Wozu ist Inklusion in der Schule überhaupt gut? Eine Erinnerung zum Tag der Menschen mit Behinderungen

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Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek

DÜSSELDORF. Keine Frage: Die Inklusion in der Schule ist ein Reizthema. In die – berechtigten – Debatten um unzureichende Bedingungen oder die konkrete Ausgestaltung mischen sich in jüngster Zeit allerdings immer öfter Forderungen, die Inklusion (wie G8) komplett zurückzudrehen. Mal abgesehen davon, dass sich Deutschland zur Inklusion international verpflichtet hat (anders als zu G8): Der gemeinsame Unterricht ist eine großartige Errungenschaft. Daran sei anlässlich des Tags der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember erinnert.

Die Inklusion bringt behinderte und nicht-behinderte Kinder zusammen. Foto: Shutterstock

Dass eine Schulleiterin ihre oberste Dienstherrin – in diesem Fall: die Bremer Bildungssenatorin Claudia Bogedan, SPD – verklagt, war bundesweit ein Novum. Der Gegenstand des Streits in dieser Form auch: Die Direktorin zog vor Gericht, weil sie von der Bildungsverwaltung angewiesen wurde, Kinder mit Förderstatus aufzunehmen. Das Gymnasium wollte also richterlich klären lassen, ob es zur Inklusion verpflichtet ist – einem Staatsziel, zu dem sich die Bundesrepublik Deutschland seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 bekennt. Zu einem echten Grundsatzurteil kam es nicht. Das Verwaltungsgericht Bremen wies die Klage vordergründig aus dem formalen Grund zurück, dass eine Beamtin in dieser Causa schlicht nicht klagebefugt sei. Gleichwohl machten die Richter unmissverständlich klar, welchen Stellenwert die Inklusion in Deutschland rechtlich hat.

Die Einführung der inklusiven Beschulung an allen Schulen entspreche einem klaren gesetzgeberischen Auftrag, so führten die Richter aus. Und den habe auch das Bremer Gymnasium zu erfüllen. Entgegen der Ansicht der Klägerin werde durch die Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf weder eine „Schule für alle“ geschaffen, noch der gymnasiale Bildungsgang in seiner grundlegenden Konzeption verändert. Schlechtere Bildungschancen der Regelschüler seien durch die Inklusion nicht zu befürchten. Die Inklusionsschüler könnten durchaus „auf einem ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechenden Anforderungsniveau unterrichtet und gefördert“ werden. Fazit des Gerichts: „Schließlich erscheint es nicht fernliegend, sich den Herausforderungen der zieldifferenten inklusiven Beschulung (…) auch an Gymnasien zu stellen.“

Die Antwort der Richter ist eindeutig

Das Urteil vom 9. Juli sorgte unter vielen Lehrern für Empörung, waren die Richter doch scheinbar recht salopp über die unzureichenden Bedingungen hinweggegangen, unter denen schulische Inklusion in der Praxis allzu oft stattfindet. Bei dem Ärger über die richterliche Ansage wurde allerdings übersehen, dass es sich dabei um eine rein juristische Argumentation handelt – und nicht um die zweifellos zentrale praktische Frage, welche Ressourcen nötig sind, um die Inklusion erfolgreich gestalten zu können (und ob es diese vor Ort gibt). Aber die hatte die Schulleiterin ja auch nicht vorgebracht. Ihr ging es um das Prinzip, ob auch das Gymnasium zur Inklusion verpflichtet werden kann. Die Antwort der Richter ist eindeutig: Ja.

Der beispiellose Streit vor Gericht und die Reaktionen darauf machen anschaulich, dass es beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern und Jugendlichen in Deutschland an weitaus mehr hapert als an einer ausreichenden Zahl von Lehrerstellen. Es fehlt an Verständnis. Allzu vielen Menschen hierzulande ist nicht klar, welche Bedeutung die Inklusion für die Schulen, für unsere gesamte Gesellschaft hat.

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Das beginnt mit einer verklärenden Sicht auf die Vergangenheit: Das frühere Förderschulsystem mit gesonderten Gebäuden und überdurchschnittlich viel Personal sei doch gut gewesen, so ist immer wieder zu hören. Nein, das war es nicht! Hundertausende von Kindern und Jugendlichen wurden im Lauf der Jahrzehnte mit dem Förderschulstatus abgestempelt. Auch die, die objektiv zu Unrecht als „lernbehindert“ aussortiert wurden, bekamen aufgrund jahrelanger Unterforderung im isolierten Umfeld faktisch keine Chance mehr auf einen regulären Schulabschluss. Die damalige Rückschulungsquote ins Regelsystem nahe null belegt das. Der vermeintliche Schonraum wurde zur Falle.

Allein die Tatsache, dass die Exklusionsquote zwischen den Bundesländern erheblich variierte (im Schuljahr 2013/14 mit 1,9 Prozent in Bremen und 6,9 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern um mehr als das Dreifache) zeigt, wie willkürlich Kinder dabei ausgesondert wurden. Ein anschauliches Beispiel, wie das geschehen konnte, lieferte der Prozess um den ehemaligen Förderschüler Nenad, der das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner zerstörten Bildungskarriere verklagte – und Recht bekam (News4teachers berichtete).

Zweiter Punkt: Die Schule ist praktisch der einzige Ort, an dem alle Kinder zusammenkommen – hier (und nur hier) kann soziales Lernen in einer größeren Gemeinschaft stattfinden. Schon die Vorstellung, dass Schüler homogene Lerngruppen brauchen, um sich erfolgreich Wissen und Fachkompetenzen aneignen zu können, ist falsch, wie die Arbeit der Grundschulen in Deutschland tagtäglich belegt.

Das Dogma der möglichst großen Homogenität der Klassen wird in Bezug auf das soziale Lernen geradezu absurd. Wie sollen Kinder lernen, mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Voraussetzungen, Interessen und Perspektiven umzugehen, wie sollen sie lernen, sich in eine Gemeinschaft unterschiedlicher Individuen einzufügen, wie sollen sie lernen, für sich und andere, auch Schwächere, Verantwortung zu übernehmen – wenn sie nur von Gleichen umgeben sind? Hier bietet die Inklusion die Chance zur Begegnung auf Augenhöhe.

Wie wichtig diese Begegnungen für Kinder sind, sagen sie selbst. Die große Mehrheit (94 Prozent) fände es „gut“ oder „normal“, wenn Kinder mit Behinderung überall dabei wären – also auch in der Schule, wie eine aktuelle Umfrage der Aktion Mensch unter Schülerinnen und Schülern ergab. Fast zwei Drittel der befragten Mädchen und Jungen sehen Inklusion als Möglichkeit, dass sich Kinder mit und ohne Behinderung gegenseitig helfen könnten. Dass überhaupt Begegnungen stattfinden, dafür sorgt vor allem der gemeinsame Unterricht: Treffen zwischen Kindern mit und ohne Behinderung kommen überwiegend in der Schule zustande (77 Prozent) und nur selten in der Freizeit (18 Prozent), wie die Kinder berichten.

