Stillstand beim „Digitalpakt“: Auf der KMK wird es zwischen Karliczek und den Kultusministern krachen – Schulen warten und warten…

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BERLIN. Krach steht ins Haus: Die Digitalisierung der Schulen in Deutschland gerät zum Debakel – entsprechend hoch dürfte es auf der morgen beginnenden 362. Kultusministerkonferenz (KMK) hergehen. Im Vorfeld warnte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) die Länder davor, ihre Bemühungen um eine angemessene technische Ausstattung der Schulen jetzt ruhen zu lassen. Die Mahnung hat einen ernsten Hintergrund: Offenbar herrscht tatsächlich vielerorts Stillstand, weil Länder auf die zugesagten fünf Milliarden Euro aus Berlin warten. Die aber werden wohl noch länger auf sich warten lassen. Und das bringt andererseits die Länder zunehmend in Rage.

Kommt am Freitag zur KMK - und wird sich dort einiges anhören müssen: Bundesbildungsministerin Karliczek. Foto: Bundesregierung / Guido Bergmann
Kommt am Freitag zur KMK – und wird sich dort einiges anhören müssen: Bundesbildungsministerin Karliczek. Foto: Bundesregierung / Guido Bergmann

Am Freitag wird Karliczek zur Runde der Kultusminister stoßen – und ihnen auch noch mal persönlich mitteilen, was sie ihnen vorab schon in einem Interview mit der „Welt“ wissen ließ. Die Länder sollten mit der  Digitalisierung der Schulen nicht warten, bis der Digitalpakt beschlossen sei. „Sie können schon jetzt Schulen mit Glasfaseranschluss versehen, denn dieses Geld steht beim Bund bereit. Auch sollten sie die Lehrer für die digitale Schule aus- und weiterbilden und die Wartung der Technik organisieren“, sagte die Bundesbildungsministerin.

Tatsächlich passiert derzeit wenig. „An vielen Schulen werden Digitalisierungsmaßnahmen gerade zurückgestellt, weil die Einrichtungen alle auf Geld vom Bund warten“, sagte Heinz-Peter Meidinger, der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, gegenüber der „Rheinischen Post“. Die Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung habe Stillstand zur Folge, statt eine Beschleunigung zu bringen, kritisierte Meidinger.

Dass es nicht voran geht, dafür ist allerdings vor allem der Bund verantwortlich – er setzt die Hürden für den „Digitalpakt“ immer höher. Bereits im Oktober 2016 (!) hatte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka den Ländern fünf Milliarden Euro zugesagt, wenn diese ein Konzept für den pädagogisch sinnvollen Einsatz entwickelten. Die Länder erledigten ihre Hausaufgeben und legten acht Monate später ihre Digitalstrategie vor. Vom Bund allerdings kam: nichts. Wanka tauchte ab. Die versprochen en fünf Milliarden Euro, so wurde später bekannt, waren gar nicht in den Bundeshaushalt eingestellt worden. Dort stehen sie bis heute nicht. Voraussetzung dafür, dass die Mittel fließen, ist deshalb, dass der Bund außerplanmäßig das Geld in einer Versteigerung von Mobilfunk-Lizenzen  erlöst. Davon war zu Beginn nie die Rede gewesen. Stillstand auf allen Ebenen: Die zuständige Runde der Staatssekretäre hat seit einem Jahr nicht mehr getagt, wie aktuell aus  einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervorgeht.

„Noch Kleinigkeiten ändern“

Und immer weitere Hürden werden für den „Digitalpakt“ aufgebaut. Karliczek: „Alle wollen, dass er 2019 startet. Dabei ist für mich die Reihenfolge klar: Erst wird als Voraussetzung für den Pakt das Grundgesetz geändert und dann wird die Bund-Länder-Vereinbarung unterschrieben, an der wir mit den Ländern noch Kleinigkeiten ändern werden.“ Welche Kleinigkeiten denn? „Es war ja einmal angedacht, dass der Bund 100 Prozent des Geldes zahlt. Ergebnis der Koalitionsverhandlungen war aber, dass es eine Finanzhilfe sein wird. Die Länder müssen also ihren Teil beisteuern“, antwortete Karliczek. Im Klartext: Der „Digitalpakt“, über den bereits Einigkeit bestand, muss komplett neu verhandelt werden. „Ich gehe da offen in die Gespräche. Für mich ist entscheidend, dass wir einen guten Kompromiss finden, der es allen Ländern erlaubt, zügig anzufangen. Vielleicht landen wir bei zehn oder 15 Prozent. Ich möchte noch einmal betonen: Die Länder bleiben für die Schulen zuständig, also auch für die dauerhafte Finanzierung der digitalen Ausstattung. Wir bringen die Schulen mit dem Pakt auf eine neue Ausstattungsstufe, geben den Ländern einen Anschub.“

