„Wir haben rechtszeitig Vorsorge getroffen“: Spaenle ist mit sich zufrieden

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MÜNCHEN. CSU-Mann Ludwig Spaenle ist seit knapp 10 Jahren Kultusminister in Bayern. Mit seiner Arbeit zeigt er sich im Interview zufrieden – auch wenn ihn das Ausmaß des Lehrermangels an den Grundschulen überrascht. Ein Gespräch mit dem obersten Hüter der Bildung im Freistaat, der bei der Landtagswahl im Herbst wiedergewählt werden will.

Neue Inhalte bei gleichzeitiger Stärkung der Kernfächer verspricht sich Kultusminister Ludwig Spaenle von der Stundentafel des neuen G9 in Bayern. Foto: Henning Schlottmann / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Seit fast zehn Jahren Kulturminister in Bayern: Ludwig Spaenle. Foto: Henning Schlottmann / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die Bertelsmann Stiftung hat vor ein paar Monaten ausgerechnet, dass die Zahl der Schüler in den kommenden 13 Jahren stark ansteigen wird – Lehrerverbände forderten mehr Personal: Wie gut ist Bayern für diese Zukunft gewappnet?

Spaenle: Was die Lehrerversorgung betrifft, haben wir rechtzeitig Vorsorge getroffen. Das kann man wirklich sagen. Wir sehen ja seit 2014 schon, dass an Bayerns Grundschulen mehr Kinder sind – die Daten der Bertelsmann Stiftung waren für uns nicht neu. Unsere jährlich aktualisierte Schülerprognose und die Zahlen unseres eigenen Statistischen Landesamtes haben uns das frühzeitig deutlich gemacht. Und deswegen tragen wir schon jetzt Sorge dafür, dass entsprechend Lehrer zur Verfügung stehen.

Wir haben natürlich auch mit der Flüchtlingsbewegung ein historisches Sonderereignis, das die Lage zugespitzt hat. Dieses Ereignis machte den Einsatz von rund 2000 zusätzlichen Lehrkräften nötig, die wir zeitnah einstellen konnten und damit vom Markt genommen haben. Ich bin jetzt das 23. Jahr im Parlament: Dass die Wartelisten für die Grundschulen leer sind, gab es noch nie.

Der Landtag hat 2017 ein Bildungspaket auf den Weg gebracht, das rund 2000 neue Stellen an Bayerns Schulen vorsieht. Ist das die Lösung?

Spaenle: Das ist wirklich eine sehr bemerkenswerte Anstrengung der Landtagsfraktion – 2000 zusätzliche Planstellen zeitlich gestaffelt bis 2025. Das ist schon lange nicht mehr passiert und eine kraftvolle Investition in Bayerns Schulen.

Gehören Unterrichtsausfälle damit der Vergangenheit an oder was genau bedeutet das für die Versorgung?

Spaenle: Wir haben schon jetzt mehr Lehrkräfte, als es für die reine Versorgung braucht, um Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Es werden aber trotzdem immer mal wieder Stunden ausfallen. Wer eine Unterrichtsgarantie abgibt, handelt meiner Meinung nach politisch unverantwortlich. Das wird in einem System mit mehr als 100 000 Beschäftigten nie möglich sein können. Das Ziel muss sein, den Ausfall zu minimieren.

Und wie wird das in Bayern verfolgt?

Spaenle: Dafür haben wir unterschiedliche, erfolgreiche Instrumente. An Grund- und Mittelschulen arbeiten wir mit der sogenannten mobilen Reserve. Das sind im Moment etwa 2400 Kräfte, die einspringen, wenn Not am Mann ist. An Realschulen und Gymnasien gibt es die integrierte Reserve, bei der die Lehrkräfte das Schuljahr über an der Schule unterrichten. Das war lange Wunsch der Eltern- und Lehrerverbände, dem wir entsprechen konnten. Für jeweils ein staatliches Gymnasium steht damit im Schnitt eine Lehrkraft mehr zur Verfügung.

Wir haben außerdem vor rund eineinhalb Jahren begonnen, vor allem Lehrkräften der Realschule und Gymnasien die Möglichkeit zu geben, über eine Zusatzqualifikation an Grund- und Mittelschulen zu unterrichten. Ihnen wird bei erfolgreicher Teilnahme eine unbefristete Beamtenstelle in Aussicht gestellt. Diese Möglichkeit wird mehr in Anspruch genommen als erwartet. 200 Lehrer sind zu Beginn dieses Schuljahrs an Grund- und Mittelschulen mit Planstelle in den Dienst gegangen. Weitere 1200 Lehrkräfte konnten wir bisher für diese Maßnahme gewinnen. Dieses Angebot scheint durchaus attraktiv zu sein, wenn sich eine so ordentliche Zahl von jungen Lehrkräften auf diesen Weg macht.

Wie viele Schüler kommen in Bayern aktuell auf einen Lehrer?

