Vier Motivationstypen: Warum sich Lehrer bei manchen Schülern die Zähne ausbeißen – und bei anderen nicht

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DÜSSELDORF. Jeder Schüler ist anders, klar – eine Binse. Das ändert aber nichts daran, dass Lehrer mit ihrem Unterricht möglichst alle erreichen wollen. Warum ihnen das mal besser, mal schlechter gelingt, dafür liefern die Erziehungswissenschaftlerinnen Prof. Diana Raufelder und Dr. Frances Hoferichter jetzt eine Erklärung: Sie kategorisieren die Kinder und Jugendlichen in vier Motivationstypen. Bei zwei davon, soviel vorweg, beißen sich Lehrer mitunter die Zähne aus. Der Beitrag erschien zunächst in der Zeitschrift „Grundschule“. 

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Die Wissenschaftler haben vier verschiedene Motivationstypen identifizieren können – nicht alle Kinder sind auf die Lehrkraft fixiert. Foto: Shutterstock

Die vier Motivationstypen

Lehrkräfte können das Belohnungssystem im Gehirn ihrer Schülerinnen und Schüler aktivieren. Je nachdem, wie die Kinder ausgerichtet sind, funktioniert das unterschiedlich gut.

In den alltäglichen Lehr- und Lernprozessen zwischen Lehrern und Schülern spielen Emotionen eine entscheidende Rolle, die jedoch oft – sowohl von den Handelnden selbst als auch von Bildungsforschern – unterschätzt werden. Grundsätzlich stehen Emotionen im engen Zusammenhang mit Motivation: Beide Kräfte animieren den Menschen zum Handeln. Während die Motivation unser Handeln lenkt und steuert, verstärken Emotionen, als positive oder negative affektive Komponenten, die Motivation (vgl. Gaulin/McBurney 2003; Tomkins 1962). Übertragen auf den Schulkontext bedeutet das, dass Emotionen in der Lehrer-Schüler-Beziehung maßgeblich zum Aufbau und der Aufrechterhaltung von Motivation beitragen und damit auch über den Erfolg der Schüler bestimmen (vgl. Baker u. a. 2008; Murray /Greenberg 2001; Wentzel 2009; Wentzel u. a., 2010).

Die Zeitschrift 'Grundschule'
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Der Text erschien zunächst in der Ausgabe „Ich mag dich, ich mag dich nicht. Wie Gefühle das Lehren und Lernen begleiten“ der Zeitschrift „Grundschule“. Hier lässt sich das Heft bestellen oder lassen sich einzelne Beiträge herunterladen (kostenpflichtig).

Abneigung, Sympathie, Angst: Dargestellt werden im Heft die besonderen Emotionen im Verhältnis zwischen Lehrern und ihren Schülern, aber auch innerhalb eines Kollegiums. Die Autoren schauen in die Historie und berichten von Grenzüberschreitungen. Sie blicken aber vor allem in den Alltag und machen deutlich, wie stark unsere Gefühlswelt sich auch auf scheinbar rationale Situationen in der Schule auswirkt.

Aufbauend auf neurowissenschaftlichen Studien, aber auch auf Befunden der Emotionsforschung (vgl. Spangler/Zimmermann 1999), ist dabei festzuhalten, dass die subjektive Bewertung von Situationen (beispielsweise auch in sozialen Beziehungen) bedeutend für die Genese von Emotionen ist (vgl. Hascher 2004). Somit sind es nicht die tatsächlichen Lebensumstände, sondern die persönliche Wahrnehmung dieser Umstände, die über die Emotionswelt eines jeden entscheiden. Unterschiedliche Vorerfahrungen, Erwartungen, Bedürfnisse und Persönlichkeitskomponenten können dazu führen, dass die gleiche (Unterrichts-)Situation oder die gleiche Lehrperson von einem Schüler als negativ, von einem anderen als positiv bewertet werden (Hascher 2004). In diesem Zusammenhang befragten wir 2011 insgesamt 1088 Sekundarschüler der 7. und 8. Klasse in Brandenburg über ihre Motivation in Verbindung mit sozialen Beziehungen zu Peers und Lehrern (vgl. Raufelder/Jagenow u. a. 2013).

