwer zu durchschauen.»

Studierende sollten sich die Inhalte eines Studiengangs deshalb ganz genau anschauen. «Wichtig ist, dass man die im Bachelor gewonnene Studienerfahrung berücksichtigt, wenn man sich für ein Masterstudium entscheidet», sagt Rouven Sperling, Vorstandsvorsitzender des Career Service Netzwerk Deutschland. Das spielt auch eine Rolle bei der Überlegung, ob man sein Fachwissen im Master vertiefen oder eher verbreitern will.

Dabei lohnt sich auch der Gedanke an die spätere Karriere. «In einigen Bereichen hat man mehr Chancen, wenn man die Erwartungen des künftigen Arbeitgebers genau erfüllt», sagt Schabel. Susanne Schilden von der Hochschulrektorenkonferenz nennt ein Beispiel: «Besondere Spezialisierungen in den Studienschwerpunkten werden in der Regel von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen erwartet.» Schabel zählt weitere Bereiche auf – Medizin, Jura, Ingenieurwissenschaften oder BWL etwa.

Die eigenen Persönlichkeit ist wichtig

Und natürlich spielt bei der Wahl zwischen Tiefe und Breite auch die Persönlichkeit eine Rolle: «Wer eine hohe Leidenschaft für ein Fachgebiet hat, gerne sein Wissen vertieft und sich in Details reinfuchsen will, sollte sich spezialisieren», rät Schabel. «Aber das liegt längst nicht jedem.»

Aus seiner Sicht ist das kein Problem, da es großen Bedarf an Generalisten gibt, und das in fast allen Branchen: «Viele Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die über Fachgrenzen hinaus agieren und vernetzt denken können.» Denn durch die Digitalisierung hat sich die Arbeitswelt stark gewandelt. Viele Fachbereiche verschmelzen miteinander.

«Die Zusammenarbeit mit Kollegen aus unterschiedlichen Teams wird immer wichtiger», erklärt Schabel. Marketing, Ingenieure, Controller und Konstrukteure betreuen gemeinsam Projekte. «Insofern ist es hilfreich, wenn Bewerber ein breit gefächertes Querschnittswissen mitbringen und bereits in unterschiedlichen Bereichen einen Überblick haben.»

Auch Oliver Meywirth bestätigt: «Häufig spielt die Studienrichtung nur eine untergeordnete Rolle. Im Fokus steht die Berufserfahrung durch eine Ausbildung, Praktika, Werkstudentenjobs oder die erste Stelle nach dem Studium.» Meywirth ist Geschäftsführender Gesellschafter von Capitalheads, einer Tochterfirma von Kienbaum. Er vermittelt Berufseinsteiger aus den Bereichen Wirtschaftswissen, Wirtschaftsingenieurwesen und Ingenieurwesen. Die fachlichen Fähigkeiten seien nicht allein entscheidend, erklärt Meywirth: «Wichtig ist, dass die Persönlichkeit des Kandidaten zum jeweiligen Unternehmen passt.»

Vielfältige Erfahrungen sammeln

Eine Beobachtung, die Schabel teilt. Seiner Auffassung nach sind auf dem Arbeitsmarkt künftig drei Dinge gefragt: «Die Fähigkeit mit Unsicherheit und mit Komplexität umzugehen sowie die Bereitschaft, sich zu verändern.» Er rät Studierenden deshalb: «Praktika in unterschiedlichen Bereichen zu absolvieren, ins Ausland zu gehen, die Masterarbeit in Kooperation mit einem Unternehmen zu schreiben. Kurz, vielfältige Erfahrungen zu sammeln.»

Das Studium spielt aber schon eine Rolle: Sucht ein Unternehmen gezielt nach einem Experten, ist es laut Meywirth «häufig von großem Vorteil sich in seinem Fachbereich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis gut auszukennen. Je höher die Anforderung an das theoretische Fachwissen eines Kandidaten ist, desto wichtiger wird die akademische Laufbahn.» Ein hoch spezialisierter Master muss es dafür aber nicht gleich sein. «Eine indirekte Spezialisierung ist zumeist auch durch eine entsprechende Wahl des Themas der Abschlussarbeit möglich», sagt Sperling.

Umgekehrt kann eine gezielte Spezialisierung die Karrieremöglichkeiten auch einschränken: «Wird in dem gewählten Bereich aktuell nicht gesucht, können die Chancen, einen Einstieg zu finden oder das Unternehmen zu wechseln, sinken», warnt Meywirth. Und Schabel sieht als weiteres Problem bei einer Spezialisierung, «dass das Wissen veraltet ist. Die Universitäten hinken zum Teil mit ihrem Curricula etwas hinter den Anforderungen in der Berufswelt hinterher.»

Zum Glück muss aber niemand schon beim Start ins Berufsleben alles können – denn Karrieren sind lang. «Kaum jemand bleibt heutzutage ein Leben lang bei einem Unternehmen und arbeitet nur in einem Bereich», sagt Schabel. Manche Menschen machen im Laufe ihres Lebens immer wieder etwas komplett anderes. Schabel plädiert deshalb für ein lebenslanges Lernen: «Seine mentalen Kompetenzen und Erfahrungen kann man immer überall hin mitnehmen und bei Bedarf einbringen.» dpa

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