Das Verfahren von Köln stellt das frühere Förderschulsystem vor Gericht: Wie viele Kinder wurden fälschlicherweise ausgesondert?

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KÖLN. Wenn das aktuelle Urteil des Landgerichts Köln auch in der nächsten Instanz Bestand hat – und ein zweites Verfahren wird’s angesichts der Bedeutung zweifellos geben –, dürfte eine Klagewelle auf die Bundesländer zurollen. Nichts Geringeres als das frühere Förderschulsystem steht dann vor Gericht: Wurden Kinder wie Nenad M., dem fälschlicherweise eine geistige Behinderung attestiert wurde (News4teachers berichtete), systematisch auf Sonderschulen geschickt, um deren Betrieb auszulasten? Der Verdacht besteht, dass sich hier ein System selbst am Leben erhalten hat – und er ist seit dem heutigen Urteil auch begründet.

Ein Junge aus Mecklenburg-Vorpommern trägt ein deutlich größeres Risiko, auf der Förderschule zu landen, als ein Mädchen aus Niedersachsen. Foto: Shutterstock

„Die sonderpädagogischen Gutachten, die eine Lern- und Entwicklungsstörung ausweisen und als Grundlage für die Überweisung an eine Förderschule dienen, haben ja keine naturwissenschaftliche Evidenz“, sagt Eva-Maria Thoms, Vorsitzende des Vereins „Mittendrin“, gegenüber News4teachers. Fehler seien möglich – und Elternvereine hätten auch immer wieder mit Beschwerden betroffener Eltern zu tun.

In der Vergangenheit, vor Einführung der Inklusion in Nordrhein-Westfalen vor vier Jahren also, habe sich niemand für deren Recht auf eine freie Schulwahl interessiert. Entsprechend weitreichend seien die Folgen eines solchen Gutachtens, so Thoms – es präge Bildungskarrieren (und damit Lebenschancen) dauerhaft. Auch heute noch. Zwar besteht mittlerweile formal kein Förderschulzwang mehr. Doch Kinder, die einmal auf einer Sonderschule gelandet seien, bekämen dort lediglich einen reduzierten Lernstoff geboten. Nenad M. beispielsweise durfte kein Englisch lernen, obwohl er durchschnittlich intelligent ist. Thoms fragt: „Wie sollen solche Kinder und Jugendliche dann jemals den Sprung auf eine Regelschule schaffen?“

Die Elternvertreterin hat NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) aufgefordert, prüfen zu lassen, ob und wie viele weitere ähnliche Fälle an den Förderschulen im Land auszumachen sind – und zwar von unabhängigen, externen Gutachtern. Tatsächlich besteht der Verdacht, dass das Problem systemimmanent ist. „Die Sonderpädagogik ist auf die Existenz von separaten Sonderschulen ausgerichtet“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Lisa Pfahl von der Universität Innsbruck in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

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Die Professorin mit dem Schwerpunkt „Disability Studies“ betont: „Ich kritisiere die sonderpädagogische Diagnostik, weil sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt greift, weil sie einmalig stattfindet und regelmäßig zur Sonderschulüberweisung führt. Damit entscheidet sie über die gesamte Bildungskarriere und steht dem Prinzip der Entwicklungsoffenheit entgegen. Es ist zwar vorgesehen, dass Lehrkräfte an Sonderschulen die Kinder weiterhin beobachten und sie wieder an eine Regelschule zurückführen, wenn sich ihre Leistung bessert. Aber das passiert quasi nie. Für gewöhnlich verbleiben die Kinder an den Sonderschulen und anschließend in Sonderarbeitswelten.“

„In der Regel gehalten“

Ein weiteres Problem sei, so Pfahl, dass Kinder an Sonderschulen nicht auf allgemein qualifizierende Abschlüsse vorbereitet werden – wie sollten sie da jederzeit die Schule wechseln können? „Regelschullehrkräfte fühlen sich schnell überfordert, wenn sie diese Schüler aufnehmen. Noch dazu ist es ja so: Sonderschulen brauchen Schüler, damit sie nicht geschlossen werden. Jeder Schüler, der einmal da ist, wird in der Regel auch gehalten“, sagt die Expertin.

