Dieser junge Mann, Peter Scholze, gehört jetzt zu den besten Mathematikern der Welt

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RIO DE JANEIRO. Er versteht und erklärt mathematische Zusammenhänge so, dass andere nur staunen können: Der erst 30 Jahre alte Mathematik-Professor Peter Scholze gilt als Ausnahmetalent. Nun hat er die entsprechende Würdigung erhalten.

Peter Scholze ist jetzt Träger der Fields-Medaille. Foto: George M. Bergman, Berkeley / Wikimedia Commons GNU

 

Als zweiter Deutscher überhaupt ist der Bonner Mathematiker Peter Scholze mit einem der renommiertesten Preise seines Fachs, der Fields-Medaille, ausgezeichnet worden. Das sei «schon eine herausragende Ehre», sagte der 30-jährige gebürtige Dresdner anlässlich der Verleihung beim Internationalen Mathematiker-Kongress am Mittwoch in Rio de Janeiro. Das Prestige der Fields-Medaille ist mit dem der Nobelpreise vergleichbar.

Die Internationale Mathematische Union verleiht die Medaille seit 1936 alle vier Jahre an bis zu vier herausragende Mathematiker unter 40 Jahren. Neben Scholze bekamen dieses Mal Akshay Venkatesh (Princeton University und Stanford University, USA), Alessio Figalli (ETH Zürich, Schweiz) und Caucher Birkar (Cambridge University, Großbritannien) die goldene Medaille, die mit einem Preisgeld von knapp 10.000 Euro (15 000 Kanadische Dollar) verbunden ist.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) beglückwünschte Scholze. Er sei für viele junge Mathematikerinnen und Mathematiker ein Vorbild. Scholze mache mit seiner Forschungstätigkeit «Deutschland zu einem Anziehungspunkt für wissenschaftliche Talente aus der ganzen Welt»», erklärte die Ministerin. «Dafür danke ich ihnen sehr.»

Arithmetische Geometrie

Die Medaille geht auf den Mathematiker John Charles Fields zurück. Zu den Preisträgern zählen Jean Pierre Sarre, der mit 27 Jahren der bisher jüngste Preisträger ist, und Maryam Mirzakhani, die als erste und bislang einzige Frau die Fields-Medaille gewann.

Was Scholze macht, ist für Laien schwer bis gar nicht verständlich. Er forscht zur sogenannten arithmetischen Geometrie und schafft Verbindungen zwischen verschiedenen Gebieten der Mathematik. Das hilft Fachleuten, Probleme in einem Bereich mit Ansätzen aus einem anderen zu lösen. Gewissermaßen blickt Scholze über den Tellerrand der einzelnen Disziplinen und verknüpft Lösungsansätze. Seine Forschung gilt als weltweit bahnbrechend und richtungsweisend.

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Er selbst beschreibt das so: «Was mich interessiert, sind die ganzen Zahlen – also 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter – und ihre Eigenschaften, also was für Gleichungen man damit lösen kann. Und diese ganz grundlegende Fragestellung benötigt abstrakte Methoden, die aus verschiedenen, überraschenden Bereichen der Mathematik kommen: aus der Geometrie, aus der Analysis. Eigentlich gibt es da aus allen Gebieten der Mathematik Querverbindungen.»

Für seine Arbeit hat Scholze schon zahlreiche Auszeichnungen bekommen, darunter den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Fermat-Preis der Universität Toulouse. Scholze ist Mitglied unter anderem der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Nach der schulischen Ausbildung in Berlin wechselte Scholze an die Bonner Universität. Dort schloss er das Studium schneller als vorgesehen ab und wurde mit 24 Jahren zum damals jüngsten Professor Deutschlands.

Scholzes Doktorvater Michael Rapoport sagt: «Er ist der bessere Mathematiker als ich, er hat tiefere Einblicke als ich, er hat den besseren Überblick.» Wie die Studenten hole auch er selbst sich Rat bei Scholze. «Er ist inzwischen mein Lehrer.»

Der einzige Deutsche, der bislang die Fields-Medaille bekam, ist Gerd Faltings. 1986 war das. Über Scholze sagt er: «Es ist erstaunlich, wie viele Sachen er macht und versteht. Dinge, wo ich lange für brauchen würde oder die mich nicht interessieren. Damit sticht er aus der Masse heraus.» Scholze sei fleißiger als er und habe zu vielen Themen eine fundierte Meinung. «Er liefert eine neue Sicht auf die Dinge und setzt Spezialfälle in größeren Zusammenhang.»

Ein weitere hochrangige Mathematik-Auszeichnung neben der Fields-Medaille ist der Abelpreis, der ohne Altersbeschränkung und jährlich verliehen wird. dpa

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8 Kommentare
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Cavalieri
5 Jahre zuvor

Ich weiß zufällig, dass Scholze nicht auf eine typische Gesamtschule gegangen ist, sondern das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Berlin, eine seit DDR-Zeiten bekannte Eliteschule (Spezialschule) für Mathematik und Naturwiss.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spezialschule_mathematisch-naturwissenschaftlich-technischer_Richtung
Dort versammelten und versammeln sich noch mehr Talente, die bei der Mathematik-Olympiade und dann in Universitäten erfolgreich sind. Scholze war natürlich auch dort weit überdurchschnittlich. In Westdeutschland durfte es solche Elite-Einrichtungen gar nicht geben. Wir streben stattdessen die Bildungsgleichheit an.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Was ist an diesen Schulen anders als in den MINT-Zweigen der westlichen Gymnasien und den Hochbegabtenverbünden, an denen die Gymnasien beteiligt sind, oder an beruflichen Gymnasien mit diesem Schwerpunkt?

