Studie: Wo es Kontakte zwischen Migranten und Einheimischen gibt, ist das „Integrationsklima“ gut

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BERLIN. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland beurteilt das Zusammenleben von Einheimischen und Zuwanderern nach wie vor positiv. Die Stimmung ist zwar nicht mehr ganz so gut wie vor Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Sie habe sich aber deutlich weniger verschlechtert, «als die öffentliche Debatte erwarten ließ», stellte der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) fest, der am Montag in Berlin sein «Integrationsbarometer 2018» vorstellte.

Für die Studie waren 10.000 Neuntklässler befragt worden, davon 500 muslimische. Foto: Shutterstock
Den Schulen kommt eine besondere Aufgabe bei der Integration zu – allerdings fehlen ihnen allzu oft die Ressourcen dafür. Foto: Shutterstock

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte, die Studie zeige, dass das Zusammenleben vor allem da als harmonisch empfunden werde, wo es direkte Kontakte gebe. Deshalb sei es wichtig, mehr Gelegenheiten und Orte für Begegnung zu schaffen. «Schulen sind ja geradezu Kompetenzzentren für Integration», sagte die Staatsministerin. Interkulturelle Kompetenz müsse in der Lehrerausbildung daher mehr Gewicht bekommen. Die Vielfalt der Gesellschaft müsse sich auch im Lehrerkollegium widerspiegeln.

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Neue Zahlen liefert das SVR-Integrationsbarometer für die sogenannte Kopftuchdebatte. Von den rund 800 befragten muslimischen Frauen gaben etwa 29 Prozent an, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen. Dass die Kopftuchträgerin fast alle dafür sind, dass es muslimischen Lehrerinnen und Behördenmitarbeiterinnen gestattet werden sollte, bei der Arbeit Kopftuch zu tragen, überrascht nicht. Von den Musliminnen ohne Kopftuch sind allerdings nur gut zwei Drittel dieser Ansicht. dpa

Hintergrund

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat zum zweiten Mal bundesweit eine repräsentative Befragung von Personen mit und ohne Migrationshintergrund zum Stand der Integration durchgeführt. Das Ergebnis: Menschen mit wie ohne Migrationshintergrund bewerten das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft insgesamt weiterhin positiv. Dies gilt besonders dort, wo kulturelle Vielfalt im Alltag erlebt wird. Dass Menschen im Osten Deutschlands das Zusammenleben skeptischer bewerten als im Westen, lässt sich vor allem mit geringerem Kontakt zu Zugewanderten erklären. Ein niedriger Bildungsstand und/oder Diskriminierungserfahrungen führen eher zu einer negativen Einschätzung. Insgesamt kommen Frauen zu einem positiveren Urteil als Männer. Gegenüber Flüchtlingen ist die Haltung der Bevölkerung differenziert: Die Mehrheit will weiter Flüchtlinge aufnehmen, aber ihren Zuzug begrenzen.

Vergleicht man die aktuellen Ergebnisse mit denen des SVR-Integrationsbarometers 2016, so fällt auf: Damals wie heute überwiegt ein positives Bild vom Zusammenleben in Deutschland. Das gilt insbesondere für diejenigen, die kulturelle Vielfalt im Alltag erleben: Sie bewerten das Integrationsklima unverändert positiv. Eingetrübt hat sich das Integrationsklima in den Jahren 2016 und 2017 dort, wo der Integrationsalltag nicht persönlich erlebt wird. Dies erklärt zu einem erheblichen Teil den Unterschied in der Beurteilung zwischen Menschen im Osten und im Westen Deutschlands. „Am besten können etwaige wechselseitige Vorbehalte in der persönlichen Begegnung abgebaut werden“, kommentiert der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer den Befund. Eine geringfügige Verschlechterung gegenüber dem Integrationsbarometer 2016 zeigt sich bei Menschen ohne Migrationshintergrund und Zuwanderern und Zuwanderinnen aus EU-Mitgliedstaaten. Türkeistämmige sind dagegen nach wie vor am skeptischsten von allen Zuwanderergruppen, aber etwas positiver als noch vor zwei Jahren. Insgesamt ist das Integrationsklima stabil, die Alltagserfahrungen sind deutlich besser als der Diskurs erwarten lässt. Prof. Bauer zieht das Fazit: „Die Ergebnisse des Integrationsbarometers, die auf den meist ganz unspektakulären Alltagserfahrungen beruhen, setzen insgesamt einen Kontrapunkt zum medialen Diskurs, der oft eher die natürlich auch vorhandenen negativen Erfahrungen oder Fälle in den Mittelpunkt rückt.“

