Mit höheren Gehältern gegen den Lehrermangel? Tullner: Die Debatte führe ich nicht – noch nicht

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MAGDEBURG. In Ostdeutschland ist der Lehrermangel besonders groß – und Sachsen-Anhalt braucht auch 2019 mindestens 730 neue Lehrer, um Abgänge und gestiegene Schülerzahlen auszugleichen. Zuletzt blieben Referendariatsplätze frei, die Unterrichtsversorgung sackte im Vergleich zum letzten Schuljahr ab. Trotzdem sieht Bildungsminister Marco Tullner (CDU) noch keine Notwendigkeit, über eine bessere Bezahlung von Lehrkräften nachzudenken. Allerdings: Die Nachbarn Sachsen und Thüringen locken bereits mit verbesserten Konditionen.

„Ich verfalle nicht in hektische Angstzustände“: Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner. Foto: Steffen Prößdorf / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Nicht nur in Sachsen-Anhalt sind Lehrer Mangelware, auch die Nachbarn suchen Nachwuchs – und locken jetzt mit mehr Geld. Sachsen steigt in die Verbeamtung ein. Müssen Sie jetzt auch aufrüsten?

Tullner: Ich schaue mir das aufmerksam an. Aber wir setzen in Sachsen-Anhalt den Standard, zu dem die Nachbarländer jetzt aufschließen wollen. Deswegen verfalle ich nicht in hektische Angstzustände. Ja, Lehrer sind gefragt, aber wir dürfen da jetzt auch nicht in eine Dramatisierungsspirale verfallen und in die Falle der selbsterfüllenden Prophezeiung tappen. Im Osten wird der Mangel noch eine Weile anhalten, Hamburg hingegen ist schon jetzt so attraktiv, dass es kaum Probleme hat. Da müssen wir auch hin.

Thüringen will Regelschullehrern so viel bezahlen wie den Kollegen an den Gymnasien, Sachsen will Pädagogen aller Schulformen gleich bezahlen. Wird Sachsen-Anhalt dem Beispiel folgen?

Tullner: Diese Debatte ist eine, die ich noch nicht führe. Wenn wir merken, dass im Süden Sachsen-Anhalts alle nach Sachsen oder Thüringen abwandern, dann müssen wir die Lage neu bewerten. Im Moment ist es mir wichtiger, die Schulsozialarbeit zu sichern. Derzeit wird der Einsatz überwiegend mit EU-Mitteln finanziert, die Mitte 2020 auslaufen. Wir reden von 28 Millionen Euro pro Jahr, Stand jetzt. Für die Zukunft geht es um unbefristete Stellen und ein neues Konzept. Beim bisherigen EU-Programm konnten sich die Schulträger bewerben und für gute Ideen gab es Personal. Viele Grundschulen haben einen Sozialarbeiter, viele Sekundarschulen gingen trotz Bedarfs leer aus.

Aber bei schwer besetzbaren Stellen haben Sie zuletzt auf bessere Bezahlung gesetzt – hat das funktioniert?

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Tullner: Die Zulagen haben sich bewährt. In zwei Ausschreibungswellen gab es 80 solcher Stellen. Knapp die Hälfte davon konnten wir besetzen, obwohl uns das bei vorherigen Versuchen nicht gelungen ist. Ich denke, das lässt die These zu, von einem funktionierenden Anreiz zu sprechen. Ich freue mich, dass es dank der Anstrengungen von Bildungsstaatssekretärin Eva Feußner künftig auch möglich ist, die Zulage nicht nur für Angestellte zu bezahlen – sondern auch für Beamte. Anreize zu setzen ist das A und O. Ohne sie lässt sich kaum noch etwas steuern.

Doch Experten sagen voraus, dass gerade auf dem flachen Land Lehrer schwer zu verpflichten sind. Auch ein Fall für Anreize?