Heißt: Die Inklusion ist nichts Geringeres als eine Grundlage für eine soziale Gesellschaft, in der Kinder für mehr als ihren Eigennutz erzogen werden. Sie ist ein Menschenrecht, reicht in ihrer Wirkung aber weit über die Belange des oder der einzelnen Betroffenen hinaus. Das sollte am Tag der Menschen mit Behinderungen mal wieder deutlich gemacht werden. Auf dieser Grundlage lässt sich dann auch sinnvoll über die konkrete Ausgestaltung der Inklusion streiten – ob Förderschulen als freiwilliges Angebot erhalten werden sollten zum Beispiel, ob geistig Behinderte wirklich gut an einem Gymnasium aufgehoben sind, oder eben wie die Bedingungen aussehen müssen, um an Regelschulen erfolgreich inklusive Klassen unterrichten zu können. Es geht nicht um das Ob. Es geht ums Wie.

Wir brauchen jetzt eine breite Debatte über die Inklusion – sonst droht ihr das Schicksal von G8

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xxx
5 Jahre zuvor

Wo ist in dem Text der Teil mit dem „die Schule vermittelt Wissen auf einem den Schülern angepassten Niveau in dazu passenden Lerngruppen?“ Ich vermisse ihn. Nur durch einen Schwerbehindertenausweis wird ein Hauptschüler nicht zu einem Gymnasiasten. Die UN-BRK ändert daran nichts.

Ach ja: Rollstuhlfahrer müssen nicht inkludiert werden. Daher vermittelt das Bild wie der gesamte Text ein falsches Bild.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@xxx
Wo ist in dem Text…
Da:
„Die Inklusionsschüler könnten durchaus „auf einem ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechenden Anforderungsniveau unterrichtet und gefördert“ werden. Fazit des Gerichts: „Schließlich erscheint es nicht fernliegend, sich den Herausforderungen der zieldifferenten inklusiven Beschulung (…) auch an Gymnasien zu stellen.““

Warum müssen RollstuhlfahrerInnen und andere Menschen mit körperlich-motorischen Einschränkungen nicht inkludiert werden?

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ganz einfach, weil sie in ihren kognitiven Fähigkeiten — um nichts anderes geht es im System Schule — keine Einschränkungen haben. Dasselbe gilt auch für alle anderen rein körperlichen Beeinträchtigungen.

Konstruktionsbedingt bzw. aus historischer Sicht ist das Gymnasium keine zieldifferente Schulform, weil zumindest der Regelfall das Abitur ist. Alles andere wäre eine Gesamtschule.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Mir scheint, Sie haben den Begriff „Inklusion“ noch nicht verstanden.

Davon abgesehen geht es „im System Schule“ nicht allein um kognitive Fähigkeiten. Da müssten Sie vielleicht mal über Ihren Tellerrand gucken und andere Fächer wie auch andere Aufgaben von Schule wahrnehmen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Fragen Sie bitte mal die Eltern, denen ihre Kinder nicht egal sind. Sie wollen nahezu alle einen brauchbaren Abschluss für ihre Kinder. Das zielt in erster Linie auf die Wissensvermittlung und damit auf die kognitive Aufnahmefähigkeit der Kinder. An der Grundschule ist es doch nicht viel anders, weil die meisten Eltern auf eine Empfehlung für das Gymnasium hoffen, sich allerdings auch über eine anders lautende Empfehlung hinwegsetzen dürfen.

Inklusion verstehe ich so, dass eine Behinderung in der Schulbildung keine Rolle spielen soll. Insbesondere müssen Kinder dem Unterricht in großen Klassen ggf. mit technischer oder personeller Hilfe folgen können können (kein Schreibfehler). Wenn ein Schwerbehindertenausweis darüber entscheidet, ob ein dafür vollkommen ungeeignetes Kind das Gymnasium besuchen kann oder nicht, dann läuft etwas falsch. Geholfen ist ihm auch nicht, wenn es mit dem 5er-Stoff auch im dritten Versuch nicht klar kommt.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@xxx
Danke.
Jetzt weiß ich es sicher: Sie haben es nicht verstanden.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Schreiben wir es mal so: Ich habe mich nicht von der Ideologie einlullen lassen.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Schreiben wir es mal so: Sie definieren sich den Begriff nach eigener Vorstellung, gehen davon aus, dass andere dem folgen, und messen auch die Umsetzung daran.
Interessanter Ansatz für einen Naturwissenschaftler.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

FElixa hat unten meine Probleme mit der Inklusion am Gymnasium gut zusammengefasst. Die Steigerung sind nur noch die Stunden, in denen die Sozialarbeiterin nicht anwesend ist, und wenn der Unterrichtsstoff der Regelschüler nicht mehr ansatzweise etwas mit dem zu tun hat, was Inklusionsschülern vermittelbar sein wird. Spätestens ab Klasse 7 (Regelschule) dürfte das soweit sein. Die übergreifende Gruppenarbeit können Sie sich dann auch schenken und damit den kompletten Inklusionsgedanken am Gymnasium. Ich beziehe mich hier erneut auf Schüler, die, wenn sie keine Behinderung hätten, vom Besuch des Gymnasiums dringend abgeraten worden wäre.

Palim
5 Jahre zuvor

Ich bedanke mich bei Herrn Priboschek für den Kommentar!

Hans Wocken
5 Jahre zuvor

Danke für einen couragierten Kommentar gegen den eisigen Wind des Nicht-Verstehens und Nicht-Wollens!

