Armes Deutschland: Schüler fordern Seife und Handtücher für die Schulklos (eben weil’s die vielerorts nicht gibt)

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BERLIN. Weil sich Kinder und Jugendliche oft vor ihren Schultoiletten ekeln, verkneifen sie sich den Gang aufs Klo lieber. Der Verein «German Toilet Organization» will mit einem Wettbewerb helfen. Wie könnten Lösungen aussehen? Einige Wohlfühlörtchen gibt es schon.

Auch die aufwändigste Sanierung hilft nur wenig, wenn die Schüler sich nicht für die Sauberkeit ihrer Schultoiletten verantwortlich fühlen. Foto: timbo / pixabay (CC0)
So sieht es in vielen Schulklos in Deutschland aus. Foto: timbo / pixabay (CC0)

Die Toilette verstopft, das Urinal überlaufen, der Klorollenhalter leer. Das Händehandtuch aus der Rolle gezogen, verdreckt und verknotet, die Seifenspender leer. Es stinkt zum Himmel. Ganz normale Zustände auf Schultoiletten bundesweit. Der Verein «German Toilet Organization» (GTO) bekommt seit seiner Gründung vor 13 Jahren regelmäßig Beschwerden über schlimme Zustände. «Uns rufen oft besorgte Eltern an», sagt Geschäftsführer Thilo Panzerbieter.

Mit dem am Montag gestarteten Wettbewerb «Toiletten machen Schule» will der Verein wieder Anreize schaffen, damit Schüler mit Hausmeistern, Lehrern und anderen Beteiligten ihre Situation verbessern. Gefragt sind laut Koordinatorin Svenja Ksoll Konzepte, mit denen an Schulen die Toiletten langfristig sauber bleiben. Den drei Preisträgern winken insgesamt 50.000 Euro.

Zwei Drittel der Schüler meiden die Klos

«Es ist wichtig, dass man sich nicht vor den Toiletten ekelt», sagte der Rostocker Schüler Leo Radloff von der Bundesschülerkonferenz. Bundesweit sei dies oft der Fall. Oft seien die Schultage sehr lang. Es könne aber auch gerade deshalb nicht sein, dass sich Schüler den Gang auf die Toilette verkneifen müssten. Radloff forderte verbindliche Hygienestandards sowie die Versorgung mit grundlegenden Dingen wie Handtüchern und Seife.

Allein in Berlin meiden laut GTO zwei Drittel der Schüler die Toiletten. Der Verein hat eigenen Angaben zufolge 800 Schüler befragt. «Es gibt in Berlin schon Eltern, die die Schultoiletten putzen. Wenn es soweit ist, dann ist das schon krass», berichtet Landeselternsprecher Norman Heise.

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Die Probleme sind mitunter auch hausgemacht: Es gebe durchaus Schüler, die auf den Toiletten verrückt spielten, so Radloff. «Aber dafür darf man nicht alle kollektiv bestrafen», forderte er. An seiner Schule gebe es beispielsweise keine Papierhandtücher mehr, weil einige wenige Schüler nicht in der Lage seien, den Papierspender zu benutzen. In anderen Schulen werden die Toiletten wegen Vandalismus abgesperrt, Schüler müssen sich einen Schlüssel holen.

«Den Schülern wird schnell der Schwarze Peter zugeschoben», sagt GTO-Chef Thilo Panzerbieter. Die Erfahrungen zeigten aber, dass man auch schnell einen Bewusstseinswandel hin zu mehr Verantwortungsgefühl erreichen könne. «Man muss in den Dialog treten», so Panzerbieter. Außerdem forderte er Lehrer auf, «sich einfach mal die Schülertoiletten anzuschauen».

Laut GTO gibt es andererseits auch schon viele gute Beispiele. «Einige Schulen haben es geschafft, die Toiletten in einen Wohlfühlort zu verwandeln», so Ksoll. So gebe es Schulen, an denen Künstler ihre Arbeiten in den Toilettenräumen ausstellen oder auch Schüler selbst die Wände gestalten dürfen. In Potsdam sorgt die Schülerfirma «Putzdamer» für saubere Toiletten auf der dortigen Waldorfschule. Für die Einsätze in den Sanitäranlagen gibt es mehr Geld – für die Schüler ein Anreiz.

