Das „Meldeportal“ wird zum PR-GAU für die AfD: Immer mehr Lehrer machen sich über die Partei lustig – Tenor: Bloß nicht einschüchtern lassen!

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HAMBURG. Der augenscheinliche Versuch der Hamburger AfD, parteikritische Lehrer mit einem „Meldeportal“ einzuschüchtern, hat genau das Gegenteil bewirkt: Tausende von Lehrerinnen und Lehrern aus ganz Deutschland, so viele sind es mittlerweile offenbar, nutzten das für anonyme Mitteilungen von Schülern und Eltern eingerichtete Kontaktformular, um sich über die AfD lustig zu machen – und zahlreiche Medien, von der „Welt“ bis hin zu RTL, haben einen News4teachers-Bericht darüber aufgegriffen und berichten nun ihrerseits. Abseits des humoristischen Widerstands aus der Lehrerschaft melden sich auch ernste Stimmen zu der AfD-Aktion zu Wort. Tenor: Bloß nicht unterkriegen lassen!

Störfunk: Tausende von Lehrern aus Deutschland haben das sogennante „Informationsportal Neutrale Schulen Hamburg“ der AfD geflutet. Screenshot

„So genial wird die AfD getrollt“ – unter dieser Überschrift listet das Satire-Portal „Der Volksverpetzer“ die „lustigsten Eingaben in das AfD Spitzel-Portal“ auf. So bestellt jemand über das Kontaktformular (mit dem Betreff: „Pizza“): „einmal die 37 ohne Knoblauch und ohne Käse, mit viel scharf“. Ein anderer beschwert sich: „Das Lehren von ARABISCHEN (!!!) Ziffern geht ja gar nicht, ich fordere nur noch keltische Runen, hilfsweise römische Ziffern lehren zu lassen.“ Ein dritter zeigt sich unter dem Betreff „Genderwahn“ vom Chemieunterricht irritiert: „Meine Kinder mussten in der Schule das Periodensystem lernen. Dieses Gendern ist doch unerträglich. Was ist mit den Jungs? Werden die davon ausgeschlossen?“

„Informatiklehrer informierte über Hyperlinks. HyperLINKS!!! DA WERDEN KINDA MIT RADIKALUSIERT!“, so heißt es in einem weiteren Schreiben an die AfD. Ein User namens „Nasenbär“ informiert die Partei: „Mein Kind kam nach dem Kunstunterricht total rotgrün versifft nach Hause. Und die Farbe geht nischt mehr ab!“ Ein weiterer Post nimmt Bezug auf den Vorwurf der AfD, Lehrer würden Schüler indoktrinieren. „Hilfe! In der Schule meiner Kinder wird Bildung vermittelt“, so heißt es darin. „Jetzt durchschaut und erkennt sie plötzlich Hetze und Lügen. Tut was dagegen! Bildung gefährdet Eure Wählerschaft!“

„Grundgesetz verteidigen!“

In der „Zeit“ hat sich derweil Tim Engartner zu Wort gemeldet, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main für Didaktik der Sozialwissenschaften – und Lehrerinnen und Lehrer ermutigt, sich nicht von der AfD einschüchtern zu lassen. Denn die verstehe das „Neutralitätsgebot“ falsch. „Lehrerinnen und Lehrer müssen (..) nicht auf eigene Wertungen politischer Sachverhalte verzichten. Das hat etwa die Bremer Landesregierung unlängst festgestellt, nachdem die AfD dort eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Lehrer eingereicht hatte: ‚Lehrer dürfen Mitteilungen von Parteien kritisch zerpflücken, historisch Parallelen ziehen und sie in einen Kontext stellen‘“, so schreibt er in einem Gastbeitrag in der „Zeit“. Die Haltung der AfD in der Migrationsfrage beispielsweise könnten Lehrerinnen und Lehrer ablehnen, wenn ihre Sichtweise im Klassenzimmer nicht absolut gesetzt werde, sondern andere Wertungen zugelassen seien.

Engartner: „Es besteht also kein Grund, dass Lehrerinnen und Lehrer sich einschüchtern lassen. Die überwältigende Mehrheit ist sogar durch den Beamtenstatus geschützt. Gemäß Amtseid sind Beamte verpflichtet, das Grundgesetz nicht nur zu achten, sondern auch zu verteidigen. Sie sollen grundgesetzwidrige und demokratiegefährdende Entwicklungen erkennen und dürfen diese auch im Klassenzimmer benennen.“ Wenn AfD-Politiker den Mord an sechs Millionen Juden und 50 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg relativierten (wie AfD-Chef Gauland mit seinem „Vogelschiss“-Vergleich), dürften Lehrkräfte das nicht nur im Unterricht kommentieren – sie müssten es sogar tun, „um der ahistorischen Relativierung oder möglicherweise gar der strafrechtlich relevanten Leugnung des Holocaust zu begegnen“. Der Didaktiker betont: „Damit machen sie sich nicht der Indoktrination schuldig, sondern verteidigen demokratische Werte.“ News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Gastbeitrag Engarters in der „Zeit“.

GEW und DGB sagen betroffenen Lehrern Unterstützung zu

HANNOVER. Die niedersächsische GEW und der DGB haben empört auf den Plan der niedersächsischen AfD reagiert, dass Schüler ihr anonym parteikritische Lehrer über eine Internetplattform melden sollen – nach dem Vorbild der Hamburger AfD, die bereits ein solches Portal eingerichtet hat (News4teachers berichtete). „Wir verurteilen das scharf und fordern den vollständigen Verzicht auf diese Online-Hetze“, verlangten Laura Pooth (GEW-Landesvorsitzende) und Mehrdad Payandeh (DGB-Vorsitzender in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt). Die Pläne für eine Denunzianten-Homepage gegen niedersächsische Lehrkräfte dürften nicht in die Tat umgesetzt werden. Dies instrumentalisiere Schülerinnen und Schüler für parteipolitische Ziele.

„Gerade eine Partei, deren Jugendorganisation in Niedersachsen ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist, kann sich keinesfalls als Wächterin der politischen Neutralität aufspielen“, kritisierte Payandeh. Keine Berufsgruppe dürfe von der AfD oder anderer Seite verleumdet werden. Damit würde die Gesellschaft weiter gespalten. „Wer in der Politik diskriminierende, rassistische oder demokratiefeindliche Positionen vertritt, hat damit zu rechnen, dass Lehrkräfte dies im Unterricht aufarbeiten. Dabei ist es die Aufgabe, kritisches Denken zu lehren und nicht zu unterdrücken“, betonte Pooth. DGB und GEW stünden solidarisch an der Seite der Schulbeschäftigten und sicherten ihre Unterstützung in möglichen Auseinandersetzungen zu, sagten Pooth und Payandeh abschließend.

Das Thema wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

„Lehrer denken sozialistisch“: AfD will die Schulen auf Parteilinie bringen – und erhöht dafür den Druck („Auge um Auge“)

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1 Kommentar
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Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor

Gut wäre hier ein Link , um direkt auf das AfD-Portal zu gelangen um diverse Meldungen abzusetzen.