„Lesen durch Schreiben“: Gebauer hält an Methodenfreiheit für Grundschulen fest

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DÜSSELDORF. Das von der FDP-Politikerin Yvonne Gebauer geführte Schulministerium von Nordrhein-Westfalen will an der Rechtschreibmethode „Schreiben nach Gehör“ festhalten, zumindest im ersten Schuljahr– obwohl die Forderungen nach einem Verbot der Methode, die auch unter dem Namen „Lesen durch Schreiben“ bekannt ist, lauter werden und die FDP sie zu Oppositionszeiten ebenfalls hatte verbieten wollen (News4teachers  berichtete). Dies geht aus einem Bericht der „Rheinischen Post“ hervor. Der VBE lobt die „differenzierte Betrachtung“ der Ministerin, die sich wohltuend von der derzeit üblichen „Panikmache“ abhebe.

Probiert mal etwas Neues - aber nur im klitzekleinen Rahmen: die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Zeigt sich lernfähig: die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Nach dem in Arbeit befindlichen Masterplan Grundschule des NRW-Schulministeriums, der noch in diesem Jahr vorgelegt werde, werde es kein komplettes Verbot der Methode geben. Künftig sollen Lehrer aber die Anwendung auf „die Anfangsprozesse des Lesen- und Schreibenlernens begrenzen und von Anfang an zum normgerechten Schreiben hinführen“, wie es der Zeitung zufolge laut Entwurfstext heißt. Es soll zudem ein Grundwortschatz eingeführt werden, der eine Liste von Lernwörtern enthält und eine verbindliche Zielmarke für die Vermittlung von Deutschkenntnissen in den Grundschulen sein soll. Ansonsten aber sollen Schulen und Lehrer über die Methoden in eigener pädagogischer Verantwortung entscheiden.

„Extrem selten eingesetzt“

Nordrhein-Westfalen schlägt damit einen anderen Weg ein als etwa Baden-Württemberg, wo Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) unlängst den Grundschulen in ihrem Bundesland den Einsatz der umstrittenen Methode verboten hat. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, fordert ein bundesweites Verbot. Anlass ist eine Studie, in der die klassische Fibel-Methode für Grundschüler deutlich besser abgeschnitten hat als Ansätze wie «Lesen durch Schreiben» und «Rechtschreibwerkstatt» (News4teachers berichtete).

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Mit Blick auf „Lesen durch Schreiben“ erklärt Anne Deimel, stellvertretende Landesvorsitzende des VBE NRW: „Öffentliche Diskussion und Schulpraxis gehen weit auseinander. In Reinform wird die Methode nur extrem selten eingesetzt. Der Fokus sollte jetzt auf der Stärkung der Schulform liegen.“

Der VBE sieht die aktuelle Diskussion kritisch. Zum einen besteht ihm zufolge die Gefahr, dass die tatsächlichen Versäumnisse der Bildungspolitik in den Hintergrund geraten. Zum anderen sei die vieldiskutierte Studie bislang nicht vollständig veröffentlicht worden – sodass sich voreilige Schlüsse verböten. „Grundschulen in NRW sind in ganz Deutschland die Schulform, in die am wenigsten Geld fließt. Zu große Klassen, zu wenig ausgebildete Lehrkräfte und unzureichende Ausstattung sind die tatsächlichen Gründe für das schlechtere Abschneiden in Leistungsvergleichen“, meint Deimel. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

“Schwarzer Peter” heißt das Spiel: Die Debatte um “Lesen durch Schreiben” nimmt hysterische Züge an – zum Schaden der Schulen

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7 Kommentare
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Wolfgang Bergmann
5 Jahre zuvor

Auch wieder eine Bestätigung dafür, dass schlechtes Politiker-Image oft redlich verdient ist.
Wer als Oppositionspolitikerin Dinge fordert, die man als späteres Regierungsmitglied nicht mehr durchsetzen will oder sogar ablehnt, offenbart, dass er ein rein taktisches Verhältnis zu Positionen hat. Zu mehr Glaubwürdigkeit von Politik wird dies nicht beitragen.

Heinz
5 Jahre zuvor

Unabhängig davon, dass ich „Schreiben wie hören“ für eine große Katastrophe halte, finde ich, dass dies genau der richtige Schritt ist.
Die Debatte um „Schreiben wie hören“ hat doch gezeigt, dass das pädagogische Fachpersonal an der Basis, also in der Schule, sitzt und dass man nicht von irgendwelchen nicht repräsentativen Studien auf alle Kinder schließen kann. Die Lehrer sind die Fachleute und sollten entscheiden! Außerdem kann es nicht angehen, dass alle paar Jahre von der Politik alles über den Haufen geworfen wird, Schulen brauchen endlich Ruhe.
Lasst die Lehrer selbst entscheiden, sie werden das Richtige machen!