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Herr Wocken, als selbst betroffener Vater könnte ich mir als Kompromiss eine Inklusion in einer räumlichen Nähe zueinander vorstellen, wobei die Inklusionskinder in ihren schwächeren Fächern separat in kleinen Gruppen gefördert werden, während sie in stärkeren Fächern mit den anderen zusammen beschult werden, und all dieses in einem Schulzentrum, damit die Anfahrtswege sich drastisch verkürzen und jeder in seinem heimischen Umfeld verbleibt, damit die Kontakte sich auch privat vertiefen können.
Im Moment muss man zwischen beidem als Eltern abwägen und welche Ziele für und mit dem Kind definiert werden. Eine betreuende Einrichtung kann niemals das Ziel eines selbständigen Lebens in Eigenverantwortung sein. Und die „Fördereirichtungen „für Schwerstbeeinträchtigte Schüler sind die reinste Katastrophe für die Schüler und die Eltern. Herr Priboschek hat oben im Artikel den Fall des Kindes mit einem Migrationshintergrundes beschrieben, der jahrelang in einer Förderschule festgehalten und unterfordert wurde.
Ähnliches erleben auch heute noch betroffene Schüler. Deshalb ist die Entscheidung für die Wahl des Schulortes auch immer von der Art der Beschulung, deren Methodik und Zielen, sowie der räumlichen Entfernung und von den sozialen Bindungen abhängig.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Das „Nicht-Wollen“ gab’s doch wohl seit 1945 in dem Sinne, dass man nicht einmal Rollstuhlfahrer in die normalen Schulen integrieren wollte, denn man hat unzählige Schulen neu gebaut, immer mit vielen Treppen und ohne Aufzüge. Wo waren eigentlich die Inklusions.Befürworter damals?
Was viele Leute heute stört (auch mich), ist die offensichtliche Tatsache, dass eine UN-Konvention nicht deshalb angeregt und beschlossen wird, um die deutschen Förderschulen zu schließen. Das primäre Ziel war doch eigentlich ein ganz anderes: Es sollten in Afrika und Asien dort, wo behinderte Kinder weggesperrt wurden und gar keine Schule besuchen konnten, deren Möglichkeiten entscheidend verbessert werden. Und das war vollkommen richtig und auch überfällig. Man denke nur an den Aberglauben, Behinderungen seien eine Strafe Gottes (und Homosexuelle sind schuld an Naturkatastrophen). Aber in Deutschland missversteht man sowas dann immer gleich und neigt zur Übertreibung, nur nicht bei der anderen UN-Konvention zu den Kinderrechten mit der gewaltfreien Erziehung. Hier nochmal das Zitat aus „Giffeys Broschüre der Antonio-Stiftung“, Seite 40:
„FRAGE: Als Kinderrechtsorganisation setzen Sie sich für die Interessen und Rechte von Kindern ein, u.a. mit dem Ziel, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Wie ist der Stand der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland?
ANTWORT: Die Kinderrechtskonvention ist geltendes Recht in Deutschland – allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Nach unserem Grundgesetz hat sie den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und steht damit unterhalb der Verfassung. Wenn es also Konflikte zwischen der Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz gibt, ist das Grundgesetz höherrangig. In der Praxis führt das dazu, dass die Kinderrechtskonvention bisher wenig bekannt ist, in der Rechtsprechung eine geringe Rolle spielt und tatsächlich gravierende Umsetzungsdefizite bestehen.“
Also da gibt’s „Umsetzungsdefizite“, und keiner spricht davon. Warum denn nicht, Prof. Wocken? Will man nicht?

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Rollstuhlfahrer und körperlich Behinderte wurden in der Nachkriegszeit versteckt und nicht beschult, vorher, das heißt vor dem Kriegsenden sadistisch getötet, weil diese Menschen im völkisch-nationalen Nationalsozialismus als lebensunwert galten.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ich dachte, Rollstuhlfahrer gingen nach 1945 in Sonderschulen/Förderschulen, schon wegen der Schulpflicht. Bitte belegen Sie mal, dass Rollstuhlfahrer in der Nazizeit einfach umgebracht wurden, wo doch viele Kriegsversehrte dabei waren (auch vom 1. Weltkrieg). Die galten als lebensunwert?

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Geistig retardiert geltende Mitmenschen wurden als minderwertig eingestuft und ausselektioniert, von der SS abgeholt und in der Folge getötet, ebenso wie jene, die durch eine von Geburt an bedingte Missbildung beeintrrächtigt waren. Der Bischof von Galen in Münster war einer wenigen, der sich offen gegen diese Methoden der eugenischen Vernichtung wehrte.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Aber ich hatte ausdrücklich von Rollstuhlfahrern gesprochen in der Annahme, dass diese nicht „geistig retardiert“ sind, sondern geistig normal. Genau diese Leute hätte man schon immer „inkludieren“ können, das scheiterte aber einfach an den fehlenden Aufzügen selbst in Schul-Neubauten der Nachkriegszeit. Mehr wollte ich nicht sagen. Sie reden (mal wieder) von anderen Dingen. Mit dem Nationalsozialismus hatte das nichts zu tun.

FElixa
5 Jahre zuvor

„Die große Mehrheit (94 Prozent) fände es „gut“ oder „normal“, wenn Kinder mit Behinderung überall dabei wären – also auch in der Schule, wie eine aktuelle Umfrage der Aktion Mensch ergab.“

Wer sind diese Leute? Sicherlich nicht Gymnasiallehkräfte mit einem Hauch von Verstand. Ich durfte im letzten Schuljahr eine Klasse unterrichten, in der es mehrere SuS mit Inklusionsbedarf gab. Mathematikunterricht Sekundarstufe I war da schon unter normalen Umständen gar nicht möglich. Ca. 70-80% der Unterrichtszeit wurde die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe, die nach Kernlehrplan unterrichtet werden kann, und die andere Gruppe, die zieldifferent unterrichtet werden soll. Dann habe ich die erste Gruppe übernommen und die Sozialpädagogin die andere Gruppe. An den Stellen wo es ging hat man dann versucht in einer Gruppe zu arbeiten. Im Grunde hat das dazu geführt, dass man kaum etwas geschafft hat, wenn man z.B. eine gemischte Gruppenarbeit gemacht hat. Entweder haben die Kinder mit Inklusionsbedarf aufgehalten oder kamen mit dem Tempo der anderen SuS nicht mit. Mehr als Stress für alle Beteiligten hat das nichts gebracht.

Am Ende muss ich doch als Lehrkraft den Kopf dafür hinhalten. Da kommen dann genervte Eltern, genervte Kollegen und die Schulleitung und wollen eine Erklärung. Toleranz funktioniert nur solange, wie man selbst davon nicht betroffen ist. Insofern ist es immer einfach zu sagen, dass man Inklusion (auch auf dem Gymnasium) super findet, solange man selbst im Richterstuhl sitzt und die eigenen Kinder in eine möglichst leistungsstarke und heterogene Klasse gehen.

Man sollte lieber mal den Ruf der Förderschulen steigern und die Kooperation verschiedener Schulformen stärken, anstatt einfach jedem, egal wie, den Weg auf das Gymnasium zu ebnen.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Danke für diesen gelungenen Beitrag, der die Kernproblematiken der Inklusion widerspiegelt.

ABC
5 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Von mir auch ganz herzlichen Dank! Es braucht heutzutage ja schon Mut, diese Wahrheiten auszusprechen.

Michael Felten
5 Jahre zuvor

„Wozu ist Inklusion in der Schule überhaupt gut?“ Keineswegs eine rhetorische Frage – man sollte in alle Richtungen ermitteln! Denn Gemeinsamer Unterricht (GU) ist ja nur dann legitim, wenn sich Schüler mit wie ohne Behinderungen dort mindestens ebenso gut entwickeln können wie bei separativer Beschulung. Das aber erscheint derzeit höchst zweifelhaft – nicht nur wegen unterdimensionierter Finanzierung des GU, sondern auch angesichts der diffusen bis ambivalenten Forschungslage (www.inklusion-als-problem.de) – und der verbreiteten Unterschätzung frühkindlicher Entwicklungsstörungen.
Hinter uns liegt ein Jahrzehnt des Schlechtredens von Förderschulen. Dabei konnten sich dort langezeit ungeheuer viele Schüler enorm entwickeln – suboptimal war höchstens im Einzelfall die zu wenig genutzte oder mögliche Durchlässigkeit zur Regelschule. Hinter uns liegen außerdem mehrere Jahrzehnte gelingender integrativer Beschulung in modellhaften Grundschulen – aber nur bei ausgewählten Behinderungen und mit permanenter Doppelbesetzung.
Auch ein gegliedertes Schulsystem kann „Kinder für mehr als ihren Eigennutz“ erziehen. Das Kindeswohl lässt sich eben weder mit soziologischem noch menschenrechtlichem Blick hinreichend erfassen. Ohne entwicklungspsychologische und bildungsethische Expertise springt man schnell zu kurz.

