„Abrahams Kinder“ – erste christlich-muslimische Kita feiert bald Eröffnung

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GIFHORN. Religiöse Begegnung schon im Kleinkindalter: Im August eröffnet mit einer «Zwei-Religionen-Kita» im niedersächsischen Gifhorn eine laut Initiatoren bundesweit einmalige Einrichtung. Ganz ohne Schwierigkeiten und Kritik läuft das Projekt aber nicht an.

Gebetet wird in der Kita – ob gemeinsam, das ist noch nicht klar. Foto: Shutterstock

Die kleinen Bettchen sind schon aufgebaut, Maler bringen noch etwas Farbe an die Wand. Im niedersächsischen Gifhorn laufen die letzten Vorbereitungen für einen besonderen Ort: Im August eröffnet dort eine «Zwei-Religionen-Kita», in der Kinder christlichen und muslimischen Glaubens gemeinsam betreut werden. Die Initiatoren sprechen von einer bundesweit einmaligen Einrichtung. Am Donnerstag, den 26. Juli, wird Eröffnung gefeiert.

«Die 15 Plätze sind vergeben», sagt die Sprecherin des Projekts, Ingetraut Steffenhagen. Muslime, Christen und Kinder ohne Konfession werden ihren Angaben zufolge unter den Ein- bis Fünfjährigen etwa gleich stark vertreten sein. «Abrahams Kinder» heißt die Einrichtung, die einen Ort für die Kleinen aus unterschiedlichen religiösen Herkunftsfamilien schaffen soll, an dem sie ihre eigene und andere Religionen kennen und verstehen lernen.

Die Zielsetzung und Arbeitsweise haben die muslimische Ditib-Moschee in Gifhorn, die katholische St. Altfrid-Gemeinde und die evangelische Dachstiftung Diakonie in einer Kooperationsvereinbarung beschrieben. Eine jüdische Gemeinde, die die Organisatoren gern einbezogen hätten, gebe es in Gifhorn nicht. Ob die kleine Gruppe zusammen betet oder gemeinsam Gottesdienste feiert, entscheiden die Erzieher. Sie werden sich laut Steffenhagen aber auf jeden Fall damit beschäftigen, warum die einen Weihnachten, Ostern oder Ramadan feiern – und die anderen eben nicht. Das Essen soll halal-zertifiziert sein, also auch den Speisevorschriften des Islam folgen.

Die Idee entstand den Angaben zufolge in der Moscheegemeinde, die aber Schwierigkeiten hatte, aus eigener Kraft eine Kita zu errichten und zu betreiben. Von Pastoralreferent Martin Wrasmann sei dann das Angebot für eine interreligiöse Kita mit einem Vorbild aus Osnabrück gekommen. Dort gibt es bereits seit mehreren Jahren eine «Drei-Religionen-Schule» und eine jüdisch-christliche Kindertagesstätte. «Mit beiden Einrichtungen machen wir sehr gute Erfahrungen», sagt Kai Mennigmann vom Bistum Osnabrück. Das Wachstum und der Zuspruch seien Belege dafür.

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Gegenseitige Anerkennung

Ähnlichen Erfolg wünschen sich auch die Initiatoren im beschaulichen Gifhorn, die ihre Kita zu einem Leuchtturmprojekt mit bundesweiter Strahlkraft entwickelt wollen. In Berlin-Moabit hat allein der Plan für eine «Drei-Religionen-Kita» für Christen, Juden und Muslime ein bundesweites Medienecho ausgelöst. Sie soll aber erst 2021 eröffnen.

«Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der sich Kinder verschiedenen Glaubens mit gegenseitiger Anerkennung begegnen und voneinander lernen können», sagt die Leiterin der Kita in Gifhorn, Linda Minkus. Auch das Erzieherteam soll sich aus Mitarbeitern muslimischen und christlichen Glaubens zusammensetzen. Für eine dritte Stelle wird derzeit noch jemand gesucht. «Wie in fast allen sozialen Berufen ist es ausgesprochen schwierig, offene Stellen zu besetzen», berichtet Projektsprecherin Steffenhagen.