Mittels statistischer Analysen konnten wir vier Motivationstypen (MT) mit unterschiedlicher Verteilung finden:

  • (1) Lehrer-abhängiger MT (9,5 Prozent mit 50 Mädchen, 57 Jungen),
  • (2) Peer-abhängiger MT (36,5 Prozent mit 233 Mädchen, 161 Jungen),
  • (3) Lehrer-und-Peer-abhängiger MT (27,8 Prozent mit 166 Mädchen, 126 Jungen),
  • (4) Lehrer-und-Peer-unabhängiger MT (26,3 Prozent mit 138 Mädchen, 157 Jungen).

Die Typen 1 bis 3 zeichnen sich dadurch aus, dass sie Peers und/oder Lehrer als Motivationsquelle benötigen, wohingegen Peers und Lehrer für den unabhängigen MT in Hinblick auf Motivation nicht von Bedeutung sind. Die Typenzugehörigkeit unterliegt jedoch einer dynamischen Veränderung, sodass bei einer zweiten Befragung derselben Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2013 die Zugehörigkeit zum lehrer-abhängigen MT auf 19,5 Prozent anstieg. Es ist zu vermuten, dass diese Motivationstypologie nicht nur für Sekundarschüler relevant ist, sondern auch für Grundschüler – was es in weiteren Untersuchungen zu überprüfen gilt.

Für alle an Lehr- und Lernprozessen beteiligten Personen verlangt dieser Umstand ein hohes Maß an Flexibilität, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel im gegenseitigen Umgang. Insbesondere von Grundschülern werden Lehrkräfte als Vorbilder und zur Handlungsorientierung wahrgenommen. In Grundschulen ist es deshalb besonders ratsam, die individuellen Bedürfnisse der Schüler zu erfassen und zielgerichtet auf sie einzugehen. Diese Fähigkeit ist nicht nur für die Beziehungsqualität an sich, sondern darüber hinaus auch für kognitive Prozesse und die soziale Entwicklung der Schüler entscheidend.

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Namhafte Neurobiologen und Gedächtnisforscher sind sich einig, dass wir umso besser lernen, je emotional positiver wir eine Situation wahrnehmen (u.a. Larry Squire, James McGaugh, Candace Pert; vgl. Jensen 1998). Wenn ein Kind zum Beispiel unter Leistungsdruck, Stress und Angst lernt, werden mit dem Lerninhalt negative Gefühle mitgelernt, welche immer dann, wenn sich der Schüler aktiv an diese Lerninhalte erinnert, zum Beispiel in Prüfungssituationen, ebenso auftreten. Genauso können Lernstätte (Kindergarten oder Schule) wie auch bestimmte Personen (etwa Erzieher und Lehrer) als angstauslösend wahrgenommen werden (vgl. Hüther 2006; Ittel/Raufelder 2008). Wenn überwiegend und langfristig negative Emotionen mit Lernen verbunden werden, ist es aus neurowissenschaftlicher Sicht nur noch schwer möglich, das Lernen wieder neu (beispielsweise mit positiven Emotionen verbunden) zu bewerten. Daher gilt es so früh wie möglich, negative Emotionen im Lernkontext zu vermeiden.

In einer kürzlich durchgeführten Studie (Raufelder/Hoferichter u. a. 2014) mit 87 Schülern konnten wir diese Zusammenhänge bestätigen: Schülerinnen und Schüler, die angaben, eine positive Beziehung zu ihren Lehrkräften zu haben oder diese generell als positive Motivatoren erleben, zeigten eher eine Aktivierung in der Amygdala, dem Mandelkern des Gehirns, wenn sie angstvolle oder ärgerliche Lehrergesichter sahen – was kognitive und physische Angstsymptome in Prüfungssituationen hervorruft. Das heißt, die Emotionen, die von Lehrpersonen über ihre Gesichtsmimik transportiert werden, lösen je nach Qualität und Ausrichtung der Beziehung zum Schüler eine Aktivität in der Amygdala bei ihm aus, welche wiederum mit Ängsten in Prüfungssituationen verbunden ist.