Anna
5 Jahre zuvor

Schon die Prämisse ist falsch, Herr Felten.

„Gemeinsamer Unterricht (GU) ist ja nur dann legitim, wenn sich Schüler mit wie ohne Behinderungen dort mindestens ebenso gut entwickeln können wie bei separativer Beschulung. Das aber erscheint derzeit höchst zweifelhaft.“

Gemeinsamer Unterricht ist ein Menschenrecht – und nicht unter angeblichen Nutzenaspekten „legitim“.

Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland eingeführt. Ist das auch nur deshalb legitim, wenn sich Männer dadurch ebenso gut entwickeln können wie ohne?

Michael Felten
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Möglicherweise haben Sie etwas missverstanden, „Anna“: Laut UN-BRK ist nicht der Gemeinsame Unterricht ein Menschenrecht, sondern der ungehinderte Zugang zum allgemein(bildend)en öffentlichen Schulsystem. Welche Form für Kinder mit Behinderungen dabei aber am förderlichsten ist, darüber sollen laut Konvention nicht formale Gleichheitskriterien entscheiden, sondern das indiviuelle Entwicklungswohl (Art. 7.2 und 5.4). Deshalb darf die BRK ja auch keineswegs als Absage an hochspezialisierte Förderschulen verstanden werden. Diesbezüglich ist leider in den letzten Jahren in Deutschland erhebliche Verwirrung entstanden.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  Michael Felten

Der ungehinderte Zugang zum allgemeinen Schulsystem ist – logisch zwingend – der gemeinsame Unterricht. Eine Sonderschule ist das, was ihr Name besagt: eine Aussonderungsanstalt.

Auch Sie argumentieren am Kernpunkt der Debatte vorbei – es geht nicht um die Existenz von Sonder- bzw. Förderschulen. Es geht um den FörderschulZWANG. Gegen ein freiwillig nutzbares Angebot spricht rechtlich nichts – gegen eine Zwangsbeglückung mit (vorgeschobenen) Nützlichkeitsargumenten schon. Nebenbei: Ist soziales Lernen, von dem auch Herr Priboschek schreibt, nicht „nützlich“?

Marie
5 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Oh nein, eine Sonderschule ist eine Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ( im übrigen ist der seit bereits geraumer Zeit korrekte Begriff „Förderschule“) und gehört wie jede andere Schulform auch zum allgemeinen deutschen Schulsystem. Warum hier immer mit der Mär vom „Förderschulzwang“ argumentiert wird, erschließt sich mir auch nicht. Zumindest in NRW zählte der Elternwillen schon immer mehr als die Empfehlung der Antrag stellenden Schule…

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Für wie dumm halten Sie die Betroffenen? Sie benennen „Sonderschule“ in „Förderschule“ um – und simsalabim gehört sie zum allgemeinen Schulsystem. Wenn das so wäre: Wieso sind denn keine Regelschüler dort?

Wenn wir jede Schule in Deutschland jetzt in „Superschule“ umbenennen – sind dann auch alle Bildungsprobleme gelöst?

Lächerlich…

Und dazu kommt noch eine Lügengeschichte: Es stimmt einfach nicht, dass der Elternwille früher gezählt hätte – warum sonst hätte man das NRW-Schulgesetz eigens für die Inklusion ändern müssen? Sprechen Sie einfach mal mit Betroffenenverbänden, statt hier abstruse Behauptungen in die Welt zu setzen.

Reni
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Ich fühle mich keineswegs für dumm gehalten, sondern teile im Gegensatz zu Ihnen Maries Ansicht.

FElixa
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

@Anna verstehe ich Sie richtig, dass man also jegliche Schulformen abschaffen und somit eine Einheitsschule errichten sollte? Laut ihrer Argumentation muss man jedem die Möglichkeit bieten jegliche Schulform zu besuchen. Egal, ob die Anforderungen erfüllt sind oder nicht. Die Entwicklung dahin ist ja bereits erkennbar. In NRW kann jeder ein Gymnasium besuchen, der möchte. Die Folgen sind fatal. Nur bisher könnte man dann als Schule noch gewisse Grenzen setzen. Wenn SuS die Mindestanforderungen nicht erreichen, wird es für diese SuS auf dieser Schulform langfristig nicht reichen. Zugegeben ist es in NRW für Gymnasien nicht mehr ganz so einfach SuS auf eine andere Schulform zu schicken, aber das ist ein anderes Thema.

Mit dem Inklusionsgedanken hebelt man auch das Erreichen von Mindestanforderungen aus. Es zählt nicht mehr was man kann und was man leistet. Inwiefern machen dann unterschiedliche Schulformen überhaupt noch Sinn. Ich sehe hier nur zwei Möglichkeiten:

1. Klare Trennung der Schulformen, Stärkung der Förder-, Haupt- und Realschulen, die in den letzten Jahren stark gelitten haben. Höhere Durchlässigkeit zwischen den Schulformen.
2. Aufgabe jeglicher Schulformen und der damit verbundenen Ziele und hin zu einer Einheitsschule, in der Leistung keine Rolle mehr spielt.

Ich sage nicht, dass der zweite Punkt im Wandel der Gesellschaft durch die Digitalisierung nicht durchaus ein möglicher Punkt wäre, aber stand jetzt erscheint es mir doch sehr weit hergeholt.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Wie kommen Sie darauf?

Es geht mir einzig und allein darum, dass behinderte Kinder wie alle anderen zu behandeln sind – und wenn jeder einen Anspruch hat, aufs Gymnasium zu dürfen, ja, dann haben auch behinderte Kinder einen. Wenn nicht, dann nicht.

Mit dem Inklusiongedanken hebelt man keineswegs das Erreichen von Mindestanforderungen aus. Es fordert doch niemand, dass Kinder mit Behinderungen das Abitur ehrenhalber bekommen sollen. Niemand hat einen Anspruch auf das Abitur (oder irgendeinen anderen Abschluss), der nicht die Anforderungen erfüllt. Jeder hat aber den Anspruch darauf, eine Chance zu bekommen und nicht weggesperrt zu werden – also auch Kinder mit Behinderungen.

