Wenn Schüler ihre Lehrer schlagen – Befragung bricht mit Tabuthema

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ERFURT. Der Thüringer Lehrerverband klagt über zunehmende Gewalt- und Drogenprobleme an den Schulen. Sein Vorsitzender fordert Teams aus Spezialisten, um des Problems Herr zu werden. Das Thema scheint aber für viele Betroffene noch tabu zu sein.

Lehrer sehen sich immer öfter aggressiven Schülern gegenübern.                                                              Foto: Shutterstock

Ein Lehrer berichtet von Schlägen ins Gesicht, ein anderer von einem Schüler, der unter Drogen ausrastet: Nach Einschätzung des Lehrerverbands gehört Gewalt gegen Lehrer an Thüringens Schulen zum Alltag. «Beleidigungen, Angriffe und Bedrohungen stehen an den Schulen leider weiterhin an der Tagesordnung», sagte der Landesvorsitzende Rolf Busch. Dies sei auch das Ergebnis einer aktuellen Befragung unter Pädagogen, die der Verband im März gestartet hatte.

Mehr als die Hälfte der Befragten gab dabei an, in den vergangenen 18 Monaten mindestens einmal miterlebt zu haben, wie ein Kollege Opfer von Gewalt an der Schule wurde. Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ, die Online-Fragebögen wurden anonym ausgefüllt.

Der Verband sammelte auch konkrete Erfahrungen. So berichtet ein Lehrer, dass ihm ein Schüler ohne Vorwarnung ins Gesicht schlug, als der Pädagoge sich dessen Skizzen ansehen wollte. «Ein Schüler hat mir in mein Ohr gepfiffen, so dass ich ein Lärmtrauma mit Geräusch im Innenohr davongetragen habe», schildert ein anderer. Gleich mehrere Betroffene erzählen von Kindern mit Drogenproblemen oder von Schülern, die ausrasten und Tische oder Stühle durch das Klassenzimmer werfen.

Darüber reden und mehr Hilfe

Busch appellierte, vor Strafanzeigen nicht zurückzuschrecken – auch, wenn die Täter unter 14 Jahre alt und damit noch nicht strafmündig seien. «Viele Lehrer glauben, dass das nicht der richtige Weg ist. Oder sie empfinden es als eigenes Versagen, wenn es zu solchen Vorfällen kommt.» Wichtig sei deshalb auch, das Thema aus der Tabuzone zu holen.

Ähnlich äußerte sich Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke). «Nur wenn wir über diese Vorkommnisse reden, können auch unsere Unterstützungsangebote wirken. Der Schulpsychologische Dienst bietet vertraulich Hilfe an. Niemand sollte sich dafür schämen, Opfer eines Angriffs geworden zu sein.

Der Lehrerverband fordert unter anderem mehr Hilfsangebote und Präventionsmaßnahmen, etwa Fortbildungen für Lehrer. Außerdem seien multiprofessionelle Teams notwendig. Dazu könnten etwa Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Vertreter der Polizei gehören.

Die Landtagsfraktion der Linken hält Gewalt und Mobbing an Schulen nicht für ein «Massenphänomen», wie deren bildungspolitischer Sprecher, Torsten Wolf, mitteilte. «Trotzdem sind einzelne Vorfälle alarmierend.»

Gewalt an Schulen entgegenzutreten, hält die CDU-Fraktion für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. «Aus unserer Sicht ist vor allem die Verrohung der Sprache in unserer Gesellschaft ein zentraler Katalysator», erklärte der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner. Dadurch sinke die Hemmschwelle für verbale und körperliche Attacken. dpa

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2 Kommentare
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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Nach Einschätzung des Lehrerverbands gehört Gewalt gegen Lehrer an Thüringens Schulen zum Alltag. «Beleidigungen, Angriffe und Bedrohungen stehen an den Schulen leider weiterhin an der Tagesordnung», sagte der Landesvorsitzende Rolf Busch.“

Nach der Umfrage in MeVo nun also eine aus Thüringen mit den gleichen Ergebnissen. Da bin ich mal gespannt, wie ysnp, Palim und die missis. das nun wieder klein- und schönreden werden oder gar leugnen. Ist das alles erlogen? Ist das alles nicht wahr?

In Schulgesetzen und Verordnungen hat sich Kuschelpädagogik niedergeschlagen, die wirksame Prävention so stark erschwert, wenn nicht gar verhindert, dass wir uns nun mit den Folgen herumplagen müssen. Lehrer stehen diesen Problem daher oft hilfslos gegenüber und ohne Rückhalt bei ihren Vorgesetzten. Das ist das Problem!

Hier wäre es mal nötig, etwas für die Attraktivität des Lehrerberufs zu tun – als einfach nur ein bisschen mehr Geld auszuschütten!

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

ZITAT: „«Aus unserer Sicht ist vor allem die Verrohung der Sprache in unserer Gesellschaft ein zentraler Katalysator», erklärte der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner.“

Ich weiß nicht, ich stelle keine Verrohung unserer Gesellschaft fest. Ich stelle höchstens eine Sensibilisierung und sinkende „Toleranz“ gegenüber Gewaltakten in unserer Gesellschaft fest. Was wir da an Gewalt erleben – egal, ob von Kindern oder Erwachsenen – gab es immer schon; gab es früher sogar noch mehr (Gewalt gegen Ehefrauen, Gewalt gegenüber eigenen Kindern usw.).

Früher war das „normal“, heute ist das ein Skandal. Das ist der Unterschied!