Wie die neurobiologische Forschung herausgefunden hat, gibt es im Bereich des sogenannten Mittelhirns eine Art Motivationssystem. Dieses ist in der Lage, einen Botenstoff-Cocktail aus Dopamin, Oxytocin und Opiaten auszuschütten, der uns das Gefühl von Vitalität und Motivation vermittelt (vgl. Ittel/Raufelder 2008). Während Dopamin wie eine Leistungsdroge wirkt, verknüpfen endogene Opiate das Prinzip der Kraft mit dem des Wohlbefindens, wohingegen das „Freundschaftshormon“ Oxytocin die Motivation an die Qualität der Beziehung koppelt, die wir mit dem jeweiligen Gegenüber haben. Mit anderen Worten, wir sind besonders motiviert, wenn wir für oder mit Menschen etwas tun können, die uns nahe sind und mit denen wir uns zwischenmenschlich verbunden fühlen. Übertragen auf die Lehrer-Schüler-Beziehung bedeutet das, je mehr Interesse, Aufmerksamkeit, Anerkennung und persönliche Wertschätzung einem Kind vonseiten der Lehrkraft entgegengebracht werden, desto stärker werden die Botenstoffe ausgestoßen (vgl. Bauer 2006). Der Neurobiologe Gerald Hüther (2006) geht sogar so weit zu sagen, dass die positive Wahrnehmung durch die Lehrkraft als Person und ihre Interaktion mit den Schülern der wichtigste Faktor zum erfolgreichen Lernen in der Schule ist.

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Die Autorinnen

Prof. Dr. Dr. Diana Raufelder hat an der Universität Heidelberg Erziehungswissenschaften und Ethnologie studiert und an der Freien Universität Berlin promoviert. Sie ist Lehrstuhlinhaberin für Schulpädagogik an der Universität Greifswald. Dr. Frances Hoferichter ist dort  Wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie hat in ihrer Dissertation den Zusammenhang von Persönlichkeit, Prüfungsangst und Stress mit sozialen Beziehungen im schulischen Kontext und deren Einfluss auf Motivations- und Lernprozesse auf einem interkulturellen Level untersucht.

Literatur

  • Baker, J. A./Grant, S. et. al.: The Teacher-Student Relationship As a Developmental Context for Children With Internalizing or Externalizing Behavior Problems. In: School Psychology Quarterly, 23, S. 3 – 15, 2008
  • Bauer, J.: Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg, 2006
  • Gaulin, S. J. C./McBurney, D. H.: Evolutionary Psychology – Chapter 6 (S. 121 – 142). Upper Saddle River, 2003.
  • Hascher, T.: Schule positiv erleben. Ergebnisse und Erkenntnisse zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern. Bern, 2004.
  • Hoferichter, F./Raufelder, D.: Ein Modell inter-individueller Unterschiede sozio-motivationaler Beziehungen von Sekundarschülern mit ihren Peers und Lehrern. In: Schulpädagogik heute, 5(9), 2014
  • Horstkemper, M.: Geschlechtsidentität und unterrichtliches Handeln. In: M. Schweer (Hrsg.), Lehrer-Schüler-Interaktion. Opladen, 2000.
  • Hüther, G.: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen, 2006.
  • Ittel, A./Raufelder, D.: Lehrer und Schüler als Bildungspartner. Ansätze zwischen Tradition und Moderne. Göttingen, 2008.
  • Jensen, E.: Teaching with the brain in the mind. Alexandria, 1998.
  • Murray, C. /Greenberg, M. T.: Relationships with teachers and bonds with school: Social emotional adjustment correlates for children with and without disabilities. In: Psychology in Schools, 38(1), S. 25 -41, 2001
  • Raufelder, D./Hoferichter, F. et. al.: Students’ socio-motivational relationships with teachers, amygdala response to teacher’s negative facial expressions and relation to test anxiety, 2014 http://cogprints.org/9204/
  • Raufelder, D./Jagenow, D. u. a.: Social relationships and motivation in secondary school: Four different motivation types. Learning and Individual Differences, 24, S. 89 – 95, 2013
  • Spangler, G./Zimmermann, P.: Emotion, Motivation und Leistung aus entwicklungspsychologischer und persönlichkeitspsychologischer Sicht. In: M. Jerusalem/R. Pekrun (Hrsg.), Emotion, Motivation und Leistung (S. 85-104). Göttingen, 1999.
  • Tomkins, S. S.: Affect Imagery Consciousness: The Positive Affects (Vol. 1, chapter 9). New York, 1962.
  • Wentzel, K. R.: Students‘ relationships with teachers as motivational contexts. In: K. R. Wentzel/A. Wigfield (Eds.), Handbook of motivation at school, S. 301 – 322. New York, 2009.
  • Wentzel, K. R., Battle, A. u. a.: Social supports from teachers and peers as predictors of academic and social motivation. In: Contemporary Educational Psychology, 35, S. 193 – 202, 2010
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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Namhafte Neurobiologen und Gedächtnisforscher sind sich einig, dass wir umso besser lernen, je emotional positiver wir eine Situation wahrnehmen (u.a. Larry Squire, James McGaugh, Candace Pert; vgl. Jensen 1998).“