Sie räumt auch ein, dass das Interesse anfangs verhalten war. Ein denkbarer Grund: Ihrer Meinung nach könnten Eltern zunächst Scheu gehabt haben, ihre Kinder in eine so exponierte Einrichtung zu geben. Von der AfD in Gifhorn wurde das Projekt wegen der wenigen Anmeldungen bereits vor der Eröffnung als gescheitert bezeichnet. Diese Kritik weist Steffenhagen als «übliche Abwehr gegen islamische Migration in den einschlägigen Kreisen» zurück.

Den Zentralrat der Muslime in Deutschland stört die Politisierung des Themas. «Eine Kindertagesstätte ist grundsätzlich unpolitisch», meint der Vorsitzende Aiman Mazyek. Der frühe Austausch sei besonders in Zeiten wichtig, in denen Populisten das Trennende betonen. Für Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich (CDU) kann Verständnis und Toleranz nur gelingen, wenn es Möglichkeiten der Begegnung gibt. Diese Möglichkeit gibt es nun in seiner Stadt bald auch für die ganz Kleinen. dpa

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5 Kommentare
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Biene
5 Jahre zuvor

Als ich in den Neuzigern im Kindergarten war (christlicher Träger) gab es dort auch Kinder mit muslimisch geprägtem Hintergrund. Damals wurde allerdings weit weniger Tamtam darum gemacht als heute. Komisch!!!!
Muss wohl an den politischen Strömungen liegen,die zur Zeit durch die Gesellschaft geistert.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie ist ein fürchterlicher Wiedergänger.

xxx
5 Jahre zuvor

„Das Essen soll halal-zertifiziert sein, also auch den Speisevorschriften des Islam folgen.“

Nicht ganz. Das Essen folgt _nur_ den Speisevorschriften des Islam. Bei den Christen und den Atheisten gibt es keine.

Biene
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Auch Juden kennen Speisevorschriften und die ersten Christen haben sich an die Speisevorschriften der Juden gehalten. Außerdem kann man den „fleischfreien“ Freitag auch als eine Art christliche Speisevorschrift deuten, in Gedenken Jesu Hinrichtung an einem Freitag.
Übrigens gelten in der Fastenzeit interessante Speisevorschriften zu denen der Vatikan in früherer Zeit befragt wurde. Ein Biber darf dem nach zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag gegessen werden, da er als „Fisch“ zählt. (Ein weiterer Umstand für sein Verschwinden aus den europäischen Gewässern.) Auch Bier ist in der Fastenzeit erlaubt.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Juden gibt es in Gifhorn nicht und an die Speisevorschriften halten sich die Christen nicht mehr. Falls sich jemand heutzutage doch an eine Regel hält, dann nicht aus religiösen Gründen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Offenbar kommt es kaum jemandem noch seltsam vor, dass den Ein- bis Fünf-Jährigen unterstellt wird, sie hätten einen Glauben (der natürlich von den Eltern „vererbt“ wurde, was sonst?), und das ganze religiöse Tamtam wäre schon fast das Wichtigste, was sie in einer Kita lernen sollen. Den Kindern wird das gar nichts nützen, das sind Prestigeprojekte für Erwachsene. Ich wäre durchaus für gemeinsame Institutionen für Kinder aller Völker und Religionen, aber nicht, um Religion wichtig zu machen, sondern eher im Gegenteil. Warum soll es für Kinder einen Unterschied machen, welche Religion ihre Eltern mal von deren Eltern „geerbt“ haben? Welches „Verständnis“ sollen da die Ein- bis Fünf-Jährigen entwickeln? Kein Kind wurde je gefragt, ob es Christ oder Moslem oder sonstwas sein will, das wird einfach kommandiert. Das Ganze ist das genaue Gegenteil von Selbstbestimmung. Der genannte Funktionär vom Bistum Osnabrück ist jedenfalls zufrieden. Allein das sollte uns misstrauisch stimmen.