Schon darüber eine Einigung zu erzielen, kostet Zeit – aber das ist erst der Anfang. Dann nämlich steht noch eine Grundgesetzänderung an, um Investitionen des Bundes in die Schulen darin zu verankern. „Weil ich möchte, dass das Geld seiner Bestimmung folgt. Und dafür brauchen wir Rechtssicherheit, die Grundgesetzänderung und die Bund-Länder-Vereinbarung. Sonst nämlich geht das Geld erst mal in die allgemeinen Haushalte. Da schaut dann keiner so genau hin, wofür es ausgegeben wird. Aber darauf werden wir uns nicht einlassen. Ich möchte kontrollierbare Transparenz schaffen, damit das Geld auch in der Schule ankommt. Wir haben da unsere Erfahrungen gemacht“, erklärte Karliczek. Allerdings: Union und SPD haben gar nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zusammen, um eine Grundgesetzänderung durchsetzen zu können. Dafür müssen die Grünen und die FDP mit ins Boot geholt werden, was wiederum kaum von heute auf morgen zu machen sein wird.

Kaum vorstellbar also, dass das Paket bis 2019 geschnürt sein wird.. „Ob Schulen noch in dieser Wahlperiode mit dem ersten Geld rechnen können, steht in den Sternen“, meint denn auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Margit Stumpp, gegenüber der „Rheinischen Post“.

Und auf Länderseite wächst die Wut über die Hinhaltetaktik des Bundes – quer durch die Parteien. Wenn die Bundesregierung jetzt erst noch das Grundgesetz ändern wolle, bedeute das „eine neue Zeitplanung“, so betont Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) laut einem Bericht des Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda, nämlich: „dass vor 2020 kein Geld kommt und sich der Digitalpakt letztlich um drei Jahre verzögert.“ Auch Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) macht aus ihrem Ärger keinen Hehl. „Die Lage ist deprimierend“, sagt sie dem Bericht zufolge. „Wenn das Verhalten des Bundes beim Digitalpakt kennzeichnend wird für sein geplantes größeres Engagement in der Bildungspolitik insgesamt, dann sage ich herzlichen Dank.“ Krach steht der KMK ins Haus. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Auf der Facebook-Seite von News4teachers wird das Thema bereits eifrig diskutiert:

 

Es droht ein Debakel wie beim BER: Bundesländer machen sich beim Aufbau von digitalen Schulplattformen lächerlich

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4 Kommentare
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Cavalieri
5 Jahre zuvor

Das Grundgesetz ändern für die Digitalisierung der Schulen, hhmm …

Nele Abels
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

@cavalieri – Das Grundgesetz muss geändert werden, da es bislang ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern erlässt. Momentan DARF die Bildungsministerin überhaupt nichts zahlen.

Dass die ganze Aktion wiedereinmal ein einziges Kasperletheater ist und die „Digitalisierungsoffensive“ wahrscheinlich erst am Sanktnimmerleinstag stattfinden wird oder ohnehin nur zu einer „Digetalisierungsfrontbereinigung“ wird, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.

g. h.
5 Jahre zuvor
Antwortet  Nele Abels

Hände weg vom Gundgesetz!!

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Nele Abels

Aber alles nur wegen der Digitalisierung?
Das Bundesministerium alleine hat 900 Mitarbeiter (so jedenfalls zu Zeiten von Frau Schavan), somit kosten alleine die Gehälter und Pensionen etwa 100 Milionen jährlich. Die 16 Länder haben Schul- bzw. Kultusministerien mit zusammen bestimmt 3000-4000 Mitarbeiter, dazu noch die Landesinstitute mit zusammen vielleicht nochmal 3000-4000 Mitarbeitern, die KMK als Institution mitsamt IQB kommt noch hinzu, die vielen Tests und Evaluationen auch (z.T. an externe Leute delegiert), Alles zusammen kostet schon mal eine knappe Milliarde jährlich. Aber für die Digitalisierung hat man angeblich kein Geld. Der Bund könnte die Länder auch anderweitig entlasten, etwa bei den Hochschulen oder über die Landessteuern.
Das Kooperationsverbot ist wohl unsinnig, aber manche Leute haben die Sorge, eines Tages könnte vielleicht — je nach momentanen Mehrheiten im Bundestag — Schulpolitik mit dem Geldhahn gemacht werden, was sicher nicht im Sinne der Väter des Grundgesetzes ist. Außerdem sparen die Länder ganz bewusst immer das ein, was sie vom Bund erwarten, das war schon bisher bei den Hochschulprogrammen so. Sicher wäre es am besten, wir hätten in Deutschland in jedem Bundesland dasselbe Schulsystem, dieselbe Lehrerbesoldung etc., aber nach Lage der Dinge ist das kaum machbar. Eine Abstimmung unter den Ländern kann nur ein Patt ergeben.
Das ganze scheint mehr Schaufensterpolitik zu sein. Dass die Digitalisierung einen verbesserten Unterricht bringen soll, das kann ich auch nicht glauben.