Ein Hinweis darauf, dass die Überweisungen auf Sonderschulen häufig mehr dem Bedarf des Systems als den Bedürfnissen der Kinder entspricht, sind auch die extrem unterschiedlichen Förderquoten in den Bundesländern, also die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit diagnostiziertem sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Spannweite reichte im Schuljahr  2013/14 von 5,3 Prozent in Niedersachsen bis hin zu 10,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Gibt es im Nordosten Deutschlands also tatsächlich doppelt so viele behinderte und verhaltensgestörte Kinder als in Niedersachsen? Wohl kaum. Dass bundesweit fast zwei Drittel der Förderschüler Jungen sind, lässt sich ebenfalls kaum mit geistigen Einschränkungen erklären. Auch Kinder nicht-deutscher Herkunft sind in Förderschulen deutlich überrepräsentiert.

Pfahl: „Mit einer natürlichen Verteilung von Intelligenz lässt sich das nicht erklären, eher mit institutioneller Diskriminierung. Die Muttersprache spielt eine Rolle; vor allem aber die soziale Situation, in der die Kinder aufwachsen: Kinder aus ökonomisch benachteiligten Familien sind das Hauptklientel von Sonderschulen, weil die Eltern sich nicht gegen die Schulüberweisungen zur Wehr setzen können oder inklusive beziehungsweise integrative Schulplätze fehlen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Scheitert die Inklusion? Ein Lehrer (und betroffener Vater) ruft Kollegen und Politik auf: Krempeln wir die Ärmel hoch!

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xxx
5 Jahre zuvor

Wenn ich raten müsste, würde ich die Frage mit „wenige Einzelfälle“ beantworten. Bei körperlich behinderten Schülern könnten noch einige dabei sein. Bei der Radikalinklusion der ESE(L)-Kinder befürchte ich jedes Jahr ein Vielfaches der Gesamtzahl dieser Einzelfälle.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Soll das lustig sein, Kinder mit „emotional-sozialen Entwicklungsstörungen“ (ESE) als Esel zu bezeichnen?

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Nein. Erstens steht das „L“ für die Lernbehinderten, zweitens trennen die Klammern die beiden Aspekte voneinander, drittens treten ESE und L häufig gemeinsam auf und viertens habe ich diese Kombination in einem Kommentar von dickebank das erste Mal gelesen.

Von Palim habe ich mal gelesen, dass die Abkürzung „I-Kinder“ für Inklusionskinder eher subobtimal ist, weil das „I“ gerne langgezogen ausgesprochen wird. Das geht in dieselbe Richtung.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das habe ich sicher nicht geschrieben, hier ist das geläufig. Sei’s drum, man kann gerne schon wieder einen anderen Begriff finden, der in 2 Jahren stigmatisierend empfunden wird.

Nicht richtig ist, dass ESE und L häufig zusammen auftritt. Es gibt sicher Schnittmengen, wer blind ist, kann auch taub sein, aber die meisten L-Kinder sind friedlich und lernwillig. Bei ESE-Kindern sehe ich andere Verhaltensweisen und kenne ganz andere Hintergründe, bei denen einem gerne mal übel wird.

Palim
5 Jahre zuvor

Die Frage ist: „Wie viele Kinder wurden fälschlicherweise ausgesondert?“

Dazu gehören viele Gesichtspunkte:
Wann kann/konnte das Verfahren eröffnet werden?
Auf welcher Grundlage wird/wurde entschieden?
Wer trifft die Entscheidung? Wie sieht es mit Widerspruchsmöglichkeiten aus?
Ist es, wie oben genannt und in diesem Fall geschehen, eine einmalige Entscheidung oder gibt es weitere Überprüfungen der Einschätzung, wie derzeit in Nds.: Hier werden Ende 4 und soweit ich weiß Ende 8 verpflichtend erneut Verfahren durchgeführt, in jeder Zeugniskonferenz ist dies anzusprechen und abzustimmen und Eltern können stets einen Antrag auf Aufhebung stellen, der dann zu einer Überprüfung führt.
Welche Schulabschlüsse können/konnten die Förderschüler auf welchen Wegen erreichen?

