Jetzt doch: Klage abgewiesen – Lehrerin darf nicht mit Kopftuch unterrichten

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BERLIN. Eine muslimische Lehrerin zieht vor Gericht, weil sie mit Kopftuch vor Grundschülern stehen will. Ein Berliner Gesetz erlaubt das aber nicht. Das Urteil fällt anders aus, als es nach der mündlichen Verhandlung erwartet wurde – sie unterliegt. Berlins Bildungssenatorin Scheeres (SPD) lobt das Urteil. „Wenn ich eine Lehrkraft mit Kopftuch vor mir habe, ist das nicht neutral“, sagte sie gegenüber der „Welt“. Sie habe von Schulleitern gehört, dass es viele Debatten über dieses Thema gebe.

Es bleibt dabei: Lehrerinnen in Berlin dürfen kein Kopftuch (aber auch kein anderes religiöses Symbol) tragen. Foto: Shutterstock

In Berlin bleibt es vorerst beim Kopftuchverbot für Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen. Das Arbeitsgericht in der Hauptstadt wies am Mittwoch die Klage einer muslimischen Grundschullehrerin ab, die mit Kopftuch vor der Klasse stehen wollte. Mit dem Urteil bestätigte das Gericht überraschend klar das Berliner Neutralitätsgesetz. «Es ist gültig, es ist nicht verfassungswidrig, es ist anzuwenden», sagte Richter Arne Boyer. Die Klage sei unbegründet. Eine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist möglich.

Das Neutralitätsgesetz untersagt Berliner Polizisten, Lehrern an allgemeinbildenden Schulen und Justizmitarbeitern, religiös geprägte Kleidungsstücke im Dienst zu tragen.

Die junge Frau hatte vor der Einstellung bejaht, dass sie das Gesetz kenne. Sie war einen Tag an einer Grundschule und wurde wegen ihres Kopftuchs einem Oberstufenzentrum mit älteren Schülern zugewiesen, wo das Kopftuch erlaubt ist. Sie ist derzeit in Elternzeit.

Es ist nicht der erste Fall einer muslimischen Lehrerin, der in Berlin vor Gericht landete. 2017 hatte das Landesarbeitsgericht einer Frau mit Kopftuch eine Entschädigung von 8680 Euro zugesprochen. Sie hatte argumentiert, sie sei wegen des Kopftuchs abgelehnt worden. Das Gericht sah eine Benachteiligung, sprach jedoch von einem Einzelfall.

Zwei weitere Verfahren liegen beim Arbeitsgericht. Eines davon betrifft die Lehrerin aus dem aktuellen Rechtsstreit. Sie will vom Land in einem zweiten Verfahren entschädigt werden. Sie sei wegen ihrer Religion benachteiligt worden, hat sie laut Gericht geltend gemacht.

Die Klägerin kam nicht zur Urteilsverkündung. Ihre Anwältin sagte, über eine Berufung werde sie zunächst mit ihrer Mandantin beraten. Vertreter des Senats waren ebenfalls nicht im Gerichtssaal.

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Die Anwältin und liberale Moscheegründerin Seyran Ates, die die Bildungsverwaltung vertritt, sagte auf Anfrage: «Ich freue mich über die Entscheidung.» Es wäre die sauberste juristische Lösung, das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) hatten bekräftigt, an dem Gesetz festzuhalten. Der Grünen-Koalitionspartner findet es hingegen nicht rechtskonform. Die Linke ringt noch um eine Position.

