NRW-Schüler bekommen mehr Unterricht zum Thema Wirtschaft. GEW lehnt die Pläne ab – und fordert mehr politische Bildung

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DÜSSELDORF. In Nordrhein-Westfalen wird das Fach Wirtschaft an allen weiterführenden Schulen verankert. Schon zum kommenden Schuljahr 2019/20 werde an den Gymnasien im Zuge der Umstellung auf G9 ein neues Fach „Wirtschaft-Politik“ etabliert, teilte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Montag in Düsseldorf mit. An Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen werde das neue Fach zum Schuljahr 2020/21 eingeführt oder gestärkt. Die GEW lehnt die Pläne ab.

Wie wichtig ist es, Schülern Wirtschaftskenntnisse zu vermitteln? Foto: Shutterstock

Die Schüler sollten «bestmöglich auf ihre Zukunft und den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet» werden, sagte Gebauer. «Hierzu sind Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge unverzichtbar.» Mit dem Schulfach Wirtschaft setzt die schwarz-gelbe Landesregierung ein Projekt aus dem Koalitionsvertrag um.

An Gymnasien kommen in der Sekundarstufe I mehr Wochenstunden in der Fächergruppe Erdkunde, Geschichte und Wirtschaft-Politik hinzu. An Realschulen soll das neue Fach Wirtschaft zu Geschichte, Erdkunde und Politik dazukommen. Auch hier wird der Stundenumfang erhöht. An den Hauptschulen wird der Bereich Arbeitslehre mit den Fächern Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft zum neuen Lernbereich Wirtschaft und Arbeitswelt weiterentwickelt.

„Kontraproduktiv“

Die GEW erteilt den Plänen von Schulministerin Yvonne Gebauer eine Absage und lehnt die Einführung eines Faches Wirtschaft beziehungsweise „Wirtschaft/Politik ab“. In Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus sei vielmehr eine Stärkung der Demokratiebildung mit Hilfe eines fundierten Politikunterrichts, der von dafür ausgebildeten Lehrkräften erteilt werde, erforderlich.

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„Insbesondere die Pläne, die Anteile an ökonomischer Bildung aus den anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fächern auszugliedern und in das neue Fach zu überführen, sind kontraproduktiv. Es muss darum gehen, den Schülerinnen und Schülern wirtschaftliche Themen im Zusammenhang und aus verschiedenen Perspektiven zu vermitteln. Daher ist es nicht sinnvoll, sie auf ein eigenes Fach zu konzentrieren“, erklärt die GEW-Landesvorsitzende, Dorothea Schäfer. Wirtschaftsbezogene Themen fänden sich bereits ausreichend in den Lehrplänen der Fächer Politik und Sozialwissenschaften beziehungsweise Arbeitslehre.

Einer aktuellen Studie zufolge verbringen Schüler an Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen nur ein Prozent ihrer Lernzeit mit politischen Themen und haben durchschnittlich nur 20 Sekunden pro Woche Zeit und Gelegenheit, ihre politische Meinung zu äußern beziehungsweise zu diskutieren (News4teachers berichtete). Schon jetzt, so weist die Studie aus, ist der Anteil an wirtschaftlichen Themen deutlich größer als der Anteil an politischen Themen.

Die GEW-Landesvorsitzende spricht sich deshalb vehement für eine Stärkung der politischen Bildung an den Schulen aus. „Angesichts dieser Zahlen und aktueller besorgniserregender Befunde zum Thema Demokratiebildung an unseren Schulen brauchen wir dringend eine Stärkung der politischen Bildung. Gerade in Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus ist ein fundierter Politikunterricht nötiger denn je. Dies bedeutet auch, dass es eine Stärkung der Ausbildung der Politiklehrkräfte braucht, denn Politik ist eines der Fächer, die am häufigsten fachfremd unterrichtet werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

Stimmen

Brigitte Balbach, Vorsitzende des Verbands „lehrer nrw“ zeigt sich erfreut angesichts der Initiative aus Düsseldorf. .„Mit ihrer heutigen Ankündigung, ab 2019 an den Gymnasien und ab 2020 an den übrigen Schulformen der Sekundarstufe I mit dem Fach zu starten, lässt Schulministerin Yvonne Gebauer ihren Worten nun Taten folgen. lehrer nrw fordert das Fach Wirtschaft schon seit Jahren. Unser Verband war sowohl in der konzeptionellen Vorbereitung als auch in der praktischen Durchführung eine treibende Kraft beim 2010 gestarteten, sehr erfolgreichen Modellversuch ‘Wirtschaft an Realschulen‘“, sagt Balbach.

Der VBE ist zurückhaltender in der Bewertung des Vorstoßes. „Wirtschaftliches Wissen ist bereits jetzt als Querschnittsaufgabe Teil der schulischen Bildung“, erklärt Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE. „Wirtschaftliches Wissen und Verständnis sind unerlässlich für die Vorbereitung von Jugendlichen auf das Leben. Der Zeitplan der Landesregierung ist ambitioniert. Wichtiger als jede Ankündigung eines neuen Faches ist die Frage der Umsetzung in der schulischen Realität. Deswegen werden wir die Erarbeitung der neuen Kernlernpläne und die Anpassungen in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte konstruktiv und kritisch begleiten.“

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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2 Kommentare
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Palim
5 Jahre zuvor

Haben die Schüler dann tatsächlich mehr Unterricht oder wird etwas anderes gestrichen?

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor

Mehr Wirtschaftsunterricht sowohl im BWL-, als auch im VWL-Bereich ist sinnvoll, damit die Menschen später bei Referenden über die Fortführung des Euro und der Mitgliedschaft in der EU informierter abstimmen können.

Politische Bildung ist ebenfalls wichtig, so im Rahmen des Geschichtsunterrichts und eines eigenen Fachs.
Man könnte ja vier Jahre Wirtschaft und drei Jahre Politik als jeweils eigenes Fach unterrichten und dazu noch etwas Politikinhalte im Geschichtsunterricht bringen.