Dazu gehört aber eben auch eine Entscheidung dazu, welches der bessere Förderort sei … und bei vorherrschen eines Unterstütungsbedarfs GE wurde sicher zu der Zeit die FöS GE vorgeschlagen und vom Amt als Ort festgesetzt. Dies ist durch den freien Elternwillen aufgehoben, dennoch erhalten die Kinder aber den Unterstützungsbedarf und die zieldifferente Beschulung,die zu anderen Anforderungen führt.
Dass Kinder, die zwar Unterstützungsbedarf haben, aber sehr lernwillig und motiviert und fleißig sind … und möglichst auch noch gute Unterstützung erhalten … im inklusiven Unterricht der Regelschule trotz zieldifferenter Beschulung viele Inhalte der anderen erleben und einiges davon durchaus verstehen und lernen, kann diesen SuS erleichtern, den Anschluss zu erlangen.
Eine Rückführung von der FöS in die Regelschule ist möglich, braucht aber Begleitung … und auch da landen wir wieder beim Sparzwang.

xxx
5 Jahre zuvor

„Dass bundesweit fast zwei Drittel der Förderschüler Jungen sind, lässt sich ebenfalls kaum mit geistigen Einschränkungen erklären. Auch Kinder nicht-deutscher Herkunft sind in Förderschulen deutlich überrepräsentiert.“

Eine mögliche Erklärung des ersten Satzes ist die unterschiedliche Verteilung der Intelligenzquotienten bei Jungen und Mädchen. Der Durchschnittswert ist bei Jungen und Mädchen zwar gleich, die Streuung ist bei Jungen aber größer als bei Mädchen. Beispielsweise sollen Jungen bei IQ`en ab 130 deutlich überrepräsentiert sein, während Mädchen mit der geringeren Streuung den Bereich zwischen 80 und 120 dominieren. Folglich sind auch die Jungen im unteren Bereich überrepräsentiert.

(Wir haben den Link beseitigt, weil wir nicht auf Lügenseiten verlinken – auch nicht vom Lehrerforum aus, die Redaktion)

Für den zweiten Satz muss man sich mal die weltweite IQ-Verteilung anschauen. Im Vorderasiatischen und nordafrikanischen Raum ist der mittlere IQ im Bereich von 80-90 anzusiedeln, in China und Japan bei etwa 105.

Quelle: (Wir haben den Link beseitigt, weil wir nicht auf Lügenseiten verlinken – auch nicht vom Lehrerforum aus, die Redaktion)

Die Validität der Daten kann ich nicht beurteilen. Meine Erfahrungen (Schulabschlüsse Jungs / Mädchen, Deutsche / Migranten) und die Nationalität der Nobelpreisträger (deutliche Überrepräsentation der „westlichen“ Staaten) bestätigen diese Daten zumindest.

Der politisch korrekte Mainstream verbietet allerdings solche Betrachtungen.

achalmer
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„Im Vorderasiatischen und nordafrikanischen Raum ist der mittlere IQ im Bereich von 80-90 anzusiedeln, in China und Japan bei etwa 105.“
Die „Studie“, auf der dieses Länder-IQ-Ranking basiert, stammt von Richard Lynn. Der ist ein ausgewiesener Rassist mit sehr viel Sympathie für Eugenik, sagt Wikipedia. Kollegen werfen ihm massive Mängel und Fehler vor. Die Seite, auf der die „Daten“ zu finden sind, hat kein aussagekräftiges Impressum und wird von Trustpilot durch 37 Usern durchweg als „ungenügend“ bewertet, weil sie offenbar die Leute mit ihrem angeblichen Intelligenztest abzockt.
Das tolle am Internet ist ja, dass man das alles ruckzuck recherchieren kann, wenn man mal die Validität von Daten nicht beurteilen kann (anstatt sie zu zitieren).
Ach ja, und dann noch die Nobelpreisträger als Indiz für die IQ-Verteilung: 784 Männer, 43 Frauen bis 2011 (Wikipedia ist hier nicht ganz aktuell), was wahrscheinlich daran liegt, dass Männer fast 20 mal so intelligent sind wie Frauen… Mannomann. Der politisch korrekte Mainstream verbietet übrigens keineswegs solche Betrachtungen. Er verweist nur darauf, dass sie Bullshit sind.

emil
5 Jahre zuvor
Antwortet  achalmer

Danke für diesen aussagekräftigen Kommentar!

omg
5 Jahre zuvor
Antwortet  achalmer

„dass Männer fast 20 mal so intelligent sind wie Frauen… „. Hammer, aber ich habe es immer schon geahnt …. 🙂

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  omg

Tss! 🙂

Bernd
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Der politisch korrekte Mainstream verbietet solche Betrachtungen?

