Neuer KMK-Präsident Lorz: Mit der Lehrer-Schüler-Relation von vor 20 Jahren lässt sich heute keine Schule mehr machen

11

WIESBADEN. Mehr Studienplätze, schnelle Verbeamtung oder eine sogenannte „Buschzulage“ für Pädagogen, die sich aufs platte Land begeben: Die Länder kämpfen mit verschiedenen Mitteln gegen den Lehrermangel an. Der neue KMK-Präsident, Hessens Kultusminister Alexander Lorz, warnt allerdings die Amtskollegen: Es reiche nicht, freiwerdende Stellen neu zu besetzen – der Bedarf an Lehrkräften werde steigen, sagt er voraus.

Der neu gewählte Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Hessens Bildungsminister Alexander Lorz, plädiert im Kampf gegen den Lehrermangel auf einen langfristig angelegten Ausbau von Studienplätzen. So sei beispielsweise Hessen zwar auf einem guten Weg, mit den bereits aufgestockten Ausbildungskapazitäten den Bedarf für die Neubesetzung von Stellen ab dem Jahr 2023 decken zu können. «Aber da ist noch nicht viel Puffer drin», mahnte der CDU-Politiker.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeige, dass es nicht damit getan ist, Lehrer zu ersetzen. «Wir sollten darüber hinaus ausbilden, weil wir davon ausgehen, dass wir mehr Lehrerstellen in Zukunft brauchen werden», erläuterte der Minister. Dies liege vor allem an gestiegenen Anforderungen an den Schulen, etwa bei der Ganztagsbetreuung.

«Wir haben die Studienplatzkapazitäten gerade im Grund- und Förderschullehramt massiv um mehr als 50 Prozent ausgeweitet», erklärte Lorz für Hessen. «Und wir werden mit den Hochschulen reden, wie man noch weiter ausweiten kann.» Aber auch die Hochschulen stießen inzwischen an ihre Grenzen. «Professoren für Grundschulpädagogik wachsen auch nicht auf den Bäumen», sagte Lorz.

Herausforderung angehen

Hessen wolle diese Herausforderung mit seinem nächsten Hochschulpakt angehen. In Hessen werden – wie in anderen Bundesländern auch – vor allem an Grund- und Förderschulen Lehrkräfte gesucht. An Gymnasien sieht es bis auf bestimmte Mängelfächer dagegen noch recht gut aus.

«Mit der gleichen Lehrer-Schüler-Relation, mit der Lehrer vor 15 oder 20 Jahren gearbeitet haben, würde heute keine Schule mehr arbeiten können», betonte Lorz. In Hessen beispielsweise habe es vor 20 Jahren rund 80.000 Schülerinnen und Schüler mehr gegeben, jedoch 10.000 Lehrerinnen und Lehrer weniger. Aktuell gibt es in dem Bundesland rund 53.000 Lehrerstellen. Und die Schulen sagten: «Wir brauchen noch viel mehr.»

Ist turnusmäßig für 2019 als Präsident der Kultusministerkonferenz benannt: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: HKM / Manjit Jari

Bei Prognosen für künftige Bedarfe müssen man sich stets darüber im Klaren sein, dass die Zahlen unter Umständen nicht besonders zuverlässig sind, sagte der Minister. «Natürlich ärgert uns das.» Aber die Berechnungen seien ein hochkomplexes System. Es gehe ja nicht nur um die globale Zahl. «Wir müssen die Prognosen vor allem regional und auf die verschiedenen Schulformen herunterbrechen», erläuterte Lorz.

Das seien sehr viele Faktoren, unter denen die allgemeinen Wanderungsbewegungen eine Hauptrolle spielen. «Da zerbrechen sich in allen Ministerien Heerscharen von hoch qualifizierten Mathematikern und Statistikern den Kopf, wie die Prognosen noch zuverlässiger werden können.»

Unter den Ländern gibt es nach den Worten von Lorz eine Übereinkunft, nicht mit gezielten Kampagnen Lehrer untereinander abzuwerben. «Was wir aber nicht verhindern können ist, dass die einen oder anderen Länder attraktivere Arbeitsbedingungen bieten, Stichwort Besoldung», sagte Lorz. Wenn Lehrer sich daran orientierten, dann sei das etwas, mit dem man im Föderalismus leben müsse. «Interessanterweise ist der Effekt aber nicht groß», sagte der Minister. Nach seiner Erfahrung würden angehende Lehrer nicht für 300 Euro mehr im Monat einmal quer durch Deutschland umziehen. dpa

Lehrermangel: Wie einzelne Länder reagieren

Der scheidende KMK-Chef, Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke), fordert mehr Vergleichbarkeit der Lehrerausbildung in den Bundesländern. Weil die Bildung Ländersache sei, habe sich jedes Bundesland eigene Regeln gegeben. Die Lehramtsabschlüsse seien nicht in jedem Fall vergleichbar. Er wünsche sich eine «Harmonisierung». Holter sieht in der Verbeamtung von Lehrern ein wichtiges Instrument gegen den Mangel. «Alle Länder sind auf dem Weg, Lehrer zu verbeamten. Das hat einen hohen Stellenwert», sagte er. Gegen den Personalmangel gebe es aber kein Patentrezept. Eine große Herausforderung bestehe auch darin, Lehrer für bestimmte Mangelfächer und für Schulen im ländlichen Raum zu gewinnen.