Das SVR-Integrationsbarometer ermittelt regelmäßig, wie die Bevölkerung das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft in den vier Teilbereichen Arbeit, Bildung, soziale Beziehungen und Nachbarschaft bewertet. Am positivsten werden hier – wie schon in den Vorjahren – die sozialen Beziehungen eingeschätzt, am kritischsten der Bildungsbereich. Die Befragten meinen auch, dass nicht nur die eigene Leistung und Begabung, sondern auch die soziale Herkunft ein entscheidender Faktor für Erfolg in Bildung und Arbeitswelt ist. Zu Recht, so SVR-Mitglied Prof. Dr. Claudia Diehl: „Die Bildungsforschung belegt regelmäßig, dass in Deutschland der Bildungserfolg eng an das Elternhaus gekoppelt ist. Das sehen auch die Zugewanderten so, unabhängig davon, welcher Herkunftsgruppe sie angehören. Und ihnen ist auch klar, dass Bildung ein zentrales Aufstiegsvehikel ist.“

Das Integrationsbarometer greift außerdem wechselnde Aspekte der Debatten um Integration und Migration auf. In diesem Jahr enthält es etwa Fragen zur Flüchtlingsaufnahme. „Angesichts der medialen Debatten mag es überraschen, dass es keinen Trend gibt, Flüchtlinge als Gefahr für den Wohlstand zu sehen“, so Prof. Dr. Thomas Bauer, Vorsitzender des SVR. „Die Mehrheit der Befragten mit und ohne Migrationshintergrund ist weiterhin bereit, Flüchtlinge aufzunehmen – befürwortet aber gleichzeitig Maßnahmen, um den Zuzug zu begrenzen. Interessant ist zudem, dass in ländlichen Kommunen und im Süden Deutschlands hinsichtlich der Arbeit der Kommunen bei der Verteilung und Unterbringung größere Zufriedenheit herrscht als in Stadtstaaten.“

Das SVR-Integrationsbarometer bringt weiterhin neue Erkenntnisse in Bezug auf die sogenannte Kopftuchdebatte. Erstmals werden die Positionen aller Bevölkerungsgruppen auf einer repräsentativen Basis aufgezeigt. Von den rund 800 befragten muslimischen Frauen gaben etwa 29 Prozent an, ein Kopftuch in der Öffentlichkeit zu tragen. Wenig überraschend sind kopftuchtragende Muslimas mit überwältigender Mehrheit dafür, das Kopftuchtragen in Schulen und Behörden zu gestatten. Muslimische Befragte sprechen sich insgesamt dafür aus, während sich nichtmuslimische Zuwanderer und Zuwanderinnen ebenso wie die Mehrheitsbevölkerung nicht sicher sind, ob das Kopftuch in Schulen und Behörden gehört. Allgemein wird das Kopftuch an Schulen skeptischer gesehen.

Das SVR-Integrationsbarometer zeigt außerdem deutliche Unterschiede zwischen den Einstellungen zu jüngst Zugewanderten und denen zu vor längerer Zeit gekommenen Migrantinnen und Migranten. „Die Befragten ohne Migrationshintergrund meinen ebenso wie die Befragten mit Hintergrund mehrheitlich, dass die Kriminalität durch seit längerem in Deutschland lebende Migranten und ihre Nachfahren nicht gestiegen sei. Das gilt für alle Herkunftsgruppen“, sagt Prof. Dr. Thomas Bauer. „Bezogen auf die Gruppe der Flüchtlinge ist die Bevölkerung in dieser Frage jedoch unentschieden – und die Spät-/Aussiedlerinnen und Spät-/Aussiedler sind sogar mehrheitlich davon überzeugt, dass durch Flüchtlinge die Kriminalität zugenommen habe.“

Die Stiftung Mercator hat das SVR-Integrationsbarometer 2018 gefördert. Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, unterstreicht, dass diese Datenerhebung mit ihrem Fokus auf das Erleben im Alltag ein wichtiges Ergebnis birgt: „Bei der Beurteilung der Integration ist es zentral, neben strukturellen Indikatoren auch die Erfahrung der Menschen jenseits von aufgeregten medialen Debatten zu berücksichtigen. Wir als Stiftung wie die Politik können hieraus lernen: Begegnungen im Alltag und Kontakte machen den Unterschied. Außerdem bleibt die Chancengleichheit eine wichtige Baustelle für Sozial- und Bildungspolitik. Hier müssen wir dranbleiben.“

Hier lässt sich der vollständige Bericht herunterladen.

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Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor

Liebe Lehrer !
Lassen Sie doch einmal ihre Schüler über die positiven Erlebnisse mit den neuen Mitschülern reflektieren und diese aufschreiben, denn alleine das zählt im mitmenschlichen Miteinander und des Verstehens des Anderen und nicht der gesähte Hass, der uns Menschen voneinander trennt.

Damit sich nicht etwas derartiges wiederholt, wie in der stark verkürzten, nachfolgenden Geschichte.

Während in den Parlamenten die rhetorischen Finessen einer aufgebauschten Empörung gegen eine beschworene Flut von Migranten, von einem Teil der Plenarsaalteilnehmer ausgespuckt wurde,

freuten sich die Mitschüler der Grundschule 4b über die netten und freundlichen Mitschüler, denen man aber auch die Strapazen einer langen Flucht ansah, die gekennzeichnet war von Krieg, Gewalt , Zerstörung, sowie Vertreibung.