An anderen Schulen finanzieren Eltern laut Ksoll Minijobber, die für saubere Toiletten sorgen. Und auch Toilettenfrauen wurden schon einführt, bei denen Schüler beispielsweise für saubere Klos Geld zahlten. Auch die GTO hält Bezahltoiletten nicht für abwegig. Sie dürfen laut Panzerbieter nur nicht diskriminierend sein und dazu führen, dass sich nur Schüler mit Geld saubere Toiletten leisten können. Der Einsendeschluss für den Wettbewerb ist am 1. April und die Preisverleihung im Mai 2019 geplant. 2013 gab es den ersten Wettbewerb dieser Art der GTO. Von Anja Sokolow, dpa

Hier gibt’s weitere Informationen zum Wettbewerb.

GEW-Chefin Tepe bei Schulbesuch: “Schulklos dürfen nicht zu No-Go-Areas werden”!

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16 Kommentare
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sofawolf
5 Jahre zuvor

Kein Geld für Seife und Handtücher – aber „A 13 für alle“ wegen der sprudelnden Steuereinnahmen.

Da stimmt doch was nicht „im Staate Dänemark“.

Heinz
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

A13 für alle aufgrund der gleichen Ausbildungsdauer und der gleichen Arbeit und nicht aufgrund der sprudelnden Steuereinnahmen.
Die Sauberkeit ist ein Disaster, das sehe ich auch so. Mittlerweile verkneifen sich auch Lehrer bereits den Gang zur Toilette, da diese auch nicht mehr anders aussehen, als die Schülertoiletten. Allerdings ist das ein Problem der Kommunen, die m² Zahlen für Putzfrauen bestimmen, die vll. in einem Büro mit erwachsenen Menschen so gerade funktionieren könnten und die sämtliche Putzdienstleistungen outsourcen damit es billiger wird (wovon dann aber mehr Personen als vorher ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, was deshalb überhaupt nicht funktionieren kann).
Ich würde gerne mal den Bürgermeister sehen, der sich diese Zustände in seinem Büro gefallen lassen würde!

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Heinz

@ Heinz: Auf meine Frage, wie das alles finanziert werden soll, wurden die sprudelnden Steuereinnahmen verwiesen. Deshalb verweise ich auch immer wieder mal darauf. Hier sind einige sehr gut darin, dass Geld der anderen für sich ausgeben zu lassen.

Sprudelnde Steuereinnahmen, um höhere Gehälter zu finanzieren, aber kein Geld für Handtücher und Toilettenpapier.

(dazu siehe auch meinen Kommentar unten)

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor

Man fragt sich schon, inwieweit Euro, EU und Globalisierung den gesellschaftlichen Wohlstand heben, wenn man nicht mal genug Seife für die Schülerklos anschaffen kann. Wie machen die Schüler das eigentlich in der Ganztagsschule? Von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags nicht mehr pinkeln? Für das Mehr an Unterricht und den Bau von Mensen ist dann komischerweise wieder das Geld da.

Stobbart
5 Jahre zuvor

Die Überschrift legt ja nahe, dass es ein finanzielles Problem sei, im Text fehlt aber die Erklärung dazu. Der Text legt eher nahe, dass es ein Problem mit Vandalismus ist.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Stobbart

Es ist wahrscheinlich beides. Nicht umsonst sind die öffentlichen Toiletten in Supermärkten dauerhaft mit Reinigungspersonal besetzt. Dieses wird zwar miserabel bezahlt, ist aber immerhin vorhanden. Schulträger sind dazu offensichtlich nicht willens.

Stobbart
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Danke. Interessanter Vergleich mit der öffentlichen Toilette. Wenn 80-90 Schüler sich eine Toilette teilen, ist diese wahrscheinlich ähnlich stark beansprucht. Das habe ich in meinem ersten Kommentar gar nicht bedacht

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Stobbart

Zumal es in Schulen Stoßzeiten gibt, nämlich die großen Pausen. Die Frage ist auch, ob eine einzelne Kraft ausreicht, weil es häufig mehr als eine Toilettenanlage pro Schule gibt.

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das Problem sind die Verträge, die die Schulträger mit den Reinigungsfirmen schließen.
Die Toilettenreinigung ist nämlich nur einmal täglich vorgesehen. Dabei werden dann auch die Handtuchspender, Seifenspender und die Toilettenpapierspender aufgefüllt. Selbst ohne Vandalismus sind die Vorräte nach einem halben Tag aufgebraucht.
Ist bei unseren Toiletten für die Lehrkräfte nicht anders. An Langtagen ist ab 14:00 Uhr kein Papier mehr da. Der Spender für Desinfektionsmittel wirdhäufig tagelang nicht nachgefüllt.
Wirhaben schon angeregt, die SuS in den Pausen zur Notdurftverrichtung ins benachbarte Rathaus zu schicken.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

das größere Problem ist das Gesetz, nach dem die Schulträger das günstigste und nicht beste Angebot annehmen müssen. Allerdings würden das die klammen Kommunen auch ohne dieses Gesetz tun. Mit Schulen kann man halt kein Geld verdienen.