Keineswegs – der „politisch korrekte Mainstream“ zeigt nur auf, woher solche Betrachtungen kommen, xxx: direkt aus dem Nationalsozialismus.

Um hier nur mal Wikipedia zu zitieren:

„Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale – die eine gemeinsame Abstammung vermuten lassen – als sogenannte „Rasse“ kategorisiert und beurteilt werden. Die zur Abgrenzung herangezogenen Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße oder Sprache – aber auch kulturelle Merkmale wie Kleidung oder Bräuche – werden in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften gedeutet und nach Wertigkeit eingeteilt. Dabei betrachten Rassisten alle Menschen, die ihren eigenen Merkmalen möglichst ähnlich sind, grundsätzlich als höherwertig, während alle anderen (oftmals abgestuft) als geringerwertig diskriminiert werden. Mit solchen Rassentheorien, die angeblich wissenschaftlich untermauert sind, wurden und werden diverse Handlungen gerechtfertigt, die den heute angewandten allgemeinen Menschenrechten widersprechen.

(…)

Rassismus war ein Teil der Ideologie des Nationalsozialismus. Nach der sogenannten „Rassenkunde“ postulierte die NS-Forschung die Existenz höherwertiger und minderwertiger Menschenrassen. Danach ließe sich die gesamte Menschheit in drei Rassengruppen einteilen:
kulturstiftende Rassen (die nordisch-arische Rasse), die sogenannte Herrenrasse
kulturtragende Rassen (beispielsweise asiatische und afrikanische Rassen)
kulturzersetzende Rassen (semitische Rasse).“

Auch Araber, auf die sich Ihr Hass ja besonders zu fokussieren scheint, sprechen übrigens eine semitische Sprache, sind also „Semiten“.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ich bedanke mich für die Kommentare. Leider haben Sie alle keine Daten angegeben, nach denen die Menschen doch alle gleich sind oder wenigstens die Araber signifikant intelligenter als Westeuropäer sind. Beides würde ihrem Weltbild entsprechen. Das wird aber auch schwierig, weil es kaum möglich ist, diese ohne Rassismusvorwürfe von Menschen wie Ihnen zu erheben.

Ihr Hassling Hitler war übrigens gegen Intelligenztests, weil die Juden die immer gewinnen würden.

Bernd
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Hitler ist nicht „mein Hassling“ – was ist das jetzt? Eine Verhöhnung der Opfer von Holocaust und Weltkrieg?

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Auf was für einen pseudowissenschaftlichen Quatsch Sie hier verweisen, xxx, ist abenteuerlich.

Auf das, was meine Vorredner hier geschrieben haben, muss ich nicht eingehen.

Sie behaupten aber zudem eine „unterschiedliche Verteilung der Intelligenzquotienten bei Jungen und Mädchen“ – und verlinken dafür auf eine antifeministische Blog-Seite, in der mal eben „Wissenschaftlich“ die These aufgestellt wird (natürlich ohne jegliche Quellenhinweise), dass Männer potenziell intelligenter sein können als Frauen.

Geht’s noch? Sie wollen Lehrer sein? Himmel hilf!

sofawolf
5 Jahre zuvor

Was ist mit Kindern, die fälschlicherweise ans Gymnasium geschickt wurden oder fälschlicherweise nicht ans Gymnasium kamen? Drohen weitere Klagewellen und dann Entschädigungszahlen (Gott sei Dank haben wir ja die sprudelnden Steuereinnahmen, nicht wahr?!).

Wurden vielleicht systematisch Kinder an Hauptschulen geschickt, um deren Erhalt zu sichern?
Werden vielleicht jetzt systematisch Kinder an Gymnasien geschickt, um deren Erhalt zu sichern?

Ich habe den Verdacht, hier soll noch einmal auf einem anderen Wege das Förderschulsystem ausgehebelt werden. 🙁

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Ihr Kommentar zeigt, Sofawolf, dass Sie das Problem nicht verstehen (wollen?).

