Kultusministerin Eisenmann: Fordert sie Ministerpräsident Kretschmann heraus?

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STUTTGART. Als Landesparteichef gilt Thomas Strobl als natürlicher Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg. Doch der Innenminister steht unter Beschuss wie selten zuvor. Und es gibt eine Alternative – Kultusministerin Susanne Eisenmann.

Sorgt für Empörung unter Grundschullehrkräften: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
Vertritt ihre Positionen selbstbewusst: Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

Thomas Strobl schmunzelt zwar, aber es ist ein ein gequältes Schmunzeln an diesem Donnerstagmorgen im Landtag. Er hockt auf der Regierungsbank. Der erste Tagesordnungspunkt: er selbst. Unter dem Titel «Pleiten, Pech und Pannen» schießt sich die SPD auf ihn ein. Anlass ist die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung in Freiburg und die Frage nach Fehlern der Polizei. Denn gegen den mutmaßlichen Haupttäter lag ein offener Haftbefehl vor.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch holt dann auch gleich zum Rundumschlag aus. Einmal mehr müsse man sich mit Fehlleistungen des Ministers beschäftigen, kritisiert Stoch. Freiburg sei nur die Spitze des Eisbergs. Strobl sei nach zweieinhalb Jahren immer noch nicht im Amt angekommen. «Ein Innenminister, der keine Ahnung hat, ist diesem Land keine Hilfe.» Die Opposition wirft ihm auch das Desaster um die Bildungsplattform Ella vor und Mängel bei der Polizeireform.

Strobl komplettiert sein gequältes Schmunzeln mit leichtem Kopfschütteln. So wirklich Spaß kann ihm sein Job gerade nicht machen. Was musste er sich in den vergangenen Tagen alles anhören wegen Freiburg. Dass er überfordert sei. Dass er Pannen vertuscht habe. Dass er zu wenig getan habe. Dass er zu viel getan habe. Dass er selbst ein Sicherheitsrisiko für das Land sei.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke schob ihm persönlich sogar die Verantwortung für die grausige Vergewaltigung zu. Das ist dann eine Nummer zu krass für Strobl. Am Rednerpult vergeht ihm das Schmunzeln. «Das ist schlichtweg schäbig», ruft er Rülke zu.

Als Stoch den Minister als ahnungslos darstellt, erntet er aus der CDU-Fraktion wenig Widerspruch. Fraktionschef Wolfgang Reinhart brütet in der ersten Reihe über seinen Akten, er blättert und schreibt. Später wird Reinhart zwar selbst ans Pult schreiten und Strobl beispringen. Der Innenminister habe viel für die Sicherheit getan. «Er hat dafür unsere volle Unterstützung», sagt er. Dennoch ist allen klar: Das Tischtuch zwischen den beiden ist nach den heftigen Grabenkämpfen etwa ums Landtagswahlrecht zerrissen.

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Rechts neben Strobl sitzt Eisenmann

Der Druck auf Strobl ist gerade so hoch wie selten zuvor. Jede neue Anschuldigung wirft die Frage auf, ob er als Spitzenkandidat seiner Partei in den Landtagswahlkampf 2021 ziehen kann – und überhaupt will. Links neben ihm auf der Regierungsbank sitzt an diesem Donnerstag Winfried Kretschmann, der beliebte Grünen-Realo, der einen CDU-Sieg sehr schwer machen dürfte, falls er selbst noch einmal antritt. Und rechts neben Strobl sitzt dann Susanne Eisenmann.

Der CDU-Kultusministerin wird schon lange nachgesagt, mit der Spitzenkandidatur ihrer Partei zu liebäugeln, weil die Unzufriedenheit in Teilen der Partei mit Strobl so groß ist. Nun wirbt sie den Ersten Bürgermeister von Stuttgart, Michael Föll (CDU), ab und macht ihn zum Amtschef in ihrem Haus. Dies wird als Zeichen dafür gewertet, dass Eisenmann nicht als Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart im Jahr 2020 antreten will, sondern sich die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl offenhält.

«Wenn ich bei der CDU wäre und noch was vorhätte…so würd ich’s machen», kommentierte Grünen-Landeschefin Sandra Detzer die Personalie via Twitter. Eisenmann selbst versucht, den Ball flach zu halten. Sie sagt den «Stuttgarter Nachrichten» (Freitag): «Man sollte die Entscheidung jetzt wirklich nicht in die eine oder andere Richtung überbewerten, was irgendwelche Kandidaturen angeht.»

Föll ist seit 2004 Finanzbürgermeister in Stuttgart – Eisenmann kennt ihn aus der Zeit, als sie elf Jahre lang Schulbürgermeisterin in der Stadt war. Von dem 53 Jahre alten Föll hieß es, wenn er überhaupt aus dem Rathaus weggehe, dann, um einen Spitzenposten in der Wirtschaft anzunehmen. Dass Eisenmann ihn nun für sich gewinnen konnte, gilt als schlauer Coup. Mit Föll hat Eisenmann künftig einen Amtschef, der ihr den Rücken freihält und Zug in die Kultusverwaltung reinbringt. Der Reformdruck ist groß angesichts des schlechten Abschneidens baden-württembergischer Schüler in bundesweiten Vergleichsstudien.

Eisenmann gibt sich burschikos und entschieden. Manche Vertreter im Schulwesen fühlen sich von ihr verbal vor den Kopf gestoßen – in Teilen der baden-württembergischen CDU kommt ihr Auftreten aber gut an. Sie gilt als durchsetzungsstark – gerade auch im Gegensatz zu Strobl. Die Partei sehnt sich jedenfalls danach, 2021 endlich selbst wieder den Regierungschef stellen zu dürfen – nach dann zehn langen Jahren in der Opposition und als Juniorpartner unter den Grünen.

Die große Frage bleibt aber, ob sie Strobl auf offener Bühne die Spitzenkandidatur streitig machen würde – die beiden gelten nicht nur politisch, sondern auch persönlich als befreundet – oder ob Strobl bereit wäre, aus freien Stücken auf die Kandidatur zu verzichten. Von Nico Pointner und Bettina Grachtrup, dpa

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Cavalieri
5 Jahre zuvor

Ob das was mit Bildungspolitik zu tun hat, wenn die Kultusministerin sich mit anderen aus ihrer Partei streitet, um ehrgeizig noch eine Stufe höherzu kommen?