Wow! Sachsen legt 1,7 Milliarden-Programm gegen den Lehrermangel auf – darunter: mehr Geld für Grundschullehrer

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DRESDEN. Der Freistaat Sachsen hält einen traurigen deutschen Rekord: Zuletzt lag die Zahl der Seitenensteiger bei der Neueinstellung von Lehrern bei mehr als 60 Prozent – eine so hohe Quote wie in keinem anderen Bundesland (auch wenn der Lehrermangel sich allerorten auswächst). Die Situation an den sächsischen Schulen ist dramatisch. Um mehr junge Lehrer zu gewinnen und alte länger zu halten, greift der Freistaat nun tief in die Tasche. Die GEW ist trotzdem nicht zufrieden.

Nimmt Geld in die Hand: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Foto: Pawel Sosnowski / Sächsische Staatskanzlei / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Die sächsische Staatsregierung unter Ministerprädident Michael Kretschmer (CDU) nimmt 1,7 Milliarden Euro in die Hand, um dem Personalmangel an den Schulen zu begegnen und den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Wesentlicher Posten der für die nächsten fünf Jahre berechneten Mehrausgaben ist dabei die ab kommendem Jahr geplante Verbeamtungsmöglichkeit für neue und bereits beschäftigte Lehrkräfte unter 42 Jahren. 200 bis 230 Millionen Euro müssen dafür in den Generationenfonds eingezahlt werden, aus dem im Freistaat die Beamtenpensionen beglichen werden.

Außerdem fallen Kosten für eine Höhergruppierung von Grundschullehrern sowie Zulagen und Ausgleiche für angestellte Lehrer an. Ältere Pädagogen sollen mit Bindungszulagen gehalten werden – nach Möglichkeit auch über die Pensionsgrenze hinaus.

Auch wird Pensionären, die nicht mehr vor einer Klasse stehen wollen, angeboten, gegen Honorar Referendare zu betreuen, Klassenarbeiten zu korrigieren oder andere schulische Aufgaben außerhalb des Klassenzimmers zu übernehmen. Darüber hinaus soll die Lehrerausbildung in Sachsen gestärkt werden.

„Viel mehr können sie nicht mehr tun“

Auf ein entsprechendes Maßnahmenpaket haben sich CDU und SPD nach monatelangem Streit verständigt. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sprach nach einer Sondersitzung des Kabinetts am Freitag von einem guten Kompromiss, der beiden Koalitionspartnern nicht leicht gefallen sei. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange betonte die Vielzahl der bereits ergriffenen oder geplanten Maßnahmen, um den Lehrermangel zu beheben. «Viel mehr können sie nicht mehr tun.»

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Piwarz verwies darauf, dass der Anteil der Seiteneinsteiger bei Lehrerneueinstellungen in Berlin mit 30 und in Sachsen mit zuletzt über 60 Prozent bundesweit am höchsten sei. In beiden Bundesländern wird bislang nicht verbeamtet. «Ich brauche die Verbeamtung, um wenigstens den Wettbewerbsnachtteil (…) auszugleichen.» Er gehe davon aus, dass sich bei den neuen Lehrern etwa 90 Prozent für eine Verbeamtung entscheiden werden; bei den etwa 6000 bis 7000 schon angestellten unter 42-Jährigen erwarte er einen Verbeamtungsquote von 60 Prozent.

Die Maßnahmen zielten darauf ab, «dass junge Leute sich für den Lehrerberuf in Sachsen entscheiden» und die Lehrer, die bereits im System seien, möglichst lange zu halten, sagte Piwarz. Außerdem solle den Pädagogen, die noch zu DDR-Zeiten den Beruf ergriffen hätten und seit 27 Jahren «unterschiedslos die gleiche Arbeit» leisteten, Wertschätzung entgegengebracht werden.

Mit den getroffenen Maßnahme sei auch sichergestellt, «dass wir bis 2030 weiterhin auf hohem Niveau Lehrer ausbilden können», sagte Stange. Im vergangenen Wintersemester seien an den fünf Hochschulen mit Lehrerausbildung 2400 neue Lehramtsstudenten immatrikuliert worden. «Bevor wir die Lehrer vor die Klasse stellen, müssen sie ausgebildet werden.» Das dauere in der Regel sechs bis sieben Jahr. Erfreut zeigte sich Stange, dass auch der Grundschullehrerausbildung in Chemnitz eine dauerhafte Perspektive gegeben worden sei.