Eine falsche Schulformempfehlung ist korrigierbar. Auch Kinder, deren Potenzial unterschätzt wird und die deshalb nicht aufs Gymnasium dürfen (dort, wo die Vorgabe noch verbindlich ist), haben andere Wege, etwa das berufliche Gymnasium, um zum Abitur zu kommen.

Ein Sonderschüler hat aber de facto weder eine Chance auf einen Schulwechsel noch auf einen regulären Schulabschluss – und damit auch keine auf eine Berufsausbildung. So werden Sozialfälle produziert.

Allerdings haben Sie in einem Punkt Recht: Ja, es werden manche Kinder nur deshalb auf Gymnasien gelassen, um deren Erhalt (genauer: die Lehrerstellen dort) zu sichern. Was glauben Sie denn, was bei den Info-Veranstaltungen für die Eltern von Grundschülern alles versprochen wird?

Das ist auch eine (absurde) Konsequenz des gegliederten Schulsystems.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Meines Wissens kann man an den Förderschulen auch einen normalen Schulabschluss schaffen. Vielleicht liest er sich anders, ähnlich wie das Abitur an einer Gesamtschule im Vergleich zum Gymnasium, aber es ist der normale Abschluss.

Natürlich legen nur vergleichsweise wenige Schüler an den Förderschulen sogar auch nur einen Hauptschulabschluss ab, was aber in erster Linie an den spezifischen Graden der Behinderung liegt, die auch bei bester Förderung keinen Schulabschluss ermöglichen können. Es gibt Menschen, die mit viel Förderung das Grundschulniveau und eigenständiges Leben erlernen können, mehr aber nicht.

Maren
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Zitat Anna: „Ihr Kommentar zeigt, Sofawolf, dass Sie das Problem nicht verstehen (wollen?).“
Müssen solche unnötigen und herablassenden Sätze sein?
Kein Kommentar gewinnt dadurch mehr Qualität und Glaubwürdigkeit. Im Gegenteil!

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Natürlich habe ich zugespitzt. Verstanden haben hingegen Sie mal wieder nichts (wollen). Kleine Retourkutsche. 🙂 Ich kann genauso nett sein wie Sie – oder auch nicht.

Die Behauptung der Beschwerdeführer, dass Kindern absichtlich eine geistige Behinderung attestiert wurde und wird, nur um Sonderschulen ausreichend mit Kindern zu versorgen, ist schon harter Toback. Das muss erst einmal bewiesen werden. Wenn es stimmt, wäre es schon ein Verbrechen. Wenn man also wusste, das Kind hat keine geistige Behinderung und man attestierte ihm dennoch eine aus dem genannten Grund.

Dass womöglich fälschlicherweise, aber eher irrtümlicherweise etwas attestiert wird, kann ich glauben. Das passiert wohl jedem Arzt auch mal im Laufe seines Berufslebens. Was ich hingegen erlebe, ist eine Flut von Nachteilsausgleichen infolge aller möglichen tatsächlichen oder angeblichen Defizite und oft genug haben wir Lehrer einen ganz anderen Blick auf das Kind und sehen Versäumnisse zu Hause, in der Motivation oder auch in den vorhergehenden Schuljahren (was ich jetzt nicht weiter spezifizieren will).

Habe ich eigentlich – ich spitze wieder mal zu – auch Anspruch auf „Schadensersatz“, wenn ich jemanden gesondert behandeln muss und es ihm fälschlicherweise zugestanden wurde? Das geht doch auf meine Kosten, zu meinen Lasten, auf meine (in der Summe) Gesundheit?!?

(Warum erscheinen Kommentare jetzt immer verspätet oder gar nicht?)

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Auch das ist nicht richtig. Es geht nicht um den Vorwurf, dass bewusst falsche Gutachten erstellt wurden – die Vorwürfe lauten, dass die Verfahren bis heute zu oberflächlich und willkürlich sind, dass die eigentlich vorgeschriebene regelmäßige Überprüfung praktisch nicht stattfindet und dass merkwürdigerweise immer genau so vielen Kindern eine „Lernbehinderung“ oder „Erziehungsstörung“ attestiert wird, wie Plätze im System vorhanden sind.