Scheeres (SPD) begrüßte gegenüber der „Welt“ das Urteil. „Das Gericht hat unsere Rechtsauffassung geteilt. Die staatliche Neutralität ist gerade in einer weltoffenen Stadt wie Berlin wichtig“, sagte sie dem Bericht zufolge. Das Neutralitätsgesetz sorge dafür, dass Schülerinnen und Schüler in einem neutralen Raum lernen und auch bewertet werden können, so Scheeres. „Wenn eine Lehrerin mit Kopftuch unterrichtet, kann bei muslimischen Schülerinnen ohne Kopfbedeckung schon die Frage aufkommen: Bin ich eine gute Muslimin, bin ich eine schlechte Muslimin?“ Diese Form der religiösen Beeinflussung müsse verhindert werden. Scheeres laut „Welt“: „Elfjährige Mädchen suchen sich das Kopftuch nicht selber aus. Sondern sie tun das, weil ihre Familie darauf hinwirkt. Lehrkräfte müssen hier die Kinder unterstützen – und nicht die Eltern.“

Pauschales Kopftuchverbot gekippt

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus. In den Bundesländern wird das Thema unterschiedlich gehandhabt. In Bremen etwa dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen, in Nordrhein-Westfalen und Bayern wird das Tragen immer im Einzelfall geprüft.

In der mündlichen Verhandlung sah es noch nach einer Niederlage für den Berliner Senat aus. Nun betonte Richter Boyer, die Kammer halte das Neutralitätsgesetz für richtig. Jede religiöse Person dürfe in Berlin unterrichten, es aber nicht nach außen zeigen. Die Religionsfreiheit müsse hinter einer neutralen Ausgestaltung der Schulen zurückstehen.

Dem Land Berlin sei keine Wahl geblieben, als den Unterricht der Lehrerin mit Kopftuch zu verhindern, so der Richter. Sonst hätte Berlin gegen sein eigenes Gesetz verstoßen. Die Lehrerin müsse nach ihrem Arbeitsvertrag auch an einem Oberstufenzentrum unterrichten. Eine Benachteiligung wegen der Religion sah das Gericht nicht.

Für das Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes sagte Zeynep Cetin zu dem Urteil: «Wir sind sehr traurig.» Das Neutralitätsgesetz treffe praktisch nur Frauen mit Kopftuch. Sie sprach von einem Berufsverbot für eine Gruppe religiöser Menschen. dpa

Beamtinnen mit Kopftuch – wie liberal sind die einzelnen Bundesländer?

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sofawolf
5 Jahre zuvor

So ist es nun. Punkt.

Bis ein anderes Gericht anders entscheidet oder der Gesetzgeber die Gesetze entsprechend ändert, auf deren Grundlage Gerichte entscheiden.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Das ist alles schon fast lächerlich. Sie durfte ja mit Kopftuch unterrichten, nur nicht an ihrer Wunschschule, sondern woanders: in einer Willkommensklasse. Dürfen eigentlich Lehrer in der Türkei mit einem Kreuz um den Hals unterrichten? Christlichen Religionsunterricht gibt’s jedenfalls nicht, und selbst Aleviten dürfen keinen eigenen Religionsunterricht haben:
https://www.welt.de/politik/ausland/article132463766/Tuerkei-besteht-trotz-Urteil-auf-Religionspflicht.html

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Was Sie schreiben (zweiter Satz) klingt wirklich lächerlich.

Ansonsten: Müssen wir es genauso schlecht machen wie andere oder wollen wir es besser machen als andere (Ihr Türkei-Verweis)?

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

„Türkei-Verweis“
Sie vergessen, dass es praktisch dieselben Organisationen sind, die hüben und drüben tätig sind. Diyanet organisiert von Staats wegen religiöse Angelegenheiten in der Türkei (offenbar in ziemlich einseitiger Richtung, keine Rechte für Minderheiten), und ihr deutscher Ableger Ditib verlangt hier mehr Rechte für religiöse Minderheiten, also Mitwirkung beim Religionsunterricht, Kopftücher in Schulen etc.
Darf ich diese Unehrlichkeit dieser Funktionäre nicht mal benennen? Naivität ist da nicht angebracht. Das sind Leute, die hier in D agieren und ihre Befehle aus Ankara bekommen. Solche Organisationen bezahlen dann auch die Anwälte bei einem Rechtsstreit wie dem obigen, natürlich im Eigeninteresse. Es gab ja schon etliche Kopftuch-Klagen vor Gericht.

