„Probleme nicht unter den Teppich kehren“: Merkel spricht mit Lehrern über Integration

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BERLIN. Von zu wenig Lehrkräften war die Rede, von Kindern, die kein Wort Deutsch sprächen und morgens hungrig zur Schule kämen: Vor gut einem Jahr war Angela Merkel (CDU) in der ZDF-Sendung „Klartext“ von einer Grundschulleiterin auf massive Probleme bei der Integration angesprochen worden – die Kanzlerin versprach damals, Lehrkräfte zu einem Brainstorming zum Thema einzuladen. Das wurde jetzt erfüllt. Ein Treffen mit 50 ausgewählten Pädagoginnen und Pädagogen aus Berlin und Frankfurt fand im Kanzleramt statt. Merkel zeigte dabei viel Verständnis für die Probleme der Schulpraktiker. Konkretes kam dabei allerdings nicht heraus.

Die Kanzlerin muss Hand bei der Bildung anlegen. Foto: Armin Linnartz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Die Kanzlerin müsste Hand bei der Bildung anlegen hält sich aber zurück. Foto: Armin Linnartz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Zu Beginn des Gesprächs betonte Merkel laut Bundespresseamt, dass es wichtig sei, die Herausforderungen in den Schulen nicht „unter den Teppich zu kehren, sondern sie so zu beschreiben, wie sie sind“. Es gelte auch voneinander zu lernen und sich über Best-Practice-Beispiele auszutauschen. Zugleich müsse auch oft etwas an den Rahmenbedingungen geändert werden. „Wenn die Klassen nämlich zu groß und die Zahl der Lehrer zu gering ist, dann lassen sich Probleme auch schwerer lösen, als wenn man die entsprechenden personellen Möglichkeiten oder auch die schulischen Möglichkeiten hat“, so meinte die Kanzlerin.

Wie die Probleme konkret aussehen, bekam sie durchaus zu hören. Eine Lehrerin, die an einem Berliner Gymnasium geflüchteten oder erst vor kurzem zugewanderten Kindern und Jugendlichen, vor allem Deutsch beibringt, berichtete, dass ihre Arbeit praktisch die einer Sozialarbeiterin sei, wie tagesschau.de berichtet. „Die Kinder und ihre Eltern wissen oft gar nicht, wie Schule in Deutschland funktioniert, manche kennen keinen Kalender, geschweige denn ein Hausaufgabenheft oder eine Bibliothek.“ Auch Fehlzeiten seien ein großes Problem. Dann sei sie es, die den Eltern hinterhertelefoniere und erkläre, dass sie ihr Kind abmelden müssen, wenn es nicht zur Schule kommt. Immer wieder. Integration funktioniere nicht ohne aktives Zutun des Staates.  Zu hoffen, die Kinder würden von allein die Sprache lernen und auf dem Schulhof Anschluss finden, sei eine Illusion. „Gelungene Integration funktioniert nur Hand in Hand mit den Elternhäusern.“  Doch dafür bräuchte es viel mehr Personal, vor allem Sozialarbeiter, die die Eltern und Familien engmaschig begleiten.

„Schüler und Eltern müssen mitmachen wollen“

Merkel war dem Bericht zufolge zuvor schon selbst auf die Rolle der Schüler und der Eltern eingegangen. Voraussetzung für den Erfolg in der Schule sei auch, dass „derjenige Schüler oder diejenige Schülerin mitmachen möchte“. Ebenfalls sei der Zugang von Lehrerinnen und Lehrern zu den Familien darauf angewiesen, dass „Eltern Interesse zeigen. Es geht um die Frage, wie man da die entsprechenden Verbindungen aufbauen kann“, betonte Merkel.

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Die Kanzlerin machte deutlich, dass die Herausforderungen an den Schulen niemand alleine lösen könne. Bei allen festgelegten Zuständigkeiten: Jeder werde mit den Problemen der Menschen konfrontiert – ob auf Bundes- oder Landesebene. „Da können wir jetzt nicht sagen: Passt einmal auf, dafür sind wir leider nicht zuständig“, so Merkel. Es gelte, es eben „nicht gegeneinander zu machen, sondern miteinander“.

Zwei Stunden nahm sich die Kanzlerin Zeit für das Treffen – und zeigte sich offenbar ehrlich interessiert an einem Austausch. Ein beteiligter Grundschulleiter berichtete gegenüber der „Frankfurter Neuen Presse“: „Sie war uns zugewandt, hat zugehört, nachgefragt und die Probleme erkannt.“ Und Probleme, die gebe es zuhauf geben. Die Bundeskanzlerin aber habe erkannt, dass Schulleiter und Lehrer das Thema Integration nicht alleine schultern können, sie habe von mehr Sozialpädagogen an den Schulen gesprochen. Dabei nahm Merkel auch die Politik in die Pflicht: Bei allen festgelegten Zuständigkeiten – jeder werde mit den Problemen der Menschen konfrontiert, ob nun auf Bundes- oder Landesebene. „Da können wir jetzt nicht sagen: Passt einmal auf, dafür sind wir leider nicht zuständig“, so Merkel. Es gelte, es eben „nicht gegeneinander zu machen, sondern miteinander“.

Man habe mit der Kanzlerin auch über den Umgang mit der Schulpflicht gesprochen, so berichtete der Schulleiter. „Wenn zu uns in die Schule ein Kind aus Rumänien kommt, hat es zuvor oft keine Bildung erfahren, keine Schule besucht“, erzählte er. „Das will die Kanzlerin nun auf europäischer Ebene ansprechen.“ Aber auch in Deutschland soll die Schulpflicht wieder stärker überwacht werden. Es gebe Überlegungen, die Nichteinhaltung mit Sanktionen zu verbinden. „Wir haben darüber gesprochen, dass den Eltern möglicherweise das Kindergeld gestrichen wird, wenn die Kinder nicht regelmäßig in die Schule geschickt werden“, berichtete der Rektor. „Das sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen.“ Frau Merkel, bitte übernehmen Sie! bibo / Agentur für Bildungjournalismus

Merkels “Bildungsrepublik” braucht noch mal einen neuen Anlauf – die Bilanz ist eher mau

 

 

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Treffen
5 Jahre zuvor

Ich bin gerade zufaellig auf Ihrer Website gelandet (war eigentlich auf der Suche
nach einer anderen Seite). Ich moechte diese Seite nicht verlassen, ohne Euch ein Lob
zu dieser klar strukturierten und schick designten Page zu hinterlassen!