Das ergibt sich nicht allein aus der Behindertenrechtskonvention, sondern schon aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (= Anti-Diskriminierungsgesetz). „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“, so heißt es in der Präambel. Und als Anwendungsbereich wird ausdrücklich auch „die Bildung“ genannt.

FElixa
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Also was haben Sie bitte für Vorstellungen von Förderschulen? Weggesperrt. Ich muss das jetzt mal in aller Deutlichkeit sagen: Sie sind absolut unverschämt und weit über das Ziel hinausgeschossen. Sie unterstellen also denjenigen, die tagtäglich ihr bestes geben, um den Kindern auf der Förderschule die bestmögliche Entwicklung zu bieten, dass diese die Kinder einfach wegsperren und somit verkommen lassen… Ich glaube ihr Problem ist, dass sie nicht anerkennen können, dass auf Förderschulen auch gute Arbeit geleistet wird. Es ist mittlerweile modern und schick zu sagen, alles außer Gymnasium ist schlecht, asozial, etc. Wer kein Abitur macht und studiert aus dem wird nichts. Inklusion trägt ihren Teil dazu bei.

Wir reden hier im übrigen nicht von Kindern, die im Rollstuhl sitzen, eine Sehbehinderung haben oder unter Autismus leiden. Das ist in den meisten Fällen kein Problem. Diese Kinder werden jedoch zielgleich unterrichtet. Da wird keine „Rücksicht“ auf diese Kinder genommen, sondern sie leisten im gleichen Tempo genauso viel. Also haben Sie auch jeglichen Anspruch darauf. Nur Inklusion in Deutschland bedeutet, dass Kinder auf das Gymnasium dürfen, auch wenn sie zieldifferent unterrichtet werden müssen. Inwiefern steht das mit dem Gleichbehandlungsgesetzt im Einklang?

„Mit dem Inklusiongedanken hebelt man keineswegs das Erreichen von Mindestanforderungen aus.“

Ach nicht? Wenn Kinder zieldifferent unterrichtet werden, gelten die Mindestanforderungen nicht mehr.

Wenn ein sonderpädagogisches Gutachten den Besuch auf eine Förderschule nahelegt, können die Eltern unter der jetzigen Umsetzung der Inklusion, ihr Kind dennoch auf das Gymnasium schicken, auch wenn von Anfang klar ist, dass das Kind zieldifferent unterrichtet werden muss. Dies hebelt alle Grundelemente einer leistungsorientierten Allgemeinbildung aus und fördert eine Zweiklassengesellschaft an den Gymnasien. Wir haben aktuell folgende Konstellation an den Gymnasien:

1. Diejenigen, die das Niveau für das Gymnasium mitbringen
2. Diejenigen, die das Niveau für das Gymnasium nicht mitbringen, aber auf Druck der Eltern durch das Abitur geboxt werden
3. Diejenigen, die zieldifferent unterrichtet werden und keinerlei Aussichten auf das Abitur haben

Früher gab es nur Gruppe 1 am Gymnasium. Gruppe 2 und 3 haben dann eine andere Schulform besucht. Wieso schaffen wir dann nicht einfach eine Einheitsschule, wenn sowieso jeder machen und tun kann was er oder sie möchte.

Ich verstehe nicht was an Förderschulen so schlecht ist? Oder an Haupt- oder Realschulen? Die Lehrer sind bestimmt nicht unqualifiziert. Es ist einfach das Bild der Gesellschaft. Die Politik strebt eine höhere Abiturienten- und Akademikerquote an und möchte ein Vorzeigeland im Bereich der Inklusion sein. Es geht einfach nur um Profilierung. Die Quittung ist: Ausbildungsstätten und Unis vertrauen nicht mehr darauf, dass Abiturienten die Mindestanforderungen für den gewählten Beruf bzw. Studiengang mitbringen. Wäre auch ziemlich naiv, wenn man das nicht täte. Zumindest ist das meine Sicht auf die SuS, wobei diese dafür gar nichts können. Es ist einfach ein politisches Versagen.

Anna
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Dankeschön, Felixa, damit bestätigen Sie 1:1, was Herr Priboschek in seinem Kommentar geschrieben hat – das Problem bei der Inklusion sind nicht (nur) die fehlenden Lehrerstellen, das Problem ist das fehlende Verständnis vieler Lehrkräfte.

Sie sollten sich mal überlegen, Felixa, ob Sie den richtigen Arbeitgeber haben. Die Zeiten, in denen Staatsbedienstete Bürger beschimpfen dürfen, die Gleichbetechtigung und Teilabe fordern, sind vorbei. Haben Sie schon mal das Grundgesetz gelesen? Die „unteilbare Würde“ hat auch damit zu tun, dass Menschen vor staatlicher Willkür geschützt sind.

Dankbar sein? Dafür, dass Hunderttausende von Kindern über Jahrzehnte faktisch nie eine Chance auf einen regulären Schulabschluss bekamen, nie integriert wurden, dass betroffene Eltern von Leuten wie Ihnen entmündigt wurden – sicher nicht.

A. S.
5 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

@Anna
Sie argumentieren wie fast alle Befürworter einer radikalen Inklusion reichlich viel mit eingängigen Phrasen wie „Menschenrecht, Teilhabe, unteilbare Würde, Gleichberechtigung, …“
Nicht nur bei der Inklusion, sondern auch bei anderen Themen, hat sich die Unsitte breitgemacht, Sachargumente und Personen, die sie vertreten, mit der selbstgerechten und überheblichen Moralkeule niederzuschlagen. Das führt zu dem Eindruck, dass es bei bestimmten Themen ganz wesentlich um Selbstdarstellung geht und nicht um Konfliktlösungen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Michael Felten

Vielen Dank, lieber Herr Felten, dass Sie sich hier im Forum zu Wort melden und die Gegenposition zu den Aussagen von Prof. Wocken vertreten.

mississippi
5 Jahre zuvor

Ohne alle Kommentare wirklich gelesen zu haben: Herr xxx kann nichts dafür. Seine Meinung zeigt doch nur exemplarisch, wie weit die Gymnasien vom Inklusionsgedanken entfernt sind. Das soll kein Vorwurf sein. Das Schulsystem, so wie es ist, ist einfach nicht ausreichend darauf vorbereitet. Viele Lehrer auch nicht. Am ehesten funktioniert Inklusion wohl in Gemeinschaftsschulen, weil die eine ganz andere Arbeitsweise als z.B. die Gymnasien haben. In den Gymnasien geht es nicht darum, jedes Kind nach seinen Fähigkeiten zu fördern, sondern den Stoff durchzupauken, der zum Abitur führt und dafür nötig ist. Oft 30 SuS in den Klassen, in der Hoffnung, dass diese am Schuljahresende kleiner werden.