Tullner: Wir sollten die regionalen Bemühungen auf jeden Fall ausbauen. Das zeigt der Erfolg der Gardelehrer, einem Stipendienprogramm, das die Bürgermeisterin von Gardelegen, Mandy Zepig, aufgelegt hat. Im nächsten Jahr wollen wir mit Studenten sogenannte Landpartien veranstalten und dabei besonders den Raum Wittenberg und Mansfeld-Südharz in den Blick nehmen. Mit dieser Idee, einen Ausflug zu machen und einige Schulen direkt kennenzulernen, kamen auch die Gardelehrer ins Rollen. Und wer weiß, andere Kommunen entwickeln sicherlich auch gute Konzepte. Wichtig war, dass wir die Kapazitäten an den Hochschulen hochgefahren haben und mehr Referendare ausbilden. Nur dann kann man auch über das Verteilen nachdenken.

Aber gerade erst mussten Sie einräumen, dass nicht alle der zusätzlichen Referendariatsplätze besetzt werden konnten. 2019 soll es mit 940 Plätzen noch einmal mehr geben – werden die voll?

Tullner: Es ist eine lange vorgetragene Forderung, dass wir den Flaschenhals wegbekommen. Bisher gab es weniger Plätze als es Absolventen an den Unis gab. Jetzt können wir jedem, der in Sachsen-Anhalt ausgebildet wird, auch einen Referendariatsplatz garantieren. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Aufregung um die freigebliebenen Plätze nicht so ganz. Franziska Höhnl, dpa, führte das Interview.

Zur Person

Marco Tullner ist seit Frühjahr 2016 Bildungsminister in Sachsen-Anhalt. Der 50-Jährige ist bereits seit 1991 in der CDU, sitzt für die Union seit 2002 im Landtag – mit Unterbrechung: In der vorherigen Wahlperiode tauschte er den Parlamentarierstuhl gegen den Posten als Staatssekretär im Wissenschaftsministerium. Als Minister kann der Hallenser wieder gleichzeitig Abgeordneter sein. Im November dieses Jahres wurde er zudem erstmals zum Landes-Parteivize gewählt.

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Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor

Man sollte lieber über ein bezahlten duales Studium mehr Schulabgänger für den Lehrerberuf begeistern. Ein mindestens fünfjähriges Studium, das faktisch oft noch länger dauert, kann sich nicht jeder leisten, gerade Schüler aus einkommensschwachen Familien ohne BAFÖGberechtigung nicht.

dickebank
5 Jahre zuvor

Ein Duales Studium endet aber in der Regel mit dem Bachelor-Grad. Es muss also die Möglichkeit, berufsbegleitend den Master-Studiengang absolvieren zu können, geschaffen werden.

Aber erläutern Sie bitte, warum das bei Lehrkräften zwingend, bei Juristen, BWLern, Medizinern und anderen Fakultäten nicht zwingend sein sollte.

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Ich mag, wenn der Krokodilsstreichler Dinge infrage stellt. Es bringt einen ja mindestens zum Nachdenken darüber. Warum muss etwas so sein, wie es ist, nur weil es immer so war? dickebank verweist dann gerne darauf, dass etwas im Grundgesetz so stehe. Nun ja, was nicht passt, wird passend gemacht, wie wir an verschiedenen Stellen erleben können.

Der Krokodilstreichler muss jung sein. 🙂 Dann hat man noch viele alternative Ideen und will die Welt verändern. Schön! Auch wenn die ganze Idee oft nicht durchkommt, weil zu viele anders denken, bleibt doch das eine oder andere Detail und wird Wirklichkeit. Es ist nur oft so, lieber Krokodilstreichler, eine Veränderung an der einen Stelle zieht hundert (notwendige) Veränderungen an anderen Stellen nach sich und die meisten Menschen befürworten nicht unbedingt, was gut und sinnvoll wäre, sondern was ihnen persönlich einen Vorteil bringt oder wenigstens keinen Nachteil. Daran scheitern letztlich alle großen Ideen.

Kein Lehrer wird deshalb Ihre Vorstellungen nach A 9 / E 9 für Lehrer unterstützen. Jemandem etwas wegnehmen ist immer tausend mal komplizierter als jemandem etwas gar nicht erst zu geben (A 13 für alle).