Das ist doch eigentlich die Aussage, auf der die ganze Kuschelpädagogik beruht. Lernen und Lernumgebung sollen positiv besetzt sein. Klingt ja eigentlich sympathisch.

Aber warum scheitern wir damit so häufig in der Praxis? Es ist ja in den letzten Jahrzehnten in Schulgesetzen und Verordnungen so viel Negatives wie möglich herausgestrichen bzw. erschwert oder verboten worden, aber warum sind dann die Leistungen schlechter geworden?

Lernen wir wirklich nur bzw. am besten, wenn uns etwas Spaß macht? Müssen wir in unseren Berufen nicht ständig Dinge tun, also lernen, die uns keinen Spaß machen und die wir nur befolgen, um Sanktionen zu vermeiden?

Ist es wirklich schlimm, etwas zu lernen, weil es sonst mit Negativem verbunden ist (Gebranntes Kind scheut Feuer)?

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Und wieso wird in Japan Lernen mit Drill mit etwas Positivem verbunden? Elterlicher Drill und gesellschaftliche Normen scheinen negative Umgebungen oder Handlungsweisen wenigstens teilweise zu kompensieren.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Meiner Meinung nach ist es ja zu einseitig, immer nur mit Spaß lernen zu wollen. Ich meine, ich habe nichts dagegen; ich halte es nur für unrealistisch. Kinder lernen auch ohne Spaß (auch wenn’s schrecklich klingt für manche hier) und sie müssen auch lernen, dass nicht immer alles Spaß macht, was man tut oder tun muss.

Auch wenn „Spaß“ sicherlich eine enorm hohe Motivation birgt.

Ob mir Schreibenlernen Spaß gemacht hat? Ich weiß nicht mehr. Viele Kinder schreiben heutzutage nicht gerne. Aber ja, dafür gibt es dann all diese spaßigen Unterrichtsvorschläge zum einen und all das, was man nicht mehr tun soll, weil es keinen Spaß macht (Diktate) …………..

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

= Kuschelpädagogik

Aber die Erfolge bleiben ja auch aus !

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Sofawolf
Es geht dabei um das angstfreie Lernen, was sich positiv auf die Kreativität im Lernen auswirkt und dazu führt sich gerne an die Lerninhalte zu erinnern. Das bedeutet eben nicht „Kuschelpädagogik“, in der die Schüler nicht gefordert werden, sondern selber das Lerntempo, dessen Inhalte und Zusammensetzung festlegen, ohne dass Lernvorgaben vom Lehrer in deren Reihenfolge bestimmt werden.
Ebenso fehlen in der „Kuschelpädagogik“ Rückmeldungen in Form von negativen Noten beim Nichterfüllen der Leistungsziele.
„Kuschelpädagogik“ ist gleichbedeutend mit einer Heranerziehung zu einem verantwortungsarmen Lernen ohne eine Zielrichtung auf berufliche Ziele, sondern diese dienet der Erfüllung eigener , egoistischer Ziele der Selbsterfüllung ohne ein Verantwortungsbewusstsein für die Allgemeinheit.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Hier sollte das eigentlich hin (hatte es beim falschen Beitrag gepostet):

Ich denke, der Punkt ist einfach der: Wenn man etwas mit Spaß lernt, ja, dann lernt man mit höherer Motivation, aber wenn es nur aus Spaß ist, dann lernt man es “so irgendwie ein bisschen”.