Pälzer
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Ich würde zustimmen: das Gymnasium ist weit vom Inklusionsgedanken (so wie er hier z.B. von Anna vertreten wird) entfernt. Kein Gymnasium hat ein Problem damit, körperbehinderte Schüler aufzunehmen, wenn die baulichen Voraussetzungen gegeben und finanziert sind. Aber Gymnasien sollten und wollten nie „Schule für alle“ sein, sondern nur für Menschen mit einem bestimmten Begabungsprofil, wozu z.B. die Fähigkeit zum abstrakten Denken und zu einer gewissen Selbststeuerung gehört. Anders ist das Ziel einer auf das Studium vorbereitenden Bildung nicht zu erreichen. Ich finde es als verletzend, wenn du das rundweg „durchpauken“ nennst.
Derzeit unterrichten Gymnasien bereits einen hohen Anteil von Kindern, die das klassisch gymnasiale Programm nicht schaffen. Als ich 1996 in den Schuldienst kam, berichteten ältere Lehrer bereits, dass sie Aufgabenstellungen im Vergleich zu früher vereinfachen müssten. Seither habe ich über die Jahre einen stetigen Rückgang der Leistungsfähigkeit erlebt, das kann man auch an den Schulbüchern erkennen. Wenn 50% statt früher 20% eines Jahrgangs ins Gymnasium gehen, ist das nicht verwunderlich. Wir schließen Kompromisse und unterrichten so gut wie möglich (ohne das Ziel ganz aus den Augen zu verlieren) jeden nach seinen Möglichkeiten, aber es gibt eine Grenze nach unten.
Die Polemik, die uns entgegenschlägt, kommt vermutlich von denen, die dem Gymnasium im Grunde seine Existenzberechtigung absprechen. „Inklusion“ zu erzwingen ist nur eine von vielen Waffen, um letztlich das Gymnasium an sich zu vernichten, so wie in RP bereits die Realschule vernichtet wurde.
Ich finde das falsch. Reiche können – auf Privatschulen – ihrem Kind immer höhere Bildung ermöglichen. Wenn Deutschland Privatschulen ganz abschaffte, könnten es nur noch die Superreichen auf Privatschulen im Ausland ermöglichen. So etwa ist die Situation in Großbritannien und Frankreich. Das Gymnasium dagegen ist die Eliteschule für alle, wir haben auch Kinder aus prekären Elternhäusern; nur die schulischen Fähigkeiten zählen.
Aber es gibt eine Grenze dessen, was ich als Lehrer leisten kann. Und ein oder zwei stark verhaltensgestörte Kinder oder solche, die einen völlig anderen Unterrichtsinhalt brauchen als den, den ich mit viel Konzentration in meiner Klasse durchnehme, können das Lernen für eine gesamte Klasse unmöglich machen. Ich habe es erlebt, und die Kollegen an Gemeinschaftsschulen und IGS erzählen es auch so. Eine echte und ehrliche Evaluation der Gemeinschaftsschulen erwarte ich mit Spannung.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

danke für die deutliche Darstellung meines Standpunktes.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Sehr klare und wahre Worte, Pälzer. Danke dafür.

Sabine
5 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Nicht nur „das Gymnasium ist weit vom Inklusionsgedanken (so wie er hier z.B. von Anna vertreten wird) entfernt“. Allerdings ist es noch weniger als andere Schulformen für die Inkludierung geeignet und konzipiert.
Grundsätzlich stelle ich die radikale Form der Inklusion in Frage, bei der stark geistig behinderte oder auch verhaltensgestörte Kinder partout am Unterricht in Regelschulen teilnehmen sollen. Das tut weder ihnen noch den anderen Kindern gut und damit macht man nicht nur die Gymnasien, sondern auch die anderen Schulen unseres gegliederten Systems (einschl. Förderschulen) kaputt.
Ich bin überzeugt, dass dies letztlich auch der Zweck ist mit dem Ziel, dass es überhaupt keine Gliederung mehr gibt und alle Kinder die Gemeinschaftsschule (Einheitsschule) besuchen müssen.
Damit wird ein verbreiteter und für meinen Geschmack höchst simpel gestrickter Gerechtigkeitsgedanke in die Tat umgesetzt, der mehr von Neid diktiert ist als vom Gedanken, jedem Kind gemäß seiner Fähigkeiten bestmögliche Schulbildung zukommen zu lassen.
Mit dem Prinzip „Alles in einen Topf“ und dem begleitenden Märchen, dass die Lehrer ja mit innerer Differenzierung jedem Kind gerecht werden könnten, wird seit Jahren bildungs- und kinderfeindliche Politik unter falscher, weil lebensfremder und rein ideologischer, Flagge betrieben.
Ein für alle Kinder stets förderlicher statt in weiten Teilen nur beschäftigender und der Ruhigstellung dienender Unterricht ist schlichtweg unmöglich. Lehrer sind keine Wundertäter und sollten sich auch nicht durch falsche Scham vor einem Offenbarungseid in diese Rolle drängen lassen.

mississippi
5 Jahre zuvor

Die Lehrer können nichts dafür. Die Klassen sind einfach zu groß, um Inklusion so durchzuführen, wie man sich das vorstellt. Egal, an welcher Schulform. In der Schweiz unterrichten z.B. in der Grundschule 2 Lehrer gemeinsam max. 15 Kinder.
@Pälzer: Entschuldige, wenn ich dich verletzt habe, das war jedenfalls nicht so gemeint. Ich wollte damit ausdrücken, dass ihr ein bestimmtes Pensum an Wissen in einer bestimmten Zeit vermitteln müsst (andere Schulformen ja auch, aber der gymnasiale Anspruch ist natürlich höher). Am Ende steht da immer noch das Erlangen der Allgemeinen Hochschulreife. Unter den gegebenen Bedingungen kann dem niemand gerecht werden.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

danke. und jetzt sollten sie und alle anderen Grundschullehrkräfte massiv gegen die gewählte Form der Inklusion protestieren und insbesondere nur noch Dienst nach Vorschrift machen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Genau. Es geht um die gewählte (radikale) F o r m, die dt. Inklusions-Ideologen fälschlicherweise aus der UN-BRK herauslesen – und auf die Michael Felten oben nochmal hingewiesen hat.

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor

Diese ganze Diskussion um die Inklusion würden wir gar nicht führen, wenn Inklusion von Anfang an richtig umgesetzt würde. Inklusion ist wichtig und richtig, nur wurde und wird sie aber weiterhin auf dem Rücken von Lehrkräften ausgetragen, die neben ihrem „normalen“ Job nun auch noch einen weiteren aufs Auge gedrückt bekommen. Komplett für lau und um den Preis von Familie und körperlicher Unversehrheit.
In jedem Landesgesetz steht nahezu wörtlich: „Die wöchentliche Arbeitszeit von Beamten beträgt 40/41 Stunden“.
Und Inklusion ist ein Grund, warum kein Bundesland sich bei den Lehrern dran hält, wie z.B. selbst die ministeriumsseitig durchgeführte Studie in Niedersachsen zeigt, die nur die gewerkschaftlichen Werte bestätigte.