Heißt: In der großen Grauzone der Grenzfälle gab es die Neigung, allzu flott Kinder ins Förderschulsystem zu verfrachten (umso flotter, je größer der Bedarf an den örtlichen Sonderschulen war) – durchaus in der Überzeugung, den Betroffenen etwas Gutes zu tun.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Heißt auch: In der großen Grauzone der Grenzfälle gab es die Neigung, allzu flott Kinder ins Regelschulsystem zu verfrachten (umso flotter, je geringer der Bedarf an den örtlichen Sonderschulen) – durchaus in der Überzeugung, den Betroffenen etwas Gutes zu tun.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise wurde schon jeder 10. Schüler auf eine Sonderschulen geschickt. Wie viele hätten Sie denn noch gerne ausgesondert?

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

„Es geht nicht um den Vorwurf, dass bewusst falsche Gutachten erstellt wurden – die Vorwürfe lauten, dass die Verfahren bis heute zu oberflächlich und willkürlich sind, dass die eigentlich vorgeschriebene regelmäßige Überprüfung praktisch nicht stattfindet“

Ich finde die Verfahren zurzeit extrem aufwändig und wenig willkürlich, auch wenn ich auch schon anderes erlebt habe.
Gefordert wird zum Teil, dass nicht die Lehrkräfte der FöS die Überprüfung vollziehen, sonderen eine Art „externe“ Förderschullehrkräfte, die allein für die Verfahren zuständig wären.
Hier sind es nun die Klassenlehrkräfte, die ja die Kinder gut kennen und den Lernprozess darlegen können, und eine Förderschullehrkraft, die aber nicht unbedingt an der eigenen Grundschule arbeitet und die persönlich keinen Vorteil von der Entscheidung hat.

Wenn ich anders herum sehe, wie häufig und wie leicht zwar nicht die Erlasse, aber alle nachfolgenden Vorgaben verändert werden, und wie schnell darüber durchaus Einfluss auf die Überprüfung, die Häufigkeit und die Gewährung des Bedarfs genommen werden kann, ist auch die Lösung der Externen keine, die frei von Willkür wäre.
Gleiches sieht man im übrigen auch bei der Beantragung von Integrationshilfen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Anna, bitte weisen Sie das mal nach. Laut
http://service.mvnet.de/_php/download.php?datei_id=1594055
sind es im langjährigen Mittel eher 5% als 10%. In den 200x-er Jahren näherte sich die Quote mal den 10%, ohne sie jemals zu erreichen, seit 2010 geht der Anteil insbesondere wegen der Inklusion wieder deutlich zurück.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Das mit den Nachteilsausgleichen insbesondere wegen LRS kann ich bestätigen. Die meisten dieser Schüler haben kein sinnvolles zusätzliches Rechtschreibtraining und ruhen sich auf ihrer (angeblichen) Schwäche aus. Die kämen nie auf die Idee, das Land wegen einer fälschlicherweise attestierten Rechtschreibschwäche zu verklagen.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In den BL ist auch der Nachteilsausgleich verschieden geregelt, hier legt ihn die SCHULE fest.
Dass die SuS kein sinnvolles zusätzliches Rechtschreibtraining erhalten, mag ich wohl glauben. Woher sollte es denn kommen?

Während Sie der Meinung sind, die SuS würden sich zurücklehnen, sehe und höre ich Eltern, die sich für ihr Kind um alles Mögliche kümmern würden, denen aber Hilfen versagt bleiben: keine Arzttermine, keine Rezepte, keine Therapien, keine Lerntherapeuten,
bleibt Nachhilfe, was nur selten „qualifiziertes Training“ sein dürfte.

Gleiches gilt auch für andere Schwierigkeiten oder Beeinträchtigungen: Es hilft nicht, einen „Status“ zu schaffen, die Betroffenen damit dann aber allein zu lassen.

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Ein Sonderschüler kann bei entsprechenden Leistungen wieder auf eine Regelschule wechseln, das ist keine Einbahnstraße.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Sorry, das ist Wunschdenken. Praktisch kein Kind schafft den Sprung zurück ins Regelsystem.

