«Ein Trauerspiel»: Die größten Baustellen der deutschen Schullandschaft

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BERLIN. Es gibt einiges zu tun an Deutschlands Schulen – nicht nur sind viele Gebäude marode, es fehlen auch massenhaft Lehrer und die Kluft zwischen Bildungsverlierern und Bildungsgewinnern wird größer.

An vielen Hessischen Schulen wird bald gebaut. Foto: 4028mdk09 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Viel zu tun im deutschen Schulsystem. Foto: 4028mdk09 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Zu wenige Lehrer, sanierungsbedürftige Toiletten – und beim Lesen hapert es auch: Vieles läuft schief an deutschen Schulen, wie Experten seit Jahren kritisieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder warnt jetzt vor einem «Bildungsnotstand». Wir listen die größten Baustellen auf:

LEHRERMANGEL: Landauf, landab fehlen zahlreiche Lehrer. Viele Länder versuchen, den Mangel mit Quereinsteigern zu stopfen, die pädagogisch aus Sicht von Kritikern aber nur unzureichend qualifiziert sind. Problematisch ist vielerorts auch ein Mangel an Schulleitern. Der Deutsche Lehrerverband hatte zuletzt geschätzt, dass bundesweit 10 000 Lehrerstellen unbesetzt und weitere 30 000 notdürftig besetzt sind. Lehrer fehlen vor allem an Grundschulen, Förderschulen und ehemaligen Hauptschulen. Folgen: Unterrichtsausfall, größere Klassen – und im schlimmsten Fall fehlen Noten auf Zeugnissen.

MARDODE SCHULEN: Alte Toiletten, baufällige Turnhallen – laut einer Studie beträgt der Investitionsbedarf an deutschen Schulen fast 48 Milliarden Euro. Vor allem in größeren Kommunen gebe es Nachholbedarf, heißt es von der staatlichen Förderbank KfW mit Blick auf Zahlen zum Investitionsstau. Gemessen am Vorjahr sei die Lücke besonders in Nordrhein-Westfalen und in Süddeutschland größer geworden – zum Teil aber auch wegen des Ausbaus der Ganztagsbetreuung. Mit Blick auf notwendige Sanierungen spricht Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger von einem «Trauerspiel». Es müsse Geld vom Bund geben – «und zwar schnell».

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DIGITALISIERUNG: Auch hier gibt es große Defizite. Zwar wurde schon vor mehr als zwei Jahren ein milliardenschwerer Digitalpakt für die Schulen angekündigt. Doch erst in dieser Legislaturperiode soll sich endlich etwas tun: Der Bund will den Pakt für Digitalisierung an den Schulen 2019 starten. Das hatte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Juni gesagt. Ab dann sollen fünf Milliarden Euro in fünf Jahren in die Kommunen fließen. Für den Digitalpakt ist eine Grundgesetzänderung notwendig. Zur Digitalisierung von Schulen gehören neben schnellen Internetanschlüssen auch gemeinsame Cloud-Lösungen für Schulen sowie die Qualifizierung von Lehrern.

INKLUSION: Lehrerverbandspräsident Meidinger ist «sehr unzufrieden» mit dem Stand des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nichtbehinderten Kindern. «Man hat in einigen Bundesländern Inklusion mit der Brechstange gemacht», sagt der Verbandschef. Dies habe dazu geführt, dass auf Kinder mit Förderbedarf inzwischen schlechter eingegangen werde als dies auf Förderschulen der Fall wäre, die reihenweise geschlossen worden seien. Nötig sei in Klassen mit mehreren Förderkindern ein Zwei-Lehrer-Prinzip. «Das stellt kein Bundesland zur Verfügung.» 2009 war in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten: Damit muss Inklusion an Schulen umgesetzt werden.

BILDUNGSVERLIERER VERSUS BILDUNGSGEWINNER: Die Kluft zwischen Schülern mit großen Bildungserfolgen und jenen mit schlechten Chancen für das Arbeitsleben droht zu wachsen, wie aus dem Bildungsbericht 2018 hervorgeht. So verließen mit 49 300 Schulabgängern 2016 wieder mehr Jugendliche als in den Vorjahren die Schule ohne mindestens einen Hauptschulabschluss (6 Prozent). Dem Bericht zufolge handelt es sich dabei vor allem um einen Anstieg bei ausländischen Jugendlichen. Fast jeder zehnte Jugendliche verfehlt in Jahrgangsstufe neun den Mindeststandard beim Lesen. Dagegen stieg der Anteil der Schulabsolventen mit Abitur binnen zehn Jahren von 34 auf 43 Prozent im Jahr 2016. Von Christine Cornelius, dpa

Lehrermangel: Unionsfraktionschef Kauder warnt vor Bildungsnotstand in Deutschland – und kritisiert Kultusminister

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3 Kommentare
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Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Cavalieri
5 Jahre zuvor

Danke für den Link. Ist dieses Zitat daraus ein Grund zum Kulturpessismismus?
„„Als ich anfing, zu unterrichten, war es vollkommen normal, dass ein Erstklässler schon zu Weihnachten ein Märchenbuch lesen konnte“, sagt Rudolph, „wir konnten auch in der neunten Klasse mit Kreuzberger Hauptschülern ,Nathan der Weise‘ durchnehmen. Das geht heutzutage kaum mehr mit Gymnasiasten.““
„Ein Kollege, Biolehrer, habe ihm neulich mal 40 Jahre alte Arbeitsblätter gezeigt. „So etwas könnten wir mit den Kindern gar nicht mehr bearbeiten, viel zu komplex, da reicht die Konzentrationsfähigkeit nicht mehr“, sagt Rudolph.“
Aber haben wir nicht heute die Kompetenzorientierung und preisen die „Komplexität“ von Aufgaben (jedenfalls im Fach Mathematik) ?

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Die Mathelehrer wissen, dass die Kompetenzorientierung gerade zu einer Reduktion der Komplexität geführt hat. Komplex ist höchstens das Übersetzen des Sachkontextes in die (mit dem Taschenrechner durch Knöpfchendrücken leicht lösbare) Rechenaufgabe und wieder zurück. Mit Mathematik als universell einsetzbare, abstrakt-logische und beweisende Wissenschaft hat das nichts zu tun. In Deutsch werden in wenigen Jahren auch materialgestützte Aufgaben im Abitur NRW möglich sein. Sinnentnehmendes Lesen in Verbindung mit gesundem Menschenverstand reichen also zum Bestehen der Prüfung (bzw. eines Teiles davon) aus, Fachwissen ist kaum noch relevant.