AvL
5 Jahre zuvor

Das die Ministerin jetzt in mit einem Verbot der Verbreitung von LDS und der „Rechtschreibwerkstatt“ nach Sommer-Stumpenhorst nachgibt, ist anscheinend dem Koalitionspartner CDU geschuldet, dessen bildungspolitische Sprecherin eine Grundschullehrerin aus dem Ruhrgebiet ist.
Solange politische und wirtschaftliche Seilschaften einen großen Einfluss auf die Grundschulpädagogik nehmen und zusätzlich noch ein großer Teil der älteren Lehrerinnen auf diese Methoden der Rechtschreibwerkstatt, LDS und Schreiben nach Gehör mit einer Anlaut-Tabelle wert legen, solange wird dieser Methodenmix im Anfangsunterricht weiter betrieben werden.
Man könnte vom Kultusministerium her die Einführung strukturierter Schreiblehrgänge erzwingen.
Allein man scheut die Konfrontation mit den vielen Gegnern.

c. fing
5 Jahre zuvor

Schon vor über 20 Jahren hat sich bei meinem Kind herausgestellt, wie fatal diese Methode ist. Lesen hat wunderbar geklappt, doch im 3. Grundschuljahr wurde perfekte Rechtschreibung verlangt. Wir haben als Eltern über ein halbes Jahr dafür gebraucht, da die Lehrer dazu nicht im Stande waren. Viele Mitschüler sind daran gescheitert. Wie sagt man so schön: “ Die Dummen sind nicht belehrbbar!“.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  c. fing

Dass die FDP 2014 selbst ein gescheitertes Verbotsantragsverfahren gegen die Methode Lesen durch Schreiben/ freies Schreiben mit Anlaut-Tabellen einbrachte, scheint man nun, in Regierungsposition befindlich, vergessen zu haben.
Auch an den 2004 eingeführten fachdidaktischen Hinweisen für Grundschullehrer des Landes NRW, die von Barnitzki /Brinkmann usw. wesentlich mitgestaltet wurden , will diese Ministerin ihrem Verhalten nach zu urteilen, nicht abweichen.
Es geht also munter weiter mit der Pädagogik gegen das Kind, mit fragwürdigen Ergebnissen in der Vermittlung der Lese- und Rechtschreibkompetenz und erbärmlichen Ergebnissen im Schulerfolg von Kindern mit einem Migrationshintergrund und anderen Risikogruppenkindern, deren Eltern anscheinend nicht zum Wahlklientel der FDP-Ministerin gehören.
Diese Methode eignet sich eben gut, um mit Hilfe der gegensteuernden deutschen Eltern, den Schulerfolg deutscher Kinder ausreichend zu sichern, um eben Risikokinder vom Bildungserfolg abzukoppeln.

Schüler gesteuertes Lernen kann entwicklungsbedingt erst schrittweise ab der 7 Klassenstufe eigeführt werden, denn solange profitieren die elterngestützten deutschsprachigen Kinder von der Hilfe der Eltern.

Gleichwohl müssen von LDS/freiem Schreiben nach Scharrelmann/ Ganzberg betroffene Schüler mit Rechtschreibproblemen und fehlender Lesekompetenz unter dem Einfluss eines zunehmenden Multimediakonsums im Nachhinein fertig werden.
Man kann jetzt auf die Vernunft der Grundschullehreinnen hoffen, dass die unter dem Einfluss der aktuellen Bonner Vergleichsstudie diese Methoden des unstrukturierten, schülergesteuerten Lese- und Schrifterwerbs bereits ab der ersten aus dem Lehrmittelkanon eigenverantwortlich streichen werden.
Wir hoffen auf weitere valide Studien um die Effektivität von Lehrmethoden nachzuweisen, denn in derartigen Studien wären Teile der Gelder für die Digitalisierung der schulen besser aufgehoben.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Es wird Zeit das die Ministerin endlich handelt.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Tut sie doch: Sie hält an der Methodenfreiheit fest.

Ansonsten hat sie sicherlich jemanden, der häufiger mal an die Tür der Uni Bonn klopft und nachfragt, ob die Studie nicht nur per Poster präsentiert, sondern vollständig veröffentlicht werden könnte, damit Fachkräfte sie lesen und Fragen dazu beantwortet werden können, denn erst DANACH kann eine Einschätzung der Studie erfolgen.