Studie: Die Herausforderungen an Kita-Mitarbeiter steigen, gewürdigt wird dies aber nicht

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In den Kindertagesstätten steigt laut einer repräsentativen Kitaleiter-Befragung der Anteil der Kinder aus armen Familien. In einer Studie für den VBE und den Informationsdienstleister Wolters Klüwer bejahte dies mehr als die Hälfte der fast 2400 befragten Kita-Leiter aus ganz Deutschland. Allerdings verfüge nur die Hälfte der Einrichtungen über spezielle Angebote für diese Zielgruppe, erklärte der Sozialwissenschaftler Prof. Ralf Haderlein bei der Vorstellung der Studie.

Erzieherinnen und Erzieher müssen viel leisten, damit die Kinder einen schönen Kita-Alltag haben. Foto: Remus Pereni / flickr / CC BY 2.0

«Die Kinderarmut nimmt zu», sagt die 55-jährige Kita-Leiterin Barbara Nolte aus Hövelhof im Kreis Paderborn. Die ehrenamtliche VBE-Referatsleiterin für den Bereich Erzieher hört auch von vielen Kollegen: «Immer mehr Kitas sorgen für Frühstück, weil viele Kinder nie Frühstück mit haben – oder etwas, das niemand essen möchte.» Außerdem veranstalteten immer mehr Kitas Flohmärkte, wo Familien gut und günstig Kleidung kaufen können. Auch «Mitnahmeschränke» etwa für aussortierte Bücher würden zusätzlich organisiert.

Bemerkenswert sei, dass trotz aller Politiker-Bekenntnisse nur vier Prozent der Kita-Leiter den Eindruck äußerten, ihre Arbeit erfahre seitens der Politik tatsächlich starke Wertschätzung, sagte der Koblenzer Bildungsforscher Haderlein. Über 80 Prozent beklagten ausdrücklich mangelnde Wertschätzung.

«Das müsste Politikern die Schamesröte ins Gesicht treiben», unterstrich der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. «Die Politik lässt ihren Versprechungen keine Taten folgen.» Er forderte mehr Unterstützung für «die Herkulesaufgabe frühkindliche Bildung».

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Die Erzieher – zu 95 Prozent Frauen – leiden auch unter dem hartnäckigen Vorurteil, sie seien noch «die Spiel- und Basteltanten», wie Haderlein berichtete. «Dass Bildung ein Mittelpunkt in jeder Kita geworden ist, spiegelt sich in der Gesellschaft nicht wider.» Vor allem unter den unter 30-jährigen Kita-Leiterinnen ist der Frust darüber groß: Rund 84 Prozent von ihnen fühlen sich weiterhin als schlichte Betreuerinnen abgewertet.

Mangelnde Anerkennung und fehlendes Personal

Neben mangelnder Anerkennung bleibe auch fehlendes Personal ein großes Problem. Bis 2025 drohe bundesweit eine Fachkräftelücke von rund 300 000 Beschäftigten – etwa ein Viertel davon im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW. Derzeit arbeiten laut Haderlein rund 700 000 Angestellte in rund 40 000 deutschen Kitas.

Er bezifferte den bundesweiten Mehrbedarf für die Angleichung der deutschen Kita-Verhältnisse an europäische Standards auf bis zu zehn Milliarden Euro jährlich. «Die Fachkraft-Kind-Schlüssel sind in einem Großteil der Bundesländer absolut unzureichend und entsprechen bei weitem nicht den wissenschaftlich anerkannten Mindestverhältnissen von 1:7,5 für über dreijährige und 1:3 für unter dreijährige Kinder», heißt es in der Studie.

Auffällig sind demnach die regionalen Unterschiede beim Qualifikationsniveau der Erzieher: Während in Bayern (84,9 Prozent) und Hessen (81,6) eine große Mehrheit der Kita-Leitungen eher zufrieden mit dem Erziehernachwuchs ist, geben in Mecklenburg-Vorpommern (56), Sachsen-Anhalt (61,2) und Thüringen (61,5) deutlich weniger Leitungskräfte an, dass sie insgesamt zufrieden sind. Dies sei ein deutlicher Hinweis auf große Ausbildungsunterschiede in den Bundesländern. dpa

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sofawolf
6 Jahre zuvor

In den Nachrichten hörte ich, dass auch im Kindergartenbereich zehntausende Erzieher fehlen. Ja, ich weiß, es ist ein bisschen sarkastisch, wenn ich frage, ob von den sprudelnden Steuereinnahmen vielleicht doch noch ein wenig übrig ist, um durch bessere Gehälter Bewerber in den Erzieherberuf zu locken?

Oder sparen wir bei Hartz IV? Wir haben doch die Tafeln dafür … ach nee, geht nicht, die verköstigen ja nun auch nicht mehr jeden. Hmmm …

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Die Gehälter sollten aber deutlich verbessert werden, weil 2500-3000€ brutto bei Vollzeit nicht die Welt sind. Gleichzeitig soll die Ausbildung an die Hochschulen verlagert und den Grundschullehrern gleichgestellt werden. Die Kommunen werden das aber mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern wissen.

Pälzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Was bedeutet das für alle, die ein Hochschulstudium nicht packen?

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Die werden dann halt nicht ErzieherIn. Das Grundschullehramt wurde ja auch mal an die Hochschulen verlagert.

Mir kommt es darauf an, dass die ErzieherInnen eine mittlerweile so wichtige Aufgabe haben, dass sie akademisch ausgebildet werden können. Schauen Sie sich mal die Niedelande an. Dort wurden die Kindergärten und die Grundschulen unter einem Dach vereinigt und umfasst dort ungefähr acht Schuljahre (zwei Kindergartenjahre bis einschließlich Klasse 6).

Pälzer
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Offenbar gehen Sie wie selbstverständlich davon aus, dass die dazu nötigen Menschen existieren, vermutlich auch, dass alle geeignet sind.

emil
6 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Pälzer hat recht! Erzieher haben einen Realschulabschluss. Wer kann, hätte wohl sofort Abitur gemacht. Stellt sich also die Frage, wie viele Erzieher überhaupt das Abitur und ein Studium geschafft hätten…..

emil
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Erzieher haben gerade erst vor 2 Jahren 10% Gehaltserhöhung erstreckt. Wer dann noch meckert, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  emil

10% von etwas über 2000€ ist höchstens für die Kommune in der Summe sehr viel mehr Geld als für die einzelne Erzieherin.

Bei dieser Einstellung brauchen Sie auch nicht die (kaum mehr als) 10%-ige Erhöhung Ihrer Bezüge auf A13.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ich sage ja immer, es geht manchen nur ums eigene Portmonee.

Wer soll warum nicht mehr verdienen dürfen? Wie wollte man das begründen? Doch wenn alle mehr verdienen, verdient am Ende niemand mehr, denn die Personalkosten werden über die Preise wieder reingeholt. Alles wird teurer und keiner hat wirklich mehr.

Noch ein Grund, um eher in bessere Arbeitsbedingungen zu investieren als in mehr Gehalt für Gutverdiener.