Aus den Parlamenten heraus und über durch das Internet verbreitete Lügen gelangte der Hass auf die Straßen und in die Häuser der verunsicherten Bürger, die sich zunehmend von einer so beschworenen Überfremdung durch andere Menschen eines anderen Kulturkreises überfordert fühlten.
Und so drang dieser Hass zunehmend in ihr Innerstes und löschte zunehmend die Reste an menschlichem Empfinden für die andere Kreatur aus.
Getrieben von einer geschürten Angst, die noch weiter durch eigene Ängste vor einer empfundenen Überfremdung verstärkt wurden, fraß sich der Hass weiter durch ihre Herzen und verdunkelte die Gefühle des Menschseins.
Erste Anschläge durch fanatische Anhänger einer fremden, archaisch anmutenden Religion,

vor denen die neuen Mitschüler der 4 b geflohen waren,

verstärkten das Gefühl einer Bedrohung im innersten der Irritierten und Verstörten, die all das nicht verstanden, was da auf sie hereinbrach, und das Gefühl des Unwohlseins wurde noch durch die öffentlichen Erklärungen der Anhänger des Zorns weiter verstärkt.
Und so kam es schließlich, aufgrund der Gewalttat zweier Neuankömmlinge, zu einer Erruption an Wut und Empörung, die sich in gleicher Weise, wie gegen Neuankömmlinge, nun auch gegen die Regierenden richtete, denen man all das, wie eine vorher beschworene,von oben initiierte Überfremdung durch Migration, eine hervorgerufene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit,
eine dramatische Verschlechterung der sozialen Sicherung , eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die bedrohlich empfundene Anwesenheit der anderen und eine beschworene Zunahme der Straftaten und Kriminalität, vorhielt.
Auf den Straßen und Plätzen der Städte tauchten nun Figuren auf, die in ihrer ganzen Hässlichkeit mit kahlrasierten Schädeln, martialischen Tätowierungen frühgermanischer Sonnenräder, verunstaltet aussahen, als seinen sie als lebende Orks einem gruseligen Fantasiefilm entsprungen, um dann, durch die erbrochene verbale Freisetzung all ihren Hasses, und durch die Verfluchung des Menschlichen,
den menschlich Standhaften , ihre vulgären Hasstiraden entgegen zu schleudern.
Unter lautem Gejohle erfolgte der überschwengliche , akklamative Jubel, der sich in ohrenbetäubendem Gejohle sich bis in die Häuserzeilen fortsetzte,

wo die Kinder der 4 b schliefen und von ihren Erlebnissen mit ihren neuen Freunden träumten.

xxx
5 Jahre zuvor

Liebe Leser, schauen Sie sich mal die Herkunft der Teilnehmer an: (Zitat)

Für das Integrationsbarometer 2018 wurden zwischen Juli 2017 und Januar 2018 insgesamt 9.298 Personen bundesweit telefonisch über Mobil- und Festnetznummern befragt. Davon waren 2.720 Menschen ohne Migrationshintergrund, 1.438 Spätaussiedler, 1.479 Türkischstämmige sowie 1.532 Zuwanderer aus einem EU-Land und 1.760 aus einem anderen Land.

Mir ist nicht bekannt, dass in Deutschland nur 30% der Menschen keinen Migrationshintergrund haben.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Abgesehen davon ist die Methodik auch sehr zweifelhaft:
– Wer alle Fragen mit „eher nein“, „eher ablehnend“ beantwortete, erreicht bereits die Schwelle von 50 Punkten auf dem Index.
– Um einen Wert von 70 zu erreichen, genügt eine volle Zustimmung, 12 Mal „eher ja“ und drei Mal „eher nein“.
– Wer alle Fragen mit „nein“ beantwortet, hat bereits 6,25 von 100 Punkten auf dem Index, d.h. der Index ist schon konstruktionsgemäß in den positiven Bereich verschoben.
– Um so einen Integrationsklimaindex bauen zu können, braucht es Menschen ohne Migrationshintergrund, die mindestens gelegentlich, besser oft Kontakt mit Migranten haben (umgekehrt natürlich auch). Alle Befragten, die dies nur mit nie oder selten beantwortet haben, können also einen Teil der Fragen nicht beantworten. Deren Antworten darauf gehen aber trotzdem gleichberechtigt mit den anderen Antworten in die Berechnung des Indizes ein.

Fazit: Ob die Studie das wiedergibt, was sie vorgibt wieder zu geben, darf man bezweifeln.

sofawolf
5 Jahre zuvor

Insofern ist es auch nicht „unlogisch“, dass dort, wo es vergleichsweise wenige Ausländer gibt, die Fremdenfeindlichkeit höher ist. Es ist eher „logisch“.

Wer selber keine oder kaum Kontakte zu Ausländern hat, bezieht sein Bild von Ausländern dann eben auch nur aus den Medien. Nun frage ich, wie kommen denn Ausländer meistens in den Medien vor?

XXX
4 Jahre zuvor

Hallo,
dieser Artikel ist besonders Hilfreich für meine Hausarbeit an der Universität. Wer ist der/die Verfasser/in des Artikels? Kann mir da jemand behilflich sein.
LG