Nun ist es besiegelt – NRW kehrt zu G9 zurück

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DÜSSELDORF. Viele Schüler, Lehrer, Eltern dürften aufatmen: Das «Turbo-Abitur» in Nordrhein-Westfalen wird weitgehend abgeschafft. Der Landtag hat die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium besiegelt. Damit folgt NRW dem Beispiel anderer Bundesländer.

In NRW kommt man nun entspannter zum Abi.                                                 Foto: Avarty Photos / flickr / CC BY-SA 2.0

Nordrhein-Westfalen kehrt zurück zum neunjährigen Gymnasium (G9). Der Landtag in Düsseldorf besiegelte nun abschließend mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP die Abkehr vom achtjährigen «Turbo-Abitur». Das bevölkerungsreichste Bundesland folgt mit der Rückkehr zu G9 dem Beispiel anderer Bundesländer wie Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Allerdings sind die G9-Bildungsgänge in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.

In NRW startet die Umstellung zu G9 an öffentlichen Gymnasien im Schuljahr 2019/20 mit den Fünft- und Sechstklässlern. Das sind die derzeitigen Dritt- und Viertklässler an den Grundschulen. Der erste reguläre G9-Jahrgang macht dann 2027 Abitur. Schüler, die derzeit ein öffentliches Gymnasium besuchen, bleiben aber im G8-Modus.

SPD, Grüne und AfD enthielten sich bei der Abstimmung über das Gesetz, obwohl auch sie die Rückkehr zu G9 gutheißen. «Die Grundakzeptanz für G8 konnte nicht erreicht werden», sagte die Grünen-Abgeordnete Sigrid Beer. Die Opposition kritisiert jedoch, dass die Gymnasien in NRW eine Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 haben. Der Schulwechsel von Kindern könne komplizierter werden, wenn es kein wohnortnahes G9-Gymnasium gebe. Außerdem werde die Verantwortung bei den Schulen abgeladen.

Der Druck der Wirtschaft

Bis Ende des Jahres können sich die Gymnasien einmalig entscheiden, ob sie bei G8 bleiben. Laut Prognose von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) werden weniger als zehn Prozent der Gymnasien an G8 festhalten. Sie müssten dennoch die Option bekommen. «Wir wollen die Schulen, die in jahrelanger Arbeit Konzepte für G8 erarbeitet haben, nicht zu G9 zwingen», sagte Gebauer.

Die Politik habe sich bei der Einführung des G8 damals dem Druck der Wirtschaftsverbände gebeugt, sagte der SPD-Bildungsexperte Jochen Ott. «Und das war ein Fehler.» Auch das Argument, Deutschland habe «die ältesten Abiturienten und die jüngsten Rentner» sei falsch gewesen.

Das weitere Jahr Gymnasium dürfe aber kein «Weiter so wie früher» bedeuten, sagte Ott. Die Schüler an Gymnasien müssten nun mehr Zeit für ihre Persönlichkeitsentwicklung und nicht mehr Fächer bekommen. Die neue Oberstufe müsse Möglichkeiten der beruflichen und internationalen Orientierung und des sozialen Engagements bieten.

Neu ist, dass an den G9-Gymnasien die Schüler künftig am Ende der zehnten Klasse zentrale Prüfungen für die Mittlere Reife ablegen müssen. An G8-Gymnasien erwerben Schüler die Mittlere Reife wie bisher durch Versetzung in die elfte Klasse. Die zweite Fremdsprache wird wieder in Klasse 7 statt schon in Klasse 6 eingeführt.

Allein die Bau- und Ausstattungskosten bei der Umstellung auf das neunjährige Gymnasium werden bis 2026 auf 518 Millionen Euro geschätzt. Mit dem Start von G9 soll deshalb ein Gesetz zum Belastungsausgleich in Kraft treten, das die Kommunen entlastet. Hinzu kommen etwa 115 Millionen Euro an jährlichen Kosten für rund 2300 zusätzliche Lehrer. Diese muss das Land tragen.

Ein Flickenteppich

In NRW gibt es insgesamt 511 öffentliche Gymnasien mit etwa 433.000 Schülern. Hinzu kommen 114 Gymnasien in freier Trägerschaft, etwa der Kirchen. Diese Schulen können frei entscheiden, ob sie G8 oder G9 wollen.

Die Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre (G8) hatte zu jahrelangen erbitterten Diskussionen in Deutschland geführt. Mehrere Länder sind inzwischen zumindest teilweise zu G9 zurückgekehrt. Der Blick in andere Bundesländer zeigt aber, dass die gymnasialen Bildungsgänge ein Flickenteppich sind.

Bayern stellt ab dem neuen Schuljahr 2018/19 mit den Klassen 5 und 6 auf G9 um. In Baden-Württemberg läuft ein G9-Versuch an 44 Gymnasien. Niedersachsen hat die flächendeckende Rückkehr zu G9 bereits 2015/16 eingeleitet. In Hessen herrscht Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Schleswig-Holstein kehrt ab 2019 flächendeckend zurück zu G9. In den östlichen Bundesländern gilt nach wie vor die zwölfjährige Schullaufbahn bis zum Abitur. In Berlin und Hamburg wird an den Gymnasien das Abitur nach acht Jahren abgelegt, ebenso in Bremen. dpa

Positive Zwischenbilanz für zehn Jahre G8 in Rheinland-Pfalz

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2 Kommentare
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xxx
5 Jahre zuvor

Da schon angekündigt wurde, dass nicht wieder zu den Lehrplänen von G8 alt zurückgekehrt wird, ist eine drastische Niveauverflachung an den Gymnasien zu erwarten bzw. eine Angleichung des Niveaus an die Erweiterungskurse der Gesamtschulen. Spätestens in Klasse 10 neu wird ein reines Teaching to the Test stattfinden, von dem zumindest die Mathematiker wissen, dass das alles mögliche ist, aber keine adäquate Vorbereitung auf die Oberstufe. Die nächste Stufe zur Schule für Alle ist also erklommen, weil es damit kaum noch Unterscheidungsmerkmale zwischen einem Gymnasium und (dem E-Zweig) der Gesamtschule gibt.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In die erste Zeile gehört natürlich „G9 alt“.