Die Krönung sind dann „Wissenschafter“ wie Professor Wocken, die ohne Schule in den letzten 2 Jahrzehnten von innen gesehen zu haben der Lehrerschaft Faulheit unterstellen. Solche Schreibtischtäter und Sprücheklopfer findet man ansonsten vorzugsweise in der AfD und im Umkreis der Herren Trump, Putin und Erdogan, wo Fakten keine Rolle mehr spielen und Lügen zu „alternativen Fakten“ werden. Daher gibt es hier leider tatsächlich Leute, die ihn auf Grund seines Professorentitels noch ernst nehmen.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Sehr geehrter Küstenfuchs!
1. Ich war 7 Jahre lang Lehrer an Hauptschulen und Sonderschulen. Ich weißt, wie Schule tickt!
2. Ich nehme als Mitglied der UNESCO-Kommission häufiger an Visiten in Schulen teil, die für den inklusiven Jakob-Muth-Preis nominiert sind. Gelegentlich meiner Fortbildungen in Schulen hospitiere ich ebenfalls im Unterricht.
3. So manchen Leuten gelte ich als ein Radikaler und Linker. In Bayern werde ich als „rotes Tuch“ systematisch gemobbt. Dass Sie mich nun in die AfD einreihen und mit etlichen rechten Populisten vergleichen, ist einerseits rechts lustig, zeigt aber andererseits auch, dass Sie mich nicht im geringsten kennen und einfach nur herumpöbeln. Ziemlich widerlich.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Aber warum ist denn den Erziehungswissenschaftlern nicht schon VOR der UN-Konvention (also 50 Jahre lang in der Bundesrepublik) aufgefallen, dass man zumindest geistig normale Rollstuhlfahrer in normalen Schulen unterrichten könnte? Woran fehlte es denn? Nur an den Aufzügen in den Gebäuden?

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Herr Wocken, Sie waren an der Schule zu einer Zeit, da war ich noch gar nicht geboren. Schule 1960 und Schule heute sind zwei völlig verschiedene Berufe, auf einen IT-Spezialist von 1960 hört heute auch keiner.

Visiten an Schulen bringen etwa ebenso viel Einblick in Schule wie das Betrachten von Kühen auf der Weide Einblick in Landwirtschaft bringt. Jeder von den richtigen Lehrern kennt diese Besuche, mit täglicher Realität haben die nichts zu tun.

Ihre unqualifizierten Bemerkungen zum Willen der Lehrer mit dem unterschwelligen Vorwurf der Faulheit bringe ich in Zusammenhang mit dem Populismus (da ist es egal, ob von links oder rechts), der momentan in Teilen der Politik vorherrscht: Fakten ignorieren, Unsinn reden, der Stammtisch wird schon zuhören.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Sehr geehrter Herr Küstenfuchs!

1. Sie unterstellen mir einen „unterschwelligen Vorwurf der Faulheit“. Dass das ist Ihre persönliche subjektive Mißdeutung ist, werden Sie wissen. Sollten Sie echte Belege haben für meinen angeblichen Faulheits-Vorwurf haben, dann bitte ich Sie um genaue Quellen: Literaturangabe, Jahreszahl, Seite. Ansonsten erlaube ich mir, Ihre Unterstellung als üble Nachrede und Verleumdung anzusehen.

2. Wenn ich Ihrer Logik folgen sollte, haben einzig und allein Lehrer, die tagtäglich unterrichten, Ahnung von Schule. Alle anderen – die Eltern, die Politiker, die Pfarrer, die Journalisten, die meisten Bürger, – sind nicht in der Lage, über Schule qualifiziert zu reden, weil ihre Schulzeit doch schon zu lange her ist. Erst recht die sogenannten „Wissenschaftler“ haben keinen Dunst von Schule, sie sind nichts anderes als „Schreibtischtäter und Sprücheklopfer“, die lauter „Unsinn reden“.
Meine echte Sorge: Dürfen all die anderen, also alle Nicht-Lehrer demnächst überhaupt noch über Schule mitreden oder wird uns in Bälde das Wort und das Mitbestimmungsrecht entzogen? Sollte in Kürze eine Machtergreifung und eine Okkupation der Schule durch die Lehrer bevorstehen, werde ich das sicher zeitig über dieses Forum erfahren.

3. Ich darf Ihnen versichern, dass ich die Schule von innen besser kenne als Sie die einschlägige erziehungswissenschaftliche Literatur von innen. Nun will ich Ihnen weiß Gott nicht zumuten, dass Sie ein Buch von mir kaufen und auch noch lesen. Wenn Sie sich aber „qualifiziert“ über mich äußern möchten, können Sie gerne meine private Homepage hans-wocken.de besuchen und sich dort kostenlos eine Leseprobe herunterladen. Nach meiner Kenntnis hat die Lektüre meiner Schriften bislang noch niemandem geschadet, vermutlich werden auch Sie das überstehen. Es könnte gar sein, dass Ihr schnelles und pauschales Urteil über jemanden, den Sie gar nicht kennen, ein wenig fundierter würde.

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

1. Sie haben sich hier auf dieser Seite niemals zu der Umsetzung der Inklusion bzw. zu der Belastung der Lehrkräfte geäußert, im gleichem Atemzug vielen Lehrkärften den Willen zur Umsetzung der Inklusion abgesprochen. Glauben Sie ernsthaft, ein erheblicher Teil der Lehrerschaft hätte ein Problem mit Inklusion, wenn sie arbeitsneutral wäre? Lesen Sie ihre Kommentare mal durch, die sie so im Juli von sich gegeben haben.

2. Ich bin gespannt auf Kommentare von Kollegen, aber alles, was ich als angehender Lehrer so an der Uni im Bereich Erziehungswissenschaften gelernt haben, hatte mit dem tatsächlichen Beruf nahezu nichts zu tun. Durch die Teilnahme an den Veranstaltungen bin ich heute sicher kein besserer Lehrer als ohne die dort gewonnenen „Erkenntnisse“.

Und ja, die meisten Journalisten, Pfarrer und Politiker haben keinen tieferen Einblick in Schule, woher sollte der auch kommen? In aller Regel tun sie auch nicht so, Herr Priboschek äußert sich z.B. – im Gegensatz zu ihnen – recht ausgewogen, in seinen Kommentaren kommen möglichst viele Aspekte zum Ausdruck. Das ist halt guter Journalismus, er macht seinen Job!

Sie hingegen stellen sich hin und sagen: Ich bin Erziehungswissenschaftler, machte die Theorie und die Umsetzbarkeit interessiert mich nicht (siehe Kommentare unter ihrer Streitschrift im Juli). Wie soll man das ernst nehmen?

Elternmeinungen hingegen sind in aller Regel mit größter Vorsicht zu genießen. Eltern haben – und das ist weder erstaunlich noch verwerflich – nur ihr eigenens Kind im Blick und nicht die Gesamtsituation.

