Experte: Kostenloses Kita-Jahr hilft sozial Schwachen nicht

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ERFURT. In Thüringen ist das letzte Kita-Jahr kostenlos, ein weiteres könnte nach Vorstellungen von Rot-Rot-Grün bald folgen. Doch am Nutzen der Beitragsfreiheit für Kinder aus sozial schwachen Familien hat der Erfurter Sozialforscher Marcel Helbing Zweifel.

Ein weiteres kostenloses Kita-Jahr hätte nach Ansicht des Erfurter Sozialforschers Marcel Helbig keinen Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern aus sozial schwachen Familien. «Mit dem kostenlosen Kita-Jahr wird vor allem höheren Schichten Geld erlassen», sagt der Professor für Bildung und soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt. Je nach Kommune müssten Eltern aus sozial schwachen Schichten auch bisher wenig bis gar keine Kita-Beiträge zahlen, erklärte Helbig. Der Wissenschaftler kritisierte, dass in Thüringen ausgerechnet das letzte Kita-Jahr für die Eltern kostenlos ist.

Das letzte Kita-Jahr beitragsfrei zu stellen bringt nach Ansicht Marcel Helbigs vor allem besser gestellten Familien Vorteile. Foto: Peter Dowley / flickr (CC BY 2.0)
Das letzte Kita-Jahr beitragsfrei zu stellen bringt nach Ansicht Marcel Helbigs vor allem besser gestellten Familien Vorteile. Foto: Peter Dowley / flickr (CC BY 2.0)

«Studien zeigen, dass die Bildungschancen von Kindern aus unteren sozialen Schichten steigen, wenn diese schon früh eine Kita besuchen – ab dem Alter von einem oder zwei Jahren», sagte Helbig. Ihm sei dagegen keine einzige Studie bekannt, die Effekte des letzten Kita-Jahres vor der Schule auf den Bildungserfolg von Kindern nachgewiesen hätte. In der Vergangenheit hatten die Autoren mehrerer Studien auf den positiven Einfluss der frühkindlichen Bildung auf Kinder sozial schwacher Familien hingewiesen – etwa in einer aktuellen OECD-Studie oder in einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland von 2016.

Seit diesem Jahr ist im Freistaat das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung kostenlos. Die rot-rot-grüne Landesregierung erwägt zudem, ein weiteres gebührenfreies Jahr einzuführen. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hatte vorgeschlagen, dafür Geld vom Bund zu verwenden, das über das geplante Gute-Kita-Gesetz nach Thüringen fließen soll.

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Die CDU will sich dagegen für kostenloses Essen in den Kita-Einrichtungen einsetzen, wie CDU-Landeschef Mike Mohring bei einem Landesparteitag im Oktober angekündigt hatte. «Tatsächlich ist es schwierig für jemanden, der von Transferleistungen lebt, die Kosten für das Kita-Essen zu stemmen», sagte Helbig. Ob die Kosten für das Essen aber Eltern daran hinderten, ihre Kinder in eine Kita zu schicken, bleibe ungeklärt.

Laut Helbig seien es gerade die Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Schichten, die oft keine Kita besuchten. «Das sind zugleich diejenigen Kinder, die am stärksten von der Kita profitieren würden», erläuterte der Forscher. Auch für Kinder mit Migrationshintergrund könne ein Kita-Besuch positive Effekte haben – etwa wenn im Elternhaus kein oder kaum Deutsch gesprochen werde.

Als gänzlich kontraproduktiv nannte Helbig finanzielle Anreize, Kinder zuhause zu erziehen. Als Beispiel nannte er die Einführung eines Erziehungsgeldes in Thüringen unter der CDU-geführten Regierung von Dieter Althaus im Jahr 2006. «Dazu gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass sich alle Befürchtungen bewahrheiteten», sagte Helbig. So hätten beispielsweise Eltern ihre Kinder von der Kita abgemeldet, um das Erziehungsgeld zu bekommen. (dpa)

Vorurteil widerlegt: Geld vom Staat kommt bei Kindern in armen Familien tatsächlich an

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2 Kommentare
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Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Kostenlose Kindergärten finde ich richtig.

Die Frage ist natürlich, was wichtiger ist, den Eltern die Kindergartenbeiträge zu erlassen oder erstmal die Kindergärten personell und materiell besser auszustatten und vor allem genügend Kindergärten zu bauen. Insofern finde ich, hier wurde mal wieder der 2. Schritt vor dem 1. gemacht.

Pälzer
5 Jahre zuvor

In der KiTa, wo meine Frau das Essen organisierte, kostet das Mittagessen für sozial Schwache 1 Euro pro Tag. Es gab Kinder, die zwar mit süßen Teilchen zum Frühstück kriegten, wo aber die Mutter (Vater nicht anwesend) die monatlichen 30€ fürs Mittagessen nicht überwies. Es geht keineswegs um Geld. Es geht um Lebensfähigkeit.