Rheinland-Pfalz ist nach Aussagen des Bildungsministeriums in Mainz seit Jahren bestrebt, «angehenden Lehrkräften gute Beschäftigungsbedingungen zu ermöglichen». Dazu gehöre die Verbeamtung von Lehrkräften. Mit einem Altersdurchschnitt von 44 Jahren gehörten die Kollegien in Rheinland-Pfalz mit zu den jüngsten bundesweit. Daher müssen auch weniger Stellen von Lehrkräften, die in den Ruhestand wechseln, nachbesetzt werden.

Das sieht in Sachsen-Anhalt ganz anders aus. Das Land hat eine überdurchschnittlich alte Belegschaft und braucht einem Expertengutachten zufolge jedes Jahr mindestens 730 neue Lehrer, um Abgänge und steigende Schülerzahlen auszugleichen. Als Erfolg wertete Landesbildungsminister Marco Tullner (CDU) die sogenannte Buschzulage: Für Stellen, die über mehrere Runden nicht besetzt werden konnten, zahlt das Land seit diesem Jahr einen Zuschlag. Etwa die Hälfte dieser 80 Posten sei so in zwei Ausschreibungsrunden besetzt worden, sagte Tullner.

Niedersachsen setzt verstärkt auf Quereinsteiger, um die Lücken in den Kollegien etwa an Grund-, Haupt- und Realschullehrer zu schließen. Viele von ihnen unterrichten an Hauptschulen und auf dem Land – also dort, wo der Arbeitsplatz Schule weniger attraktiv ist. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte an, dass sich das Land «sehr ernsthaft» mit der Frage auseinandersetzen werde, die Besoldung aller Lehrer an die Bezüge der Gymnasiallehrer anzupassen (News4teachers berichtete). In einem ersten Schritt hatte Niedersachsen 2018 die Besoldung für Grundschulleiter verbessert.

Baden-Württemberg lockt mit einem speziellen Angebot Nachwuchskräfte auf’s Land: Wenn sich junge Gymnasiallehrer bereit erklären, für drei Jahre dort an Grundschulen zu unterrichten, erhalten sie im Gegenzug anschließend eine Stelle in ihrer Fächerkombination an einem Gymnasium.

Anders als in fast allen anderen Bundesländern gibt es dagegen in Hamburg erheblich mehr Bewerber als Referendariats-Plätze. Die Stadt sei sehr attraktiv, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Zudem verbeamte Hamburg zügig, zahle gut und biete bessere Aufstiegschancen als andere Bundesländer. Doch man wolle nicht warten, bis der Bewerbermangel auch in Hamburg ankomme. Die Hansestadt will deshalb deutlich mehr Referendare ausbilden. Von den dpa-Korrespondenten

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Lehrermangel: Kultusministerien versuchen, Lehrer mit bezahlten Überstunden zu ködern – zwischen 23 und 33 Euro pro Unterrichtsstunde

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

11 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Zitat: „Unter den Ländern gibt es nach den Worten von Lorz eine Übereinkunft, nicht mit gezielten Kampagnen Lehrer untereinander abzuwerben. «Was wir aber nicht verhindern können ist, dass die einen oder anderen Länder attraktivere Arbeitsbedingungen bieten, Stichwort Besoldung», sagte Lorz. Wenn Lehrer sich daran orientierten, dann sei das etwas, mit dem man im Föderalismus leben müsse. «Interessanterweise ist der Effekt aber nicht groß», sagte der Minister. Nach seiner Erfahrung würden angehende Lehrer nicht für 300 Euro mehr im Monat einmal quer durch Deutschland umziehen.“

Interessanterweise geschieht das Abwerben aber doch.

Über die erhöhten Gehälter freut sich natürlich jeder Betroffenen. Das ist doch klar. Ich bin gespannt, ob dann wirklich auch mehr Lehrer für ländliche, strukturschwache Gegenden gefunden werden. Das Hamburger Beispiel zeigt ja, dass das eher nicht so ist und dass – wie oft gesagt – die Gehälter für die Masse nicht ausschlaggebend sind, sondern die Arbeitsbedingungen allgemein, wozu sicherlich auch Standortfaktoren gehören.

Hier hat meiner Meinung auch die Politik versagt, die den ländlichen Raum vernachlässigt hat. Auch daran sind die Einsparungen der letzten Jahrzehnte schuld und die „mehr-netto-vom-Brutto-Politik“. Man hat kein Geld, um Busverbindungen zu sichern oder gar zu schaffen, aber man hat jetzt Geld, um Lehrern eine Buschzulage zu zahlen, die dort arbeiten, wo keine Busse fahren, Ärztemangel herrscht und du erst kilometerweit fahren musst, wenn du bei einer Behörde was zu erledigen hast.