Es gibt auch keine entsprechenden Anreize für die Sonderschulen – was hat sie davon, wenn sie ihre besten Schüler weglobt? Dann hat sie überhaupt keine Kinder mehr, an denen sich andere orientieren können.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

„Sorry, das ist Wunschdenken. Praktisch kein Kind schafft den Sprung zurück ins Regelsystem.“

Was ist denn dann besser daran, wenn Kinder mit einer Behinderung per Gesetz in eine Regelschule gesteckt wird und dort ohne Aussicht auf einen Regelabschluss bis zum Ende der Verweildauer verbleiben oder sogar abgeschult werden? Im Endeffekt läuft es auf dasselbe hinaus, weil ich mir kaum vorstellen kann, dass diese Kinder in das soziale Gefüge einer Klasse integriert werden können. Sie müssen bedenken, dass Lehrerbemühungen zur Integration gerade bei zieldifferentem Unterricht und pubertierenden Jugendlichen sehr begrenzt sind. In Grundkursen der Gesamtschulen ist zielgleicher Unterricht eventuell noch möglich, jedoch machen es die sozialen Verhältnisse für alle Beteiligten nicht einfacher.

Ihrem zweiten Absatz widerspreche ich mal zumindest für Förderschulen, die ihre Aufgabe ernst nehmen. Gymnasien, die ihre Aufgabe ernst nehmen und die Klassen nicht künstlich voll halten wollen oder müssen, schulen ja auch ab. Bei Privatschulen ohne öffentliche Finanzierung ist das eventuell anders, weil die für das erforderliche Schulgeld wirklich jeden nehmen müssen.

achalmer
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„Im Endeffekt läuft es auf dasselbe hinaus, weil ich mir kaum vorstellen kann, dass diese Kinder in das soziale Gefüge einer Klasse integriert werden können.“
Wenn man genug Ressourcen hat, ein gutes pädagogisches Konzept und engagierte Lehrkräfte, dann geht es (jedenfalls für viele). Das ist wissenschaftlich belegt, und andere Länder machen es vor. Maßgeblich ist dafür übrigens das Lehrerfeedback (vgl. Huber, C.G., Schwab, S. (2015) in: Psychologie in Erziehung und Unterricht).
Nicht relevant ist bei diesem Thema dagegen, was Sie sich so vorstellen können. Wenn Sie wieder ernsthaft mitdiskutieren wollen, dann müssten Sie erstmal Ihre Haltung zu rassistischen Theorien korrigieren.
Und bevor Sie jetzt „Verbot“ und „Diskriminierung“ schreien: Die Gedanken sind frei! Aber ich habe keine Lust, das Thema Inklusion mit jemandem zu diskutieren, der deutlich zu rassistischen Gedanken neigt.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Es gab ab und an Kinder, bei denen eine Rückführung versucht wurde, MIT Begleitung durch FöS-Lehrkräfte … auch da kommt es auf die Bedingungen an!
Es gab auch Förderschulen, die gar keinen Schulabschluss anboten, sodass die SuS mit einem FöS-Abgangszeugnis unterkommen mussten.

@xxx
Dass Sie immer noch nicht verstanden haben, dass eine zieldifferente Beschulung nicht zum Abschulen führt, ist traurig.

Auch finde ich die Meinung erschreckend, dass man Mobbing oder Hänseleien damit begegnet, dass man die Opfer entfernen will, um sie zu schützen. Wenn Lehrerbemühungen zur Integration darauf begrenzt bleiben, kann das Miteinander nicht gelingen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Ich schreie im Gegensatz zu Bernd nicht von mir selbst aus. Ich sehe diverse Dinge, die meiner Meinung nach aus falscher Rücksichtnahme nicht weiter untersucht, klein geredet, verharmlost oder gar ignoriert werden.

Zum Thema: Danke für die Quelle, die ich leider nicht öffnen konnte. Die Ressourcen sind in der Tat das Hauptproblem, die es in Deutschland nicht ansatzweise ausreichend gibt. Daher sind alle weiteren Ansätze Luftschlösser, die mit Leuchtturmprojekten und Hochglanzprospekten belegt werden.

Als Verfechter eines harten Leistungsprinzip soll jeder Schüler die Schulform besuchen, die er/sie kognitiv bewältigen (und aushalten) kann. Eine Behinderung interessiert mich dabei überhaupt nicht, weil technische Hilfsmittel angeschafft oder eingebaut werden können. Das klingt empathielos, sollte in diesem Zusammenhang aber von den Inklusionsbefürwortern auch mal erwogen werden.

