Gutachten: Rückkehr zu G9 in NRW kostet über eine halbe Milliarde Euro

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WUPPERTAL. In Nordrhein-Westfalen werden zum Schuljahr 2019/20 alle öffentlichen Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren, wenn sie sich nicht aktiv für eine Beibehaltung des derzeitigen achtjährigen Bildungsgangs (G8) aussprechen. Wuppertaler Wissenschaftler haben ermittelt, welche Kosten damit für das Land und die Schulträger entstehen.

Die Wissenschaftler einer Projektgruppe des Instituts für bildungsökonomische Forschung der Bergischen Universität Wuppertal rechnen mit notwendigen einmaligen Ausgaben von insgesamt über 518 Millionen Euro. Die Ergebnisse wurden dem Schulministerium in Form eines Gutachtens vorgelegt.

Die Abkehr vom Turbo-Abi bringt Kosten mit sich. Foto: Meditations / pixabay (CC0)
Die Abkehr vom Turbo-Abi bringt Kosten mit sich. Foto: Meditations / pixabay (CC0)

In das Gutachten flossen Daten für die insgesamt 500 öffentlichen G8- Gymnasien von 232 Schulträgern in NRW ein. „Wir unterscheiden einmalige Kosten für Bau und Ausstattung von Schulraum für eine zusätzliche Jahrgangsstufe und jährlich wiederkehrende Kosten“, berichtet Studienleiterin Kerstin Schneider.

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Da in Nordrhein-Westfalen einige Regionen wachsen, in anderen die Bevölkerungszahl aber rückläufig ist, entwickelte Schneider gemeinsam mit Anna Makles und dem emeritierten Duisburger Bildungsforscher Klaus Klemm einen regional differenzierten Ansatz zur Abschätzung der Kosten. „Wir ermitteln die Anzahl der zusätzlich benötigten Räume auf Ebene der Schulträger und prüfen, ob die Schulen erweitert werden können oder neue Gymnasien gebaut werden müssen“, so Makles.

Denn obwohl fast alle Gymnasien als G9-Gymnasien gebaut wurden, heiße das nicht, dass die Schulen noch die erforderlichen Kapazitäten für einen zusätzlichen Jahrgang haben. „Steigende Schülerzahlen in einigen Kommunen, Ganztagsangebote und die Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler müssen bei der Abschätzung der verfügbaren Kapazitäten natürlich berücksichtigt werden. Insgesamt fehlen an den öffentlichen Gymnasien 1.016 Unterrichtsräume“, so Schneider. „Wir rechnen mit Kosten in Höhe von etwa 518 Millionen Euro allein für den Bau und die Ausstattung des neuen Schulraums“.

Die Kosten für die benötigten zusätzlichen 2.300 Lehrer, waren nicht Bestandteil des Gutachtens. Schätzungen hierzu belaufen sich auf rund 115 Millionen Euro. Hinzu kämen aber auch noch die jährlich wiederkehrenden Kosten. „Nimmt man hier alle Kosten zusammen, so sind das für die Schulträger in NRW weitere jährlich wiederkehrende Kosten in Höhe von 31 Millionen Euro“, so Makles.

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Aus dem nordrhein-westfälischen Schulministerium hieß es angesichts der Präsentation des Gutachtens im Landtag, die Zahlen seien „solide berechnet“. Allerdings stellte Staatssekretär Mathias Richter gleichzeitig klar, dass es keinen Automatismus zwischen Gutachten und der noch zu entwickelnden Belastungsausgleichsregelung gebe.

Angesichts des Konnexitätsprinzips ist das Land zur Kostenübernahme verpflichtet und verstehe sich laut Richter als fairer Partner der Kommunen. Dennoch stehen harte Verhandlungen bevor. Vertreter von Städtetag, Landkreistag und des Städte- und Gemeindebund NRW betrachteten das Gutachten zwar als „grundsätzlich geeignete“ Gesprächsgrundlage, zweifelten aber zugleich die Schätzung zu den noch verfügbaren Schulräumen aus Vor-G8-Zeiten an. Die laut den Wissenschaftlern noch vorhandene Reserve von einem Viertel der benötigten Räume sei längst aufgebraucht. (zab, pm)

• Präsentation zum Gutachten auf den Seiten des NRW-Schulministeriums

Mit dem Schülerboom und G9 kommt jetzt die Raumnot an die Schulen zurück – sogar Samstagsunterricht ist im Gespräch

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4 Kommentare
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xxx
5 Jahre zuvor

Sind eigentlich die Anpassungen der schulinternen Lehrpläne in den Schätzungen enthalten? Die werde von den Lehrkräften ja „nebenbei“ noch erledigt. Ich vermute mal spontan nein, weil das die eigentlichen Kosten im Zweifel nochmal verdoppeln würde.

sofawolf
5 Jahre zuvor

Eine halbe Milliarde? Ach, das dürfte doch kein Problem sein bei den sprudelnden Steuereinnahmen derzeit.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Hatte man eigentlich analog gehört, wieviele Millionen Euro durch den Übergang von G9 zu G8 eingespart wurden? Entsprechende Mehrausgaben bzw. Einsparungen müsste es ja eigentlich auch bei der sich ändernden Wehrdienstzeit gegeben haben.

Pälzer
5 Jahre zuvor

Was kostet eigentlich der von bestimmten Parteien und Verbänden geforderte Umstieg auf Zwangs-Ganztagsschule für alle?