Wenn man wirklich Bestleistungen erbringen will, dann gehört auch “Arbeit” dazu, also Training, Anstrengung, Durchhaltevermögen, auch “Schweiß und Tränen”. Das zeigen doch alle Bereiche, ob Musik, Sport, Wissenschaft …

Und so ist ja nun auch Schule heute: Die Kinder lernen von allem ein bisschen und nichts richtig (gut). Klar, ist das eine Pauschalisierung, aber sie trifft den Kern (des Problems der “Spaßschule”).

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Ebenfalls „hierher verschoben“:

Im Kern ist es also offensichtlich so: Die einseitige Orientierung auf eine “Spaßschule” führt zu Mittelmaß, weil für Best- und Höchstleistungen auch Anstrengung, Training (üben) und Ausdauer gehören, auch wenn gerade keine Lust dazu hat.

Jeder, der ein Musikinstrument gelernt hat; jeder, der eine Sportart auf Leistungsniveau betreibt; jeder, der Karriere machen will, weiß das.

Insofern zeigt der Artikel tatsächlich den Zusammenhang auf, warum das heutige Schulsystem in Deutschland nur Mittelmaß hervorbringt (PISA etc.).

sofawolf
6 Jahre zuvor

@ ZITAT (Axel):

„Ebenso fehlen in der “Kuschelpädagogik” Rückmeldungen in Form von negativen Noten beim Nichterfüllen der Leistungsziele.“

Nun, das ist Ihr Verständnis von Kuschelpädagogik. Gut, dass Sie es sagen. Wir haben da offenbar ein teilweise unterschiedliches Verständnis. Ich selbst habe keine Definition parat, fasse den Begriff aber vermutlich weiter. Für mich gehört auch dazu, dass auf Störungen, Verweigerung, Respektlosigkeiten u.dgl. mehr immer nur „positiv (motivierend)“ reagiert werden darf und Strafen (sogar das Wort selbst) verpönt sind. Es wäre ja schön, wenn das so gelingen würde. Ich hätte dann gar nichts dagegen, aber es gelingt offensichtlich nicht.

Übringens finden Sie das auch bei Streit / Jansen im Buch „Positiv erziehen“. So heißt es zwar, aber sie sprechen sich durchaus auch für negative Konsequenzen aus, wenn sie nötig sind. Ich fasse das inzwischen unter dem Begriff der autoritativen Erziehung, die an den sozialwirksamen Schulen zum Prinzip erhoben ist.

ysnp
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Vielleicht sollten man wirklich erst einmal „Kuschelpädagogik“ definieren, damit eine gleiche Diskussionsgrundlage vorhanden ist. Selbst die „Experten“ sind sich nicht einig.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kuschelp%C3%A4dagogik

Was sind denn negative Konsequenzen? Ich sehe es als positive Konsequenz, wenn jemand eine Wiedergutmachung leisten muss, die mit der Handlung zu tun hat.
Dass störendes Sozialverhalten nicht belohnt werden kann, ist jedem klar.
Vielleicht meinen Sie den Ansatz, dass manches ignoriert wird und aber die positiven Seiten besonders herausgestrichen werden. Diese Art geht aber nur so weit, so weit andere nicht betroffen sind. Dieser Gedanke geht sogar auf die Verhaltensforschung zurück, den man auf das Pädagogische übertragen hat.

Storb
6 Jahre zuvor

Fragen.

