Gericht bestätigt Kopftuch-Verbot – Entschädigungsklagen abgewiesen

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BERLIN. In Berlin ist das Kopftuch für Lehrerinnen, Richterinnen und Polizistinnen im Dienst tabu – per Gesetz. Doch nicht jeder will das so akzeptieren. Und so landet der Streit immer wieder vor Gericht.

Kopftücher bleiben in Berliner Ämtern weiterhin verboten.                                        Foto: rana ossama / flickr / CC BY-SA 2.0

Das Berliner Arbeitsgericht hat das Kopftuch-Verbot an allgemeinbildenden Schulen in der Hauptstadt klar bestätigt. «Das Gesetz ist verfassungskonform», sagte jetzt Richterin Julia Wollgast. Es stimme auch mit europäischen Recht überein. Das Gericht wies zwei Klagen von Lehrerinnen mit Kopftuch zurück, die eine Entschädigung vom Land erstreiten wollten. Sie sahen sich wegen ihrer Religion benachteiligt (Az.: 58 Ca 7193/17 und 58 Ca 8368/17).

Das Neutralitätsgesetz untersagt Polizisten, Justizmitarbeitern und Lehrern an allgemeinbildenden Schulen in Berlin, religiös geprägte Kleidungsstücke im Dienst zu tragen. Das Land sei berechtigt gewesen, eine Quereinsteigerin mit Kopftuch, die Informatik studiert hatte, nicht einzustellen und das Gesetz anzuwenden, hieß es im Urteil.

Die andere Klage scheiterte, weil die muslimische Lehrerin erst nach der zulässigen Zwei-Monats-Frist eine Entschädigung gefordert hatte. Die eingestellte Lehrkraft war bereits Anfang Mai am selben Gericht mit ihrer Klage auf Beschäftigung an einer Grundschule gescheitert. Hier ist noch die Berufung möglich. Beide Klägerinnen waren nicht ins Gericht gekommen.

Der Streit um das Kopftuch landete schon wiederholt vor Gericht. 2017 sprach das Landesarbeitsgericht einer abgelehnten Bewerberin mit Kopftuch eine Entschädigung von 8680 Euro zu. Laut Urteil gab es eine Benachteiligung in dem Einzelfall. Andere Fälle liegen derzeit beim Gericht nicht vor.

Das Gesetz macht viel Arbeit

Die Anwältin und liberale Moscheegründerin Seyran Ates, die die Bildungsverwaltung vertrat, rechnete aber mit weiterem Rechtsstreit. «Wir werden noch viel Arbeit mit dem Gesetz haben», sagte sie am Rande der Verhandlung. Sie hoffe, dass dieses dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden könne. «Damit wir Rechtssicherheit bekommen.» Dies wäre möglich, wenn ein Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hat.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus. Die Bundesländer haben verschiedene Regelungen.

Richterin Wollgast sagte zu dem Fall der Quereinsteigerin, es liege keine Diskriminierung vor. Der staatliche Erziehungsauftrag an Schulen müsse in staatlicher Neutralität erfüllt werden – gerade bei der Vielzahl von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Bevölkerung. Es müsse vermieden werden, dass die «konfessionelle Vielschichtigkeit» Konflikte an Schulen auslöse. Wollgast betonte auch, dass das Kopftuch-Verbot nicht an berufsbildenden Schulen mit älteren Schülern gelte.

Religion raus aus der Schule

Auch Anwältin Ates meinte in der Verhandlung, bei 190 Nationen in Berlin sei es richtig, alle Religionen aus der Schule herauszuhalten. Religiöse Symbole würden nicht zum Schulfrieden beitragen. «Es geht aber nicht darum, ein Zeichen gegen den Islam zu setzen.»

Die Anwältin der Klägerinnen wollte zunächst prüfen, ob gegen die Urteile vorgegangen wird. Sie monierte, das Neutralitätsgesetz treffe überwiegend muslimische Frauen. Die Berliner Regelungen seien einzigartig in Deutschland. In etlichen Bundesländern könne mit Kopftuch unterrichtet werden.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigte sich nach Angaben einer Sprecherin zufrieden: «Wir freuen uns, dass das Gericht unserer Rechtsauffassung gefolgt ist.»In der rot-rot-grünen Koalition gibt es keinen Konsens zu dem Gesetz. Neben Scheeres will auch Regierungschef Michael Müller (SPD) an dem Gesetz festhalten, während die Grünen es nicht rechtskonform finden. Die Linke ringt noch um eine Position.

Die oppositionelle FDP begrüßte die Urteile. Der bildungspolitische Sprecher Paul Fresdorf erklärte, um religiöse Manipulationen zu verhindern, müssten Lehrerinnen und Lehrer Vorbild sein und auf sichtbare Symbole ihres Glaubens verzichten. Die Lehrtätigkeit an einer staatlichen Schule sei keine Privatangelegenheit. dpa

Moscheegründerin Ates fordert Neuanfang für Islam-Institut in Berlin

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2 Kommentare
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Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor

Damit dürfte dieses Problem erst einmal entschieden sein.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Ein kleiner Nachtrag: Die Heinrich-Böll-Stiftung, eine der parteinahen Stiftungen, die vom Steuerzahler mit Millionenbeträgen jährlich finanziert werden, macht hier Reklame für das Kopftuch einer Referendarin (und später Lehrerin):
https://www.boell.de/de/2018/04/16/grundrechte-der-schule-der-vielfalt?dimension1=startseite
Selbstverständlich wird das Grundgesetz dafür in Anspruch genommen, die politische Dimension des Kopftuchs wird nicht hinterfragt, man schwärmt einfach für „kulturelle und religiöse Vielfalt“, Multikulti vom Feinsten, Eiapopeia. Grün ist bekanntlich auch die Farbe des Islam.
Immerhn wird die Kippa auch erwähnt, aber ein gefordertes „kritisches Denken bezogen auf demokratische Normen und deren staatliche und gesellschaftliche Umsetzung“ wird nicht in kritisches Denken bezogen auf religiöse Vorschriften und Traditionen umgemünzt. Es bleibt der schale Nachgeschmack: Diese Stiftung liebt Lehrerinnen mit Kopftuch, und die lieben Schülerinnen mit Kopftuch.