High Noon für den Digitalpakt: Ministerpräsidenten ringen um Einigkeit – Kretschmann pocht auf Länderhoheit bei den Schulen

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HAMBURG. Stunde der Entscheidung: Der Bund will den Kommunen in den kommenden fünf Jahren fünf Milliarden Euro zur Anbindung der Schulen ans Internet zur Verfügung stellen. Einige Länder – allen voran: Baden-Württemberg – sehen sich dadurch in ihrer Bildungshoheit beschnitten. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz prallen nun die Positionen aufeinander. In den nächsten Stunden entscheidet sich, ob der sogenannte Digitalpakt nach zwei Jahren Wartezeit endlich kommt – oder ob die Bildung vorerst weiter in der Kreidezeit verharrt.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz prallen die Positionen aufeinander. Foto: Shutterstock

Die Geschichte des sogenannten Digitalpakts ist ein zunehmendes Ärgernis. Er wurde bereits vor zwei Jahren von der damaligen Bundesbildungsministerin Johanna Wanka angekündigt. Dann allerdings stellte sich heraus, dass die Mittel dafür gar nicht im Bundeshaushalt bereitgestellt worden waren. Vor der Bundestagswahl hieß es, die neue Bundesregierung werde dafür sorgen. Nach der Wahl wurde plötzlich eine Grundgesetzänderung zur Bedingung gemacht. Seitdem herrscht in den Schulen bei der Digitalisierung praktisch Stillstand, weil viele Länder und Kommunen auf das Geld vom Bund warten – und eigene Investitionen erst einmal zurückgestellt haben.

Jetzt kommt es zum Showdown zwischen Befürwortern und Gegnern einer Grundgesetzänderung. Die Regierungschefs der Länder ringen um eine geschlossene Haltung gegenüber dem Bund bei der Umsetzung des neuen Digitalpakts Schule. Zum Auftakt der Ministerpräsidentenkonferenz in Hamburg zeigte sich Gastgeber Peter Tschentscher (SPD) optimistisch. Er sei sicher, dass es eine vernünftige Erörterung geben werde. «Und ich bin fast sicher, dass wir auch gemeinsame Positionen entwickeln.» Der Bund will von 2019 an für fünf Jahre mit insgesamt fünf Milliarden Euro die Anbindung der Schulen ans Internet und Online-Unterrichtsmethoden finanzieren. Mehrere Länder sehen dadurch allerdings ihre Hoheit in der Bildungspolitik bedroht.

Den Ministerpräsidenten liegt ein Papier Baden-Württembergs, Nordrhein-Westfalens und Sachsens vor, in dem ein höherer Anteil der Länder am Steueraufkommen gefordert wird – je nach Zuständigkeit. Die Länder sollten dadurch in die Lage versetzt werden, Maßnahmen in ihrer Verantwortung auch selbst zu finanzieren und nicht mehr über zeitlich befristete Programmmittel, die sie zunehmend abhängig vom Bund machten, so die Argumentation.

Für die Umsetzung des Digitalpakts ist eine Grundgesetzänderung nötig, der Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen müssen. Über einen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) eingebrachten Gesetzentwurf wird derzeit beraten.

Vor allem die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg stemmt sich gegen die Grundgesetzänderung bei der Bildungsfinanzierung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte unlängst vor Kompetenzverlusten der Länder zugunsten des Bundes. Unstrittig sei zwar, dass die Länder mehr Geld bräuchten. Das könne man aber auch über die Steuerverteilung ausverhandeln. Hingegen seien zeitlich befristete Programmmittel des Bundes «süßes Gift», mit dem der Bundeseinfluss auf Länder und Kommunen in einem beispiellosen Umfang ausgeweitet werden solle, kritisierte der Grünen-Politiker (News4teachers berichtete).

„Hoffe, dass wir uns zusammenraufen“

Zwar gebe es in Deutschland eine strenge Trennung zwischen den Zuständigkeiten von Bund und Ländern, sagte jetzt Tschentscher. «Aber wir leben ja in einer praktischen Welt. Wir müssen ja die Probleme insgesamt lösen in Deutschland. Und dazu gehört dann eben, dass der Bund auch manchmal hilft und auch finanziell unterstützt bei der einen oder anderen Maßnahme.»

Ähnlich äußerte sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). «Ich hoffe, dass da nicht Eitelkeiten im Vordergrund stehen, sondern dass wir uns wirklich zusammenraufen können und erkennen, dass es hier darum geht, ein großes und gutes Bildungsangebot zu machen für die Zukunft», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin». «Und da müssen Bund und Länder an einem Strang ziehen.»

Es gehe darum, für solche Maßnahmen des Bundes die rechtlichen Voraussetzungen im Grundgesetz zu schaffen, sagte Tschentscher. «Wenn es diese finanzielle Unterstützung des Bundes geben soll, muss es auch einen klaren rechtlichen Rahmen geben.»

Bayern und Hessen waren in Hamburg nicht durch ihre Regierungschefs vertreten. Bayerns Kultusminister Bernd Sibler (CSU) sagte auf Anfrage, die vorgesehene Anpassung des bestehenden Grundgesetzartikels zu Investitionen des Bundes in die kommunale Bildungsinfrastruktur schließe lediglich eine Gerechtigkeitslücke. «Bei inhaltlichen Fragen in der Bildung bleibt es dabei: Der Bund hat sich nicht einzumischen.» News4teachers / mit Material der dpa

Auch auf der Facebook-Seite von News4teachers wird das Thema diskutiert.

Der Bildungs-“Digitalpakt” wird zur Posse: Warum entwickeln Bund und Länder gleichzeitig fast identische – teure! – Schul-Plattformen?

 

 

 

 

 

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2 Kommentare
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Palim
5 Jahre zuvor

Gab es alles schon: Vor zig Jahren konnte über das Konjunkturpaket digitale Ausstattung in den Schulen verbessert werden.
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/19773/konjunkturpaket

sofawolf
5 Jahre zuvor

… und was bedeutet nun wieder „high noon“?