„Namhafte Neurobiologen und Gedächtnisforscher sind sich einig, dass wir umso besser lernen, je emotional positiver wir eine Situation wahrnehmen“
Was heißt hier „Situation“? Und reden wir jetzt über „Situationen“ ober über Bezugspersonen? Das scheint unklar, ist aber natürlich nicht dasselbe.

„Bei zwei davon, soviel vorweg, beißen sich Lehrer mitunter die Zähne aus.“
Welche zwei sind das nun? Habe ich das überlesen? (1) und (3)? Was ist, wenn bei (3) die Lehrer peers erreichen, die dann wiederum die peer-Motivierten erreichen? Das hat nichts mit „Zähne ausbeißen“ zu tun, nur mit (fehlender) Direktheit und damit einer Komplexität, mit der die „empirische Bildungsforschung“ schlecht umgehen kann. Ist aber uralter Teil des Lehrerhandwerkzeugs. Umgekehrt gilt z. B. auch: Was passiert mit den lehrerorientierten, ihre Lehrer positiv wahrnehmenden „Motivationstypen“ in Klassen, in denen die peer-Orientierten sich in negativer Wahrnehmung verbünden und das „Klassenklima“ dominieren?

Der Kurzschluss positiver Befindlichkeit und Motivation dürfte wenig überzeugend sein; zumindest dürfte er zwar über Emotionalität etwas aussagen, aber nicht über Lernerfolge. Auch in den Arbeiten der zitierten Tina Hascher ist m. E. vermerkt, dass Lernen nicht nur über positive Erfahrungen funktioniert. Abgesehen davon ist völlig unklar, was hier „positiv“ bedeutet und was an „Negativität“ vermieden werden soll – und zu welchen Zeitpunkten. Was ist zum Beispiel mit lustlos Lernenden 14-Jährigen im Französischunterricht, die mit 22 ein erfolgreiches Auslandsjahr in Paris machen, wo ihnen ihre – wie auch immer geringen – Kenntnisse plötzlich nützen? Biographische Krise? Oder nicht doch die plötzliche Freude: Hey, ist doch super?

„Wenn überwiegend und langfristig negative Emotionen mit Lernen verbunden werden, ist es aus neurowissenschaftlicher Sicht nur noch schwer möglich, das Lernen wieder neu (beispielsweise mit positiven Emotionen verbunden) zu bewerten.“
Entscheidend sind hier wohl die Worte „überwiegend“ und „langfristig“. Was aber heißt es konkret? Man kann auch langfristig überwiegend negative Erfahrungen machen, weil man anfangs keine negativen Erfahrungen gemacht hat. Erst happy, dann abgehängt. Die Wirklichkeit ist eben schwierig.

„Schülerinnen und Schüler, die angaben, eine positive Beziehung zu ihren Lehrkräften zu haben oder diese generell als positive Motivatoren erleben, zeigten eher eine Aktivierung in der Amygdala, dem Mandelkern des Gehirns, wenn sie angstvolle oder ärgerliche Lehrergesichter sahen – was kognitive und physische Angstsymptome in Prüfungssituationen hervorruft.“
Soll das heißen: Schüler, die zu ihren Lehrern eine positive Beziehung haben, sind eher anfällig für Prüfungsangst als andere, wenn die Lehrer ärgerlich das Gesicht verziehen? Worauf bezieht sich „eher“?

Was soll man aus all dem schließen? Dass Lehrer versuchen sollten, zu ihren Schülern eine positive emotionale Beziehung zu haben? Das ist bekannt.

soafwolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  Storb

Ich weiß nicht recht. Das Spaßlernen haben wir ja nun seit rund 2 Jahrzehnten und die Ergebnisse sind mau. Deshalb meine Vermutung, Spaßlernen macht zwar mehr Spaß, ja, führt aber nur zu Mittelmaß, weil zu Bestleistungen auch Anstrengung gehört und das macht oft keinen Spaß.

Eine Kollegin z.B. lässt im Geschichtsunterricht die Pyramiden bauen. Das macht den Kindern Spaß, sagt sie, sie würden sich noch Jahre später daran erinnern. Ja, glaube ich gerne, aber was haben die dabei eigentlich gelernt? Pyramiden zu bauen?