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Was heute noch anders ist, weiß ich auch nicht. Immerhin beginnt dieses Gymnasium mit Klasse 5 trotz 6-jähriger Grundschule in Berlin. Lesen Sie dazu einfach den angegebenen Link bei Wikipedia. In der DDR gab’s das seit 1960, seit wann gibt es Hochbegabtenverbünde? Seit weniger als 10 Jahren, oder? Und wer fordert die „eine Schule für alle“, und wer will die Inklusion auch an Gymnasien? „Eine Schule für alle“ ist von der Idee her das Gegenteil von Eliteschulen irgendwelcher Art.
Obwohl ich kein Fan der DDR bin, so staune ich doch, wie unbefangen man dort mit der Eltebildung umging und wie schwer man sich damit im Westen getan hat und noch tut. In Berlin liebt man es heute, Plätze an besonders beliebten Gymnasien zu verlosen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

In den DDR-Gymnasien soll in der Oberstufe fast wissenschaftlich gearbeitet worden sein. Diese durften aber auch nur maximal 10% des Jahrgangs besuchen. Bedingung war fachliche Eignung und natürlich Linientreue. Nicht umsonst waren die DDR-Schüler den BRD-Schülern kurz nach der Wende in so ziemlich allen Belangen überlegen.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Soweit ich mich erinnere, war das nicht an eine Prozentzahl gebunden, sondern an einen Notendurchschnitt. Ich meine, man musste die 10. Klasse mit dem Prädikat „sehr gut“ abschließen (also 1, …). Das enstprach nach meiner Erfahrung aber gut 10% der Schüler. Das galt jedoch nicht für die sogenannten „Offiziersschüler“, die also mal zur Armee wollten. Die durften „schlechter“ sein.

Linientreue eher „umgekehrt“, will sagen, wenn du selbst oder deine Familie dem Staat „negativ aufgefallen“ war, hat man dir Steine in den Weg gelegt, ja, z.B. Kinder von Regimekritikern, Kinder von Eltern, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten … Du musstest aber nicht „linientreu“ sein, also ein überzeugter DDR-Anhänger, um zur EOS (Gymnasium) gehen zu dürfen. Das waren etliche nämlich nicht. Du durftest „dem Regime“ nur nicht negativ aufgefallen sein.

xxx
5 Jahre zuvor

Der Mann ist schon beeindruckend.

Er brauchte übrigens nicht zu habilitieren und bekommt von der Uni Bonn sehr große Freiheiten, weil sie ihn unbedingt halten wollen. Noch fühlt er sich in Bonn wohl und macht sich wohl auch nicht so viel aus Geld. Sobald sich das ändert, ist er ganz schnell an einer Universität, die ihm das beste Angebot macht. Ausstattung des Lehrstuhls sind bei reinen Mathematikern wie ihm unerheblich, weil er nur einen einfachen PC und eine Tafel in seinem Büro braucht, ggf. noch einen HiWi, der ihm die Vorlesungsmitschrift digitalisiert.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

In Niedersachsen findet man zwar viele Worte zur sog. Begabungsförderung, aber Konkretes zu Organisation und Inhalt wird nicht gesagt:
http://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schule/lehrkraefte/unterricht/begabungsfoerderung/begabungsfoerderung–6499.html
Ich könnte mir denken, dass diese Verbünde nicht annähernd den Effekt haben können, den ein täglicher Unterricht auf einem hohen Anspruchsniveau in einer Eliteschule hat. Bei uns hat man wohl die Vorstellung, dass ein paar Begabte in der „inklusiven Schule“ in Sonderveranstaltungen geschickt werden, das aber keineswegs täglich und nicht als Vertiefung zum „normalen“ Schulstoff. In Berlin sind die heutigen Schnelllernerklassen jedenfalls so organisiert, dass man die Kinder mit allem möglichen beschäftigt, aber nicht mit der Vertiefung des „normalen“ Schulstoffes“. Man hält das für „sozial gerecht“. Kurios ist es, dass gerade in der „sozialistischen“ DDR ganz anders verfahren wurde. Gerüchten zufolge war übrigens die Mathematik in der DDR eine Art Nische, in der man vor dem Marxismus-Leninismus und der ganzen Parteidoktrin relativ sicher war. Deshalb war sie vielleicht beliebter als heute in der Bundesrepublik.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

In der täglichen Praxis hat man viel zu viel mit den schwachen und störenden Schülern zu tun, als das man sich um die normal fleißigen und tatsächlich richtig guten Schüler der Klasse noch kümmern könnte. Traurig, aber wahr. Über die Ausnahmetalente wie Herrn Scholze habe ich da noch gar nichts geschrieben.