Eltern gehen auf die Barrikaden: Zu viele krankheitsbedingte Einschränkungen im Kita-Betrieb!

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BREMEN/HANNOVER. Es ist für viele Eltern existentiell wichtig, die Betreuung ihrer Kinder in Kitas sichergestellt zu wissen. In Bremen befinden sich die Kitas nun im Ausnahmezustand – weil sich die Betreuungs-Ausfälle häufen, gehen Bremer Eltern auf die Barrikaden. Sie haben die Initiative «Kitanotstand» gegründet und fordern mehr Personal. In anderen Bundesländern, etwa Niedersachsen, sieht die Situation oft nicht besser aus.

Spielplatz-Karussel
Wenn das Personal fehlt, läuft die Kita schon mal nur im Notdienst. Foto: Martin Berk / pixelio.de

Christin Siems ist Studentin an der Hochschule Bremen und Mutter einer drei- und einer vierjährigen Tochter. Weil sie zügig mit ihrem Studium vorankommen will, hat die 28-Jährige für ihre Kinder Ganztagsplätze in der Kita. Doch im Dezember kam sie an ihre Grenzen: Weil Erzieherinnen krank waren, musste sie die beiden Kinder immer wieder früher abholen, oft gab es nur Notdienste.

«Wer morgens um 8 Uhr nicht pünktlich vor der Tür stand, lief Gefahr, dass er seine Kinder wieder mit nach Hause nehmen musste», sagt Siems. An drei Tagen war das bei ihr der Fall, ausgerechnet als eine wichtige Präsentation anstand. Da reichte es Siems: Mit anderen Eltern startete sie die Kampagne «Kitanotstand Bremen». Für Dienstag (20. Februar) hat die Initiative Betroffene dazu aufgerufen, vor der Bremischen Bürgerschaft zu protestieren.

Denn die Situation in Christin Siems Kita ist kein Einzelfall – im Gegenteil. Im Dezember erreichte die Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, Claudia Bogedan (SPD), ein Brandbrief von verzweifelten Eltern aus 16 Einrichtungen von Kita Bremen, einem Eigenbetrieb der Stadt. Darin fordern sie deutlich mehr Personal, um den regulären Betrieb gewährleisten zu können.

Zu wenig Fachkräfte und zu viele Krankheitsausfälle

Kita Bremen sieht das Problem, zurzeit können aber nach eigenen Angaben 70 Erzieherstellen nicht besetzt werden. Anderen Trägern geht es ähnlich. «Es gibt keine Fachkräfte auf dem Markt», betont der Geschäftsführer von Kita Bremen, Wolfgang Bahlmann. Verschärft werde die Situation von einer hohen Krankenquote bei den Erzieherinnen, die im letzten Jahr auf 12,2 Prozent gestiegen sei. «Die Lage in einigen Häusern ist für die Eltern und für das Personal sehr schwierig und belastend», räumt Bahlmann ein.

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Auch in Niedersachsen ist die Situation nach Angaben der Gewerkschaft Verdi angespannt. «Die Personaldecke ist dünn und Krankheitsausfälle sind schwer aufzufangen», sagt Gewerkschaftssekretärin Katja Wingelewski. Es werde zunehmend schwierig, Notdienste zu organisieren, weil Erzieherinnen aus dem Vertretungspool wegen längerer Krankheitsausfälle oft schon fest in Gruppen eingesetzt würden.

«So extrem wie dieses Jahr war es hier noch nie», sagt auch die Fachbereichsleiterin Bildung der Stadt Achim, Wiltrud Ysker. «Wir haben einen unhaltbaren Zustand.» In einer Kita könne etwa die vertraglich zugesagte Ganztagsbetreuung nicht angeboten werden. Die Eltern organisieren nun selbst die Nachmittagsbetreuung. Durch den Mangel an Erziehern werde auch die Qualität der Betreuung beeinträchtigt. «Wenn ich aus der Krippe ständig die Drittkraft rausziehe, um mit ihr eine Lücke in der Kita zu stopfen, leidet die inhaltliche Arbeit.» Zwölf Stellen seien in Achim unbesetzt. «Der Markt ist leer gefegt», betont Ysker. Braunschweig wirbt inzwischen sogar über Facebook mit einem Video, sich für eine Tätigkeit als Erzieherin oder Erzieher in der Stadt zu bewerben.

Bessere Bezahlung und besserer Personalschlüssel

Verdi sieht die Politik in der Pflicht, endlich etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun. «Die Arbeits- und Rahmenbedingungen müssen sich verbessern», fordert Gewerkschaftssekretärin Wingelewski. Mehr als andere Berufsgruppen gelten Erzieher und Erzieherinnen als Burnout-gefährdet. Notwendig seien auch eine bessere Bezahlung und ein besserer Personalschlüssel, fordert Verdi. In Hannover können nach Angaben der Stadt gar nicht erst alle Ausbildungsplätze mit Interessentinnen besetzt werden.

Nach Überzeugung des Gesamtelternbeirats von Kita Bremen wurden dagegen in Bremen über Jahre nicht genügend Ausbildungsplätze angeboten. «Die Ausbildung wurde lange Zeit vernachlässigt, das rächt sich jetzt», sagt Vorstandssprecherin Anett Ganswindt. Senatorin Bogedan gibt zu Bedenken, dass die Stadt Bremen allein im laufenden Jahr 2000 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen hat. Um dem Fachkräftemangel weiter entgegenzuwirken, startet nun eine neue praxisintegrierte Ausbildung, die anders als bisher auch eine Vergütung vorsieht. «Ziel ist es, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen und zugleich einen größeren Personenkreis für die Erzieherausbildung zu gewinnen», sagt Bogedan.

Christin Siems hofft unterdessen, dass ihre Kita nicht wieder von einer Krankheitswelle überrollt wird. Die Vorbereitung auf die Uni-Präsentation schaffte sie, weil ihre Mutter die Kinderbetreuung übernehmen konnte. «Das ist aber keine Dauerlösung», sagt Siems. dpa

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3 Kommentare
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OMG
6 Jahre zuvor

Das Kitaproblem ist für das Industrieland Deutschland mittlerweile schon mehrere Stufen unter dem untersten Peinlichkeitsniveau. Da schafft sich ein Staat selbst ab. So ein Chaos braucht niemand

Pälzer
6 Jahre zuvor

Rechtsansprüche beschließen ist eben leichter als Nachrechnen, wie viele Menschen für eine Ausbildung zur Erzieherin überhaupt zur Verfügung stehen. Unser Kindergarten fand auch niemand.

amaria
6 Jahre zuvor

Wenn immer wieder kranke Kinder in die Kita gebracht werden, ist es nicht verwunderlich, wenn die Erzieherinnen irgendwann nicht mehr können.
Eltern könnten sich zur Abwechslung einmal über das eigene Verhalten oder das anderer Eltern beschweren. Vielleicht hilft es wenigstens ein bisschen…