Spaenle: Das Betreuungsverhältnis hat sich positiv entwickelt: Aktuell kommen rechnerisch 14 Schüler auf einen Lehrer. Dieser Wert berücksichtigt allerdings nicht, dass deutlich mehr Lehrkräfte zum Beispiel für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler eingesetzt sind. Daher ist von diesem Wert die durchschnittliche Klassenstärke zu unterscheiden, die wir in den vergangenen Jahren ebenfalls immer weiter senken konnten: An Realschulen und dem Gymnasium auf durchschnittlich 26 Schüler pro Klasse, an Grundschulen auf rund 21. Im Einzelfall kann es aber deutliche Abweichungen von diesen Durchschnittswerten geben.

Länder wie Hamburg setzen verstärkt auf Ganztagsschule und haben ihr Angebot ausgebaut. Bayern dagegen landet bei Vergleichen eher auf den hinteren Rängen. Wie sieht es mit Investitionen in Ganztagsschulen aus?

Spaenle: Bedarfsgerecht und nachfrageorientiert ist meine Devise. Mir ist die Reichweite das Wichtigste. Gemeinsam mit den Kommunen, die für die Betreuungsangebote zuständig sind, sorgen wir dafür, dass es an möglichst vielen Schulen Ganztagsangebote gibt. Derzeit bieten rund 80 Prozent aller allgemeinbildenden Schulen in Bayern eine Form des Ganztagsangebots an, dazu kommen weitere Angebote etwa von Kinderhorten und Tagesheimen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern werden wir aber bei statistischen Erhebungen benachteiligt, weil nicht alle Angebote berücksichtigt werden.

Wir setzen auf eine ganze Palette an Betreuungsangeboten, so dass passgenau auf die Bedürfnisse der Eltern reagiert werden kann. Das geht bei der Mittagsbetreuung los, bei der verlängerten Mittagsbetreuung, dem offenen Ganztag bis zum gebundenen, rhythmisierten Ganztag. Aus dieser Vielfalt von Angeboten setzt sich das bayerische Ganztags-Betreuungskonzept zusammen. Die Nachfrage in Ballungsgebieten ist erfahrungsgemäß größer. Es wird aber kein Antrag einer Kommune, der pädagogisch begründet ist, abgelehnt. Sie werden alle genehmigt und die Kommunen entsprechend unterstützt. Jährlich stellen wir einen dreistelligen Millionenbetrag und entsprechende Lehrerstunden dafür zur Verfügung.

2019 endet der bayerische Modellversuch für Islamunterricht in deutscher Sprache. Wie gehts weiter mit dem Islamunterricht?

Spaenle: Ich halte das Modell, wie wir es jetzt in Bayern an weit über 300 Schulen anbieten, für einen gangbaren Weg. Und wenn es nach mir geht, könnten wir das auch flächendeckend anbieten. Aber was 2019 ist, wird der nächste Landtag entscheiden.

Und jetzt noch ein kleiner Blick in die Zukunft: Was ist die größte Herausforderungen 2018 in Sachen Bildungspolitik?

Spaenle: Die digitale Bildung an allen Schulen und das neue neunjährige Gymnasium mit mehr Lernzeit bei sehr hoher Bildungsqualität stehen ganz oben auf unserer Agenda. Dazu kommen auch die Weiterentwicklung unseres erfolgreichen Schulwesen und die Inklusion. Interview: Aleksandra Bakmaz, dpa

Zur Person

Ludwig Spaenle ist seit Oktober 2008 Kultusminister in Bayern. Seit Oktober 2013 ist er auch für Wissenschaft und Kunst zuständig. Der promovierte Historiker und Theologe war einige Jahre Fernsehredakteur beim Bayerischen Rundfunk (BR). 1994 zog er in den Landtag ein und spezialisierte sich auf Bildungs- und Hochschulpolitik. Seit mehr 40 Jahren ist er Mitglied der CSU.

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ysnp
6 Jahre zuvor

Ich hoffe, dass das wirklich so ist, wie Herr Spänle sagt, dass man so den Lehrermangel, den wir so langsam in der Praxis an Bayerns Grundschulen spüren, einigermaßen auffangen kann.

Was mich immer wieder wundert, die Statistik der durchschnittlichen Klassenstärke: Das muss es an kleinen Grundschulen sehr kleine Klassen geben. Wie werden denn die Kombiklassen in die Statistik reingerechnet? Als eine Klasse oder als zwei? Es gibt zwar kleinere Grundschulen, die hin und wieder kleine Klassen haben – wie man so mitbekommt – aber gerade bei großen Grundschulen ist dies nicht der Fall, denn man kann ja immer mit der Klassenbildung jonglieren. Wir sind immer die Leidtragenden der Statistik. In meiner Grundschule haben wir Klassen mit durchschnittlich 26 Schülern. Unsere größte Klasse hat im Augenblick 28 Schüler.
Zumal hat man noch das Problem, dass es bei „Sonderklassen“ zu keiner Klassenmehrung kommen darf. Wenn man z.B. die Ganztagsklassen auf eine gewisse Schülerzahl beschränkt, was Sinn macht, erhöht sich die Schülerzahl bei den anderen Klassen – bei uns manchmal sehr grenzwertig. Wir hätten als große Schule hin und wieder locker eine weitere Klasse bilden können, das war uns aber nicht erlaubt.