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Viele Menschen nehmen den Vorteil, den sie bekommen können, gerne an. Die Zeit, in der sie dankbar sind, ist sehr kurz. Bald rufen sie nach neuen Verbesserungen, die notwendig wären und die sie gerne hätten.

Wer denkt heute noch daran, dass Schule und Ausbildung kostenlos sind?! In der Regel müssen wir nicht dafür bezahlen. Das war man ein großer Schritt zu mehr Gerechtigkeit, damit Schulbildung und Berufswahl nicht vom Einkommen der Eltern abhängig sind. Nun ist das lange schon eine Selbstverständlichkeit. Keiner denkt mehr darüber nach, dass uns das nicht kostet und wer das denn stattdessen bezahlt?

Jetzt kommt der neue Ruf, Schule und Ausbildung (i.d.F. Studium) sollen nicht nur kostenlos sein; der Student (bald auch der Schüler?) soll eine Vergütung erhalten. Wenn sie dann da ist, wird sie bald als zu gering kritisiert werden … Woher das Geld dafür kommen soll, darüber macht sich wieder keiner Gedanken. Ich verweise dann mal wieder selbst auf die sprudelnden Steuereinnahmen, die schon für so vieles herhalten müssen. (Und wenn sie mal nicht mehr sprudeln?)

Und gleichzeitig jammern alle über zu hohe Steuern.

Was meinen Sie, Krokodilstreichler, Steuern rauf, damit das alles finanziert werden kann? Irgendwo schlug dickebank letztens vor, das Grenzen der Besteuerung verändern werden sollen (Einkommenssteuersatz???). Ok, finde ich prinzipiell auch, aber das Denkprinzip dahinter gefällt mir nicht: Alles Gute und Schöne für mich – bezahlen sollen es aber die anderen.

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Ich sehe im Fernsehen Berichte von LKW-Fahrern, die für 3 Euro die Stunde arbeiten und ich lese hier, wie Grundschullehrer jammern, dass sie schlecht bezahlt werden und von ihrem Gehalt (um die 4500,- Euro brutto) nicht leben können.

Ich mag diesen Branchenegoismus nicht und dann reden andere von „Teile und Herrsche“, weil Lehrer unterschiedlicher Schularten unterschiedlich verdienen, aber die 3-Euro-LKW-Fahrer, das kümmert sie nicht.

Doch, alles hängt mit allem zusammen. Du bist nur reich, weil andere dafür arm sind!

timo
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Sie sagen viel Wahres über Undankbarkeit und ständig steigende Ansprüche, wenn Forderungen dauernd erfüllt werden. Doch ich sehe auch einen Widerspruch, wenn Sie eher Steuern erhöhen als senken wollen. Warum noch mehr Geld für Lobbyismus und Anspruchsdenken?
Ich glaube nicht, dass mehr Steuern zwangsläufig bei wirklich bedürftigen Stellen landen, sondern, wie so oft, nur den größten Jammerern und Schreihälsen zugute kommen.
Ich bin gegen Steuererhöhungen und noch mehr Belastung der arbeitenden Bevölkerung, sondern für mehr Sparsamkeit und Besonnenheit bei den Geldausgaben.
Ich halte es mit Ludwig Erhard, der einst sagte: „Zu sozial ist unsozial“.

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Mag sein, dass die Lehrer dagegen sind, aber es geht ja um die zukünftigen Lehrer.

xxx
5 Jahre zuvor

Die zukünftigen Lehrer wären auch dagegen in dem Sinne, dass sie sich bei den Gehaltsaussichten etwas anderes suchen. Das gilt in extremem Maße für die Naturwissenschaftler, deren Einstiegsgehälter in der freien Wirtschaft oft genug in der Größenordnung eines Schulleiters liegen und es erheblich bessere Aufstiegschancen gibt.

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

Wieso sollte Ich? – Die Lehrer sind Landesbedienstete – folglich sollte man doch eher in den jeweiligen Landesverfassungen und den Landesgestzen nach sehen. Im speziellen Fall hilft schon das jeweilige Landesbeamtengesetz.

Wo lagen eigentlich damals die Gründe, warum die Lehrerseminare für Volksschullehrer aufgelöst worden sind?