Stiftung gegen Gewalt an Schulen: „Lehrer haben einen Lehr- und keinen Schießauftrag“

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STUTTGART. Erst neun Jahre liegt der Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden zurück, bei dem damals 16 Menschen starben. Die von Angehörigen der Opfer initiierte Stiftung gegen Gewalt an Schulen wendet sich nun mit deutlichen Worten gegen die Pläne von US-Präsident Trump, Lehrer zu bewaffnen.

Die Stiftung gegen Gewalt an Schulen lehnt die Idee ab, Lehrer an Schulen zu bewaffnen. «Wie soll ein Lehrer einen Bewaffneten mit Tötungsabsicht gegenübertreten – er müsste die Waffe in der einen Hand tragen, in der anderen die Kreide», sagte die Stiftungschefin, Gisela Mayer, anlässlich des neunten Jahrestages des Amoklaufs von Winnenden bei Stuttgart. Am 11. März 2009 erschoss ein ehemaliger Schüler der Albertville-Realschule ihre Tochter Nina, die dort als Referendarin arbeitete. Der junge Mann erschoss 15 Menschen, bevor er sich selbst tötete. US-Präsident Donald Trump hatte nach dem Amoklauf an einer Schule in Florida mit 17 Toten die Bewaffnung einiger ausgewählter Lehrer vorgeschlagen.

Die Idee von US-Präsident Trump, Lehrer zu bewaffnen, um Amokläufe zu verhindern, stößt auf viel Kritik. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr / CC BY 2.0
Die Idee von US-Präsident Trump, Lehrer zu bewaffnen, um Amokläufe zu verhindern, stößt auf viel Kritik. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr / CC BY 2.0

Nicht nur viele US-Schulen haben nach Mayers Worten ein Gewaltproblem, sondern auch deutsche. Eine Bewaffnung werde aber potenzielle Amokläufer nicht abschrecken, da ihre Taten einen erweiterten Suizid darstellten. Im Gegenteil: «Ich vermute, dass es solchen Menschen einen zusätzlichen Nervenkitzel bereitet, möglichst viele Menschen zu töten, bevor sie selbst erschossen werden.»

Den Lehrern sei eine Bewaffnung nicht zumutbar. Mayer: «Sie haben einen Lehr- und keinen Schießauftrag.» Den Schülern würde dadurch nahe gelegt, ständig in Verteidigungshaltung sein zu müssen. «Das vermittelt eine falsches Bild von der Welt und untergräbt Vertrauen und Sicherheitsgefühl.» Der Zusammenhalt werde untergraben und Einzelkämpfertum befördert – «das geht in eine Richtung, die mit der Demokratie nicht mehr vereinbar ist».

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Der Strategie der Konfrontation setzt Mayer die der Kooperation entgegen. «Lehrer, Eltern und Schüler müssen sich zusammensetzen und verdeutlichen, dass Aggression an ihrer Schule nicht toleriert wird.» Diese Position müsse absolut klar durchgehalten werden. «Wir werden uns irgendwann entscheiden müssen, ob wir auf die Kraft des vernünftigen Argumente hören wollen oder lernen, besonders gut zu schießen», betonte die Psychologin.

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Am Jahrestag des Massakers stehen eine öffentliche Gedenkfeier, Gottesdienste und am Abend eine Lichterkette auf dem Programm. Um 9.33 Uhr läuten in der nahe Stuttgart für fünf Minuten die Glocken.

Zum zehnten Jahrestag des Amoklaufes wird laut Mayer ein Buch mit Beiträgen von Schülern baden-württembergischer Schulen veröffentlicht. Thema sei ihre Haltung zur Gewalt. «Wir wollen ein möglichst vielfarbiges Bild erhalten – nicht von der Politik oder der Wirtschaft – sondern von den jungen Leuten, die von Gewalt bedroht sind.» (dpa)

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Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Danke für den Beitrag, sowie für die Darstellung der klaren Stellungnahme dieser Angehörigen eines Mordopfers.
Lehrer haben einen Lehrauftrag, allein die Idee einer Bewaffnung käme uns Europäern nicht in den Sinn. Und so erscheinen uns hier die Gedankenspiele in Übersee unvorstellbar.
Gewalt an Schulen muss weiter präventiv entgegen gewirkt werden, damit die Schulen ein Ort der Geborgenheit und des Lernens für das Leben bleiben.