Der Einigung ging ein monatelanges Hin und Her voraus. Die CDU-Fraktion hatte die Staatsregierung bereits im Dezember aufgefordert, bis Ende Januar ein Konzept gegen den Lehrermangel vorzulegen. Ein zwischen den CDU-geführten Ressorts Kultus und Finanzen abgestimmter Vorschlag war auf Widerstand beim Koalitionspartner SPD gestoßen. dpa

Reaktionen

Die Gerechtigkeit im Lehrerzimmer sieht die sächsische GEW-Vorsitzende Uschi Kruse durch das Maßnahmenpaket der Landesregierung gegen den Lehrermangel gefährdet. Das Handlungsprogramm eröffne lediglich einzelnen Lehrergruppen Wege zu einer höheren Bezahlung. «Die nicht mehr verbeamtungsfähigen Lehrkräfte können nicht den Eindruck haben, dass ihre Anstrengungen angemessen anerkannt werden.» Kruse sprach von einem «halbherzigen Kompromiss».

Auch der Sächsische Lehrerverband (slv) vermisst trotz Umsetzung vieler seiner Forderungen weiter eine «deutliche Minderung der Nettolücke» zu Beamten. «Das werden viele Lehrerinnen und Lehrer mit Recht kritisieren», konstatierte der Landesvorsitzen Jens Weichel.

Für Landesschülerratschef Noah Wehn ist die Verbeamtung «ein Vorhaben auf dem Rücken der jungen Generation». Die Koalition wälze die Kosten des Lehrermangels «auf die heutigen Schüler ab, die morgen die entstehenden Mehrausgaben bezahlen sollen». Außerdem sei die Maßnahme nicht mehr zeitgemäß ist. «Damit haben die Regierungsparteien der Jugend einen Bärendienst erwiesen», sagte Wehn.

Tepe fordert bessere Möglichkeiten für Quer- und Seiteneinsteiger

 

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Grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Sachsen tut das einzig Richtige, um bestehende Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Ohne die Verbeamtung würde wohl kaum ein ausgebildeter Lehrer aus Sachsen-Anhalt oder Thüringen nach Sachsen wechseln. Mit der Höhergruppierung der Gundschullehrer in E13 bzw. A13 wird der Druck auf die angrenzenden Bundesländer steigen, hier nachzuziehen.

Otto
6 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Richtig, Herr Grundschullehrer, das Maßnahmenpaket war längst überfällig. Nun haben wir es – meiner Meinung nach aber nicht in die Zukunft weisend, unabgestimmt, halbherzig und schon gar nicht das einzig Richtige. Die Verbeamtung der Lehrer ist ein Relikt aus alter Zeit. Sie wird einzig aus dem Grund eingeführt, weil es die anderen Bundesländer auch so machen. Da gäbe es doch viel wirksamere Möglichkeiten, um im „Wettbewerb“ mit den anderen Bundesländern nachzuziehen, wie eine angemessene Bezahlung der angestellten Lehrer, eine Rückführung der Pflichtstundenzahl auf das „normale“ Maß etc.. Wozu die Wiederbelebung des Beamtentums bei den Lehrern in Sachsen, dass über die Beamtenpensionen die Steuerbelastung der Leistungsträger (Mittelschicht) von heute und morgen übermäßig belastet. Hinzu kommt die Degradierung der angestellten Lehrer als Lehrer 2. Klasse. Sie müssten sich ein den Beamten vergleichbares Einkommen (von den wesentlich höheren Rentenansprüchen der Beamten einmal abgesehen) durch den Kampf um Leistungsprämien „erschleimen“. Es gibt nach wie vor für die Vergabe von Leistungsprämien keine hinreichenden Kriterien. Was soll das? Ich habe gedacht, nach Tillich und Co. kann es nicht mehr schlimmer werden. Man sollte Gäste – also Lehrer anderer Bundesländer – nur einladen, wenn man Ordnung im eigenen Haus geschaffen hat.

Monika
6 Jahre zuvor
Antwortet  Otto

Der Meinung von Otto kann ich mich voll anschließen. Die Leistungsprämien sind die allerschlimmste Idee überhaupt. Als Lehrer mit 36 Dienstjahren fühle ich mich einfach hintergangen, enttäuscht und meiner Freude an meinem Beruf beraubt. Schade. Das Klima in unserem Klassenzimmer hat sich seitdem sehr, sehr verändert.