Krokodilstreichler
5 Jahre zuvor

Lehrer zu werden, muss sich ein Schulabgänger erst einmal leisten können. Da wäre ein duales bezahlten Studium wesentlich besser, um Interessenten anzulocken. Zudem ist man mit einem Lehramtsstudent doch ziemlich auf den Lehrerberuf beschränkt, da wäre es nur fair, wenn der Staat nur so einstellt, wie auch Bedarf besteht, und dieses Studium nach bezahlt werden würde. Mit Offizieren, Kommissaren und Verwaltungsbeamten macht man es ja auch nicht anders.

FElixa
5 Jahre zuvor

Leisten sehe ich nicht als Problem an. Mit Bafög lässt sich doch ganz gut leben und zur Not geht man noch ein paar Stunden in der Woche arbeiten. So hat man es schon früher gemacht und so machen es die Studierenden auch noch heute.

Das mit dem Bedarf ist natürlich ein bisschen komplizierter als bei Polizei, Bundeswehr, etc. Da spielen eben Schulformen, Fächer, Lehrer, SuS, Eltern alle eine Rolle. Dennoch wird man folgendes Problem gar nicht so einfach lösen:

Es wird behauptet, wenn man an der Uni mehr ausbildet könnte man die Lücken schließen. Wie soll das gehen, wenn sich für unbeliebte Fächer oder Schulformen erst niemand bewirbt? Die Unis können ja ihre Kapazitäten gerne aufstocken, aber ich bezweifle, dass es Zulassungsbeschränkungen für Fächer wie Mathe, Physik, Info oder Schulformen wie Grund- oder Hauptschule überhaupt gibt.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Doch, gibt es, aber das ist kein „harter“ numerus clausus:
https://www.nc-werte.info/studiengang/lehramt/mathematik/

FElixa
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ja da haben Sie Recht. Ich meinte damit auch eben Hürden, die jeder erreichen kann. Es wird sicherlich niemand, wie z.B. bei Medizin oder Psychologie, aufgrund seiner Noten o.ä. kein Lehramtsstudium beginnen können.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Das sehe ich eigentlich auch so, aber in dem Artikel „GEW-Chefin Tepe fordert mehr …“ bei n4t regt sich Frau Tepe über den numerus clausus bei Lehramtsstudiengängen auf. Jeder sieht das halt anders . Viele NC-Zahlen ergeben sich daraus, dass viele Abiturienten sich an 5 Unis bewerben, aber nur zu einer hingehen können. Da kann man nicht fünfmal so viele Studienplätze insgesamt vorhalten.

dickebank
5 Jahre zuvor

Und, die KMK kann doch als Klassenteiler festlegen, was sie möchte. Die räumlichen gegebenheiten anpassen, das müssen die Schulträger. – Und die haben dafür kein Geld bzw. werden es auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stellen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

„… die KMK kann doch als Klassenteiler festlegen, was sie möchte.“
Das kann sie nicht, weil das Ländersache ist. KMK-Beschlüsse sind als solche gar nicht wirksam, wenn nicht jedes einzelne Land mitmacht. Genau das ist ja das Problem mit dem hochgerühmten Föderalismus. Die Lippenbekenntnisse von KMK-Präsidenten können in dessen eigenen Bundesland ohne weiteres torpediert werden. Frau Eisenmann hat als KMK-Präsidentin ein bundeseinheitliches Zentralabitur postuliert und gleichzeitig in ihrem Bundesland die Mathematikklausur für den Grundkurs abgeschafft, die es in anderen Ländern gibt.

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Die KMK kann schon Standards festlegen, die Landesschulminister sind ja Mitglieder. Die Umsetzung muss dann über Verordnungen bzw. erlasse der jeweiligen Landesminister in ihrem Zuständigkeitsbereich umgesetzt werden. Hierzu braucht es aber die Ermächtigung im Schulgesetz oder eines förmlichen Beschlusses des jeweiligen Landesparlamentes.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Unverbindliche Bidungsstandards — ja die gibt’s von der KMK. Jedes Bundesland setzt die dann anders um. Aber die Klassenteiler werden auch von der KMK nur für jedes Bundesland einzeln aufgelistet:
https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Statistik/Dokumentationen/Klassenbildung_2013.pdf
So sieht Bildungsföderalismus praktisch aus. Die Länder kamen offenbar nicht auf die Idee, die sinkenden Schülerzahlen systematisch für sinkende Klassenteiler zu nutzen. Stattdessen haben sie die Sreichung von Lehrerstellen prognostiziert. Hat die KMK zu diesem Thema jemals was verlauten lassen?

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ist eben wie bei der Steuergesetzgebung und bei deren Vollzug. Und im Vergleich zum Bevölkerungsschutz respektive Katastrophen- und Zivilschutz ist das Bildungssystem doch hervorragend