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nein im Gesetz steht das wirtschaftlichste Angebot.
Die Komunen können die Reinigung auch mit eigenen Kräften erbringen, vorausgesetzt die Komunen beteiligen sich an der eigenen Ausschreibung. Ansonsten klagen nämlich die üblichen privaten Konkurrenten.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

wirtschaftlich = kostengünstig
Die Kommunen wissen ganz genau, dass sie mit den Preisen der privaten Konkurrenz nicht mithalten können, weswegen sie gleich drauf verzichten. Abgesehen davon haben sie auch nicht das Personal dafür.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Letztlich ist ja auch das eine Folge der mehr-netto-vom-Brutto-Politik, die den Staat zu Einsparungen zwingt, um den Wählerwillen erfüllen zu können (mehr netto vom Brutto). Am Ende, das sagte ich immer, zahlen wir alle an anderer Stelle die Zeche, indem z.B. die billigsten Reinigungsfirmen engagiert werden, die nun auch nicht gerade die beste Arbeit leisten.

(Mal ganz zu schweigen von den Löhnen der dort Beschäftigten. A 13 muss denen wie ein Schlaraffenland vorkommen.)

Heinz
5 Jahre zuvor

Meiner Meinung nach ist der Problem immernoch die weit steigende Bürokratie in unserem Land. Eine Person arbeitet handwerklich oder dienstleistungsmäßig und da hängen dann noch mehrere weitere Jobs dran, die nichts anderes machen als dies zu verwalten! Vollkommener Unsinn, der nur in einer Wirtschaft funktionieren kann, die in Geld schwimmt.

Das Gleiche mit den Putzfrauen und Putzfirmen. Wie kann es sein, dass man an dieser Stelle überhaupt auf die Idee kommt dass sparen etwas bringen könnte? Machen die Menschen heutzutage etwa weniger Dreck als früher? Arbeiten die Putzfrauen etwa besser und schneller als früher?
Früher gab es Putzfrauen, die bei der Kommune angestellt waren, dann ist irgendjemand auf die grandiose Idee gekommen, man könnte Geld sparen, in dem man dies outsourct? Jedem mit wenigen kognitiven Fähigkeiten müsste doch klar sein, dass wenn eine Firma die Putzleistung günstiger anbietet, dass dann viel mehr Köpfe von weniger Geld leben sollen? Die etlichen Verwaltungskräfte der Firmen mussten vorher nicht bezahlt werden, da ist es doch klar, dass die Kommunen damit aktiv Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen fördern, und das Ergebnis am Ende niemals stimmen kann!

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Heinz

Privatisierung, vor allem bei Auslagerung (outsorcing) bisher staatlicher Aufgaben, bedeutet nach meiner Beobachtung eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und vor allem des Gehalts für die Betroffenen. Deshalb sind Privatfirmen anscheinend auch billiger.

Das zu beklagen und zu ignorieren, wie wir selbst daran teilhaben, indem wir jene wählen, die uns mehr netto vom Brutto versprechen, weil sie auf Steuergelder verzichten (Steuersenkungen), halte ich für Augenwischerei.

Auch die Verteilung der Steuergelder zwischen Staat, Land, Kommune ist nicht gottgegeben. Sie könnte auch so geändert werden, dass die Kommunen wieder besser finanziell ausgestattet sind (wenn der Staat entsprechende Einnahmen hat) und es könnten den Privatfirmen Auflagen gemacht werden (Mindestlohn), wenn sie staatliche Aufgaben übernehmen, damit das nicht auf Kosten der Beschäftigten geht, die keine GEW und keinen VBE hinter sich haben.

Hier lehnen sich viele zurück und sagen, das sei ja nicht ihr Problem, wie die Putzfirmen ihre Reinigungskräfte bezahlen. Doch, wir haben alle Anteil daran, dass das so ist, wie es ist. Wir können nur eben nicht alles haben: mehr Gehalt, weniger Steuern, saubere Schulen … und alles nur für uns Lehrer.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Wohin das Geld beispielsweise geht, das anderswo fehlt, sieht man aktuellen Aktienskandal, von dem die Medien heute berichten. Aber Grundlage ist doch in allen Fällen, den großen wie den kleinen, immer die gleiche Gier des Menschen nach Geld, Geld, Geld (heutzutage auch allzu gerne als „Wertschätzung“ verbrämt)!

http://www.eu-infothek.com/steuerraub-wie-europas-staaten-um-55-milliarden-euro-gebracht-wurden/