Maximillian
5 Jahre zuvor

Wenn man außer Acht läßt, dass der Islam als kollektivistische, nicht säkulare Weltanschauung immer Konformität im Rahmen seines Regelwerks anstrebt, geht man in der Diskussion regelmäßig fehl.
Bei den Klagen zum Kopftuch geht es um die Etablierung islamischer Normen, nicht um die persönlichen Glaubensinteressen einzelner Frauen. Daher werden diese Rechtsstreitigkeiten auch nicht von Einzelpersonen geführt, sondern es stehen immer demokratiefeindliche Organisationen wie DITIB oder VIKZ dahinter.
Das gesamte weltanschauliches System „Islam“ ist in seiner Grundhaltung totalitär, daher wird man sich auch nie mit einzelnen Urteilen, selbst wenn sie zum eigenen Vorteil gefällt wurden, zufrieden gegen.
Es ist unverständlich, dass selbst heute, mit dem beobachtbaren Niedergang der durch Atatürk installierten laizitischen, parlamentarischen Demokratie in der Türkeit, überwiegend noch immer so getan wird, als sei der Islam in eine offene Gesellschaft integrierbar.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Maximillian

Was Sie schreiben, ist mir auch schon aufgefallen. Das passt auch gut zu der Debatte über den in Kürze beginnenden Ramadan hier bei n4t. Leider scheint unser Begriff von der „offenen Gesellschaft“ dort zu enden, wo es altertümliche religiöse Vorschriften gibt. „Offene Gesellschaft“ heißt dann eben NICHT mehr, dass der einzelne das Recht hat, sich von solchen Vorschriften zu emanzipieren (das gilt besondes für den Ramadan in Schulen). Vielmehr werden dann solche Vorschriften in die Gesellschaft implementiert. Von der über 200 Jahre alten Aufklärung ist gar nicht mehr die Rede.
Dagegen sagt Wikipedia: „Die offene Gesellschaft ist ein in der Tradition des Liberalismus stehendes Gesellschaftsmodell Karl Poppers, das zum Ziel hat, „die kritischen Fähigkeiten des Menschen“ freizusetzen.“
Typisch ist ja auch, dass in Bezug auf die Türkei oft von einer „Islamisierung“ gesprochen wird, obwohl dort ohnehin ca. 99 % der Bevölkerung zum Islam gehören. Insofern hat auch eine Islamisierung Deutschlands nicht unbedingt etwas mit der puren Zahl von Moslems zu tun, sondern eher mit der allgemeinen Beachtung islamischer Regeln in der Öffentlichkeit (Schweinefleisch in Kantinen, Kopftuch, Fasten, Gebetszeiten usw.). Die „kritischen Fähigkeiten des Menschen“ verkümmern dann allmählich. Ich fürchte, wir haben es schon mit dem Beginn einer scheibchenweisen Islamisierung zu tun. Wir nehmen es hin, dass die bei uns übliche Individualität der Lebensweise durch einen „Kollektivismus“ (wie Sie oben schreiben) ersetzt wird, bei dem reaktionäre Religionsfunktionäre den Ton angeben. Im Christentum gab es das auch mal (vor der „offenen Gesellschaft“) , aber das scheint weitgehend überwunden zu sein.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

So sieht man das übrigens in Russland:
http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2013/07/480905/streit-um-religioese-kleidung-oberstes-gericht-bestaetigt-verbot-an-russischen-schulen/
Darin: „Das Gericht befand zudem, dass die Religionsfreiheit nicht an das Recht auf das Tragen religiöser Attribute gebunden sei.“

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

mit entsprechend bösem Willen liefert diese Begründung wieder Stoff für Russland- bzw. Putin-Bashing. Die Richter haben aber eine sehr plausible Begründung geliefert.