OlleSchachtel
5 Jahre zuvor

Ich kann mich schon an Zeiten in meiner Ausbildung erinnern, in der hinter vorgehaltener Hand gesagt wurde, dass man darauf achten soll, dass die Hauptschulklassen nicht zu klein werden und das angeblich so durchlässige Schulsystem plötzlich zur Einbahnstraße wurde. Weshalb sollen solche Fälle nicht auch in den Förder- und Sonderschulen stattgefunden haben. Ich finde es rechtens, dies auf den Prüfstand zu stellen, da man schon damals mit einem Abschlusszeugnis einer Sonderschule in der Industrie wenig Chancen auf einen Ausbildungsplatz hatte. Heute ist es ungleich schlimmer, da haben auch Werkrealschüler immer weniger Chancen und dass obwohl die Industrie händeringend Nachwuchs sucht. Ich finde es etwas anrüchig zu behaupten, dass ich als Lehrer für den Differenzierungsaufwand bei Fehldiagnose (@Sofawolf) entschädigt werden soll. Gerade der Verfechter der Aussage: was wollt ihr denn mit mehr Geld…“ trifft eine solche Aussage…
(Auch wenn es überspitzt dargestellt werden soll)…
Begangenes Unrecht wird geprüft und dass ist absolut legitim.
Ich halte es für naiv, an die Unfehlbarkeit des Schulsystems und der angeschlossenen Gutachter zu glauben.
Ein Abitur kann man in Deutschland auf viele Arten nachholen. Aber wenn einem über Jahre hinweg als Kind eingeredet wirde, dass ich nicht zu mehr fähig bin, weiß ich nicht, ob man dann noch in der Lage ist den Mut zum weiterlernen Aufzubringen (auch wenn man eventuell die Möglichkeit hat). Nicht jeder kommt aus einem beschützten und finanziell abgesicherten Akademikerhaushalt. In manchen Dörfern/Kleinstädten waren dann auch ganze Generationen einer Familie mit dem Stempel Förderschule versehen.
Ich halte eine Offenlegung für notwendig und verstehe die Philologen nicht, die eine solche Angst haben vor der „Unterwanderung“ ihres Schulsystems.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

@ Liebe olle Schachtel,

Zitat: „Ich halte es für naiv, an die Unfehlbarkeit des Schulsystems und der angeschlossenen Gutachter zu glauben.“

Das ist eigentlich das, worauf hinaus will. Man soll mal die Kirche im Dorf lassen. Nur da, wo bewusst und absichtlich falsch diagnositiziert wurde, muss es Konsequenzen geben. Aber Anna schrieb ja schon, darum gehe es gar nicht, dass absichtlich falsch diagnostiziert wurde.

Insofern bleibt bei mir der Eindruck, hier soll das Förderschulsystem durch die Hintertür madig gemacht werden, aber da kann man dann das gegliederte Schulsystem gleich miteinbeziehen.

sofawolf
5 Jahre zuvor

@ Zitat (Anna): „… durchaus in der Überzeugung, den Betroffenen etwas Gutes zu tun.“

Das mutmaße ich auch und finde es wichtig, zunächst einmal das herauszustellen. Es geht also nicht um absichtliche Fehldiagnosen. So kommt es aber daher.

Meine Frage bleibt also, ob gutgemeinte Bescheide pro oder contra weiterführende Schule, wie sie ja früher die Lehrer entschieden, den Betroffenen (Lehrern) auch noch einmal auf die Füße fallen, weil sich jemand um Chancen im Leben betrogen sieht?

Und auch Eltern sind dann nicht gefeit davor. Kinder können sie später zur Rechenschaft ziehen, weil sie ihnen „Lebenschancen“ verwehrt haben.

Mir scheint, hier wird im schlimmsten Falle die Büchse der Pandora geöffnet. Es wird alles immer verrückter!

omg
5 Jahre zuvor

In Schweden Beträgt der ANteil Förderkinder zwischen 21 und 75 %(Brennpunktschulen), Tendenz steigend (Daten 2016, Studie Uni Göttingen).
Alerdings führt der Status nicht zu einer solchen Stigmatisierung, es wird aber deutlich, dass in Schweden scheinbar mit einem breiteren Diagnosespektrum gearbeitet wird.