Gerne dürfen sich auch andere Berufsgruppen äußern, aber äußert sich der Dachdecker oder der Lehrer zu den neusten Methoden der Herztransplantation? Gerne darf auch der theoretische Mediziner (gibts den überhaupt?) eine Meinung haben, aber als Patient höre ich am liebsten auf den Chirurgen.

3. Ich bin davon überzeugt, dass die Kenntnis ihrer Bücher mir nicht schaden würde. Ich bezweifel nur, dass sie helfen. Das gilt nach meinen persönlichen Erfahrungen auch für die übrige „einschlägige erziehungswissenschaftliche Literatur“.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Das Poblem dürfte doch wohl nicht sein, dass die Erziehungswissenschaftler an Universitäten nicht durchblicken, was Sache ist, sondern das Problem dürfte sein, dass in der praktischen Politik vorwiegend das von den Empfehlungen der Wissenschaftler umgesetzt wird, was erstens kein Geld kostet und zweitens gerade ins (partei-)politische Konzept passt. Und dass da was falsch laufen könnte, das traut die Wissenschaft sich eben nicht zu sagen, um weiter an den staatlichen Drittmitteln zu partizipieren und in den wichtigen Kommissionen zu sitzen. Wer zum Beispiel hat uns das G8-Gymnasium beschert? Wer die Rotstift-Inklusion und die wachsende Heterogenität? Wer die ständig abgespeckten Lehrpläne im Interesse einer steigenden Abiturquote?

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Sehr geehrter Herr Küstenfuchs!

Als Beleg für den mir von Ihnen unterstellten „Lehrerhass“ verweisen Sie auf meine Äußerungen im Blog vom 10. Jul 2018.

Die Überschrift lautete: “Inklusion ist ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Vielfalt” – aber die müssen Lehrer auch wollen! – — Der zweite Teil der Überschrift ohne Anführungszeichen stammt nicht von mir, sondern von der Redaktion! Sie berufen sich auf diesen zweiten Teil und nennen mich im Blog „Ideologe und Lehrerhasser“.

Mein Ersuchen, Belegstellen für meinen angeblichen „Lehrerhass“ beizubringen, konnten Sie nicht zufriedenstellen. Ich bezichtige Sie daher unverändert der persönlichen Verleumdung.

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Nehmen wir doch mal folgendes Zitat von ihnen unter dem 2. Teil ihrer Streitschrift:
„Szenarium 1: Moratorium oder Schluss. Viele sind zufrieden, die paar Betroffene müssen sich halt beruhigen.
Szenarium 2: Wir müssen die Inklusionsideologen ruhig stellen. Wenn die endlich ihre Schnauze halten,
dann verkündigen wir die Ankunft eines inklusiven Bildungsssystems.
Szenarium 3:
Wir bekennen uns sowohl zu dem Inklusionsauftrag wie auch zu der miserablen Umsetzung.
Szenarium 4
Wir lügen weiter. Sonderschulen sind toll. Das gegliederte Schulwesen ist tabu. Inklusion? – Eine verrückte Idee von radikalen Ideologen. Die werden wir doch noch kleinkriegen.

Ach ja, die Betroffenene? Habe ich ganz vergessen. Die sollen sich mal nicht so aufspielen und kommen vielleicht später einmal dran.“

Da ganz offensichtlich für sie nur Szenario 3 in Frage kommt, auf der anderen Seite die Anzahl der erkrankten Kollegen nach Auskunft der Betriebsärztin für Lehrer in Schleswig-Holstein im Bereich der Psychische Erkrankungen explosionsartig angestiegen ist, sie dies Problem auch auf Nachfrage aber schlicht dauerhaft ignorieren, nennen sie mir eine passendere Bezeichnung!

Und kommen sie mir nicht damit, dass ich hier eine ungerechtfertigte Korrelation (Inklusion führt zu kranken Lehrern) aufstelle, wir wissen beide, dass diese stimmt.

Sie befeuern auch im politischen Raum die Inklusion auf dem Rücken der Lehrkräfte, da ihnen die Konsequenzen ihrer Tätigkeit den Lehrkräften gegenüber offenbar egal sind und sie den Schwarzen Peter bequem weiterschieben („Für die Rahmenbedinungen bin nicht ich zuständig, sondern die Kultus- und Finanzminister. Meine primäre Aufgabe als Wissenschaftler ist es, eine gute Theorie, ein gutes Konzept einer inklusiven Bildungslandschaft, einer inklusiven Schule und eines inklusiven Unterrichts zu entwerfen.“).

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Wie interessant! Ich werde jetzt nicht allein für die unzulänglichen Rahmenbedinungen der Inklusion verantwortlich gemacht, sondern nun auch noch für vermehrte Erkrankungen, die angeblich ursächlich auf Inklusion zurückzuführen sind. Bezüglich dieses neuen Vorwurfs werden Sie nur noch übertroffen von Michael Felten, der in seinem Buch sogar den Tod einer Lehrerin mit Inklusion in Verbindung bringt.
– Ein Beleg für meinen angeblichen „Lehrerhass“ ist Ihre Antwort allemal nicht.
– Mit Ihrem Verweis auf die Erkrankungen von Inklusionslehrern schliessen Sie sich dem neuen Trend der Inklusionskritik an, die „Inklusionsideologen“ gnadenlos zu kriminalisieren. Wenn Sachargumente nicht mehr verfangen, dann müssen die „Ideologen“ halt als Unmenschen an den Pranger gestellt werden, denen weder das Kindeswohl noch das Lehrerwohl heilig ist.
– Ausführliche Belege dazu in meinem Buch „CONTRA Inklusionskritik“.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Cavalieri: Wer war das wohl?
Ich nicht! Ich bin Wissernschaftler, aber nicht „die“ Wissenschaft. Wenn es denn möglich sein sollte: Bitte differenzieren, und nicht Streubomben zünden, die auch Unschuldige treffen können.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Sagt der ausgerechnet der Richtige.

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Nein Herr Wocken, Sie ignorieren die Erkrankungen von Lehrern. Sie ignorieren die unter den gegebenen Rahmenbedingungen offensichtiche Nichtumsetzbarkeit von Inklusion.

Und ihre Behauptung, ich würde „Inklusionsideologen gnadenlos zu kriminalisieren“, ist dumm und zeigt zusätzlich zu ihrem kompletten Realitätsverlust, dass man sie als Wissenschaftler kaum ernst nehmen kann.

Ich bin übrigens raus aus der Debatte, denn mit Fanatikern kann man nicht diskutieren.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Sehr geehrter Herr Küstenfuchs.

– Ich ignoriere nicht die Erkrankungen der Lehrer. Ich darf und muss Beweise verlangen, dass diese nachweislich (!) etwas mit Inklusion zu tun haben. Auch die vorherrschenden Zustände in nichtinklusiven Schulen machen durchaus Lehrer krank. Der etwas vage Hinweis auf ein Bezirksärztin reicht nicht. Inklusion muss sich derart schädigende und unbewiesene Verdächtigungen nicht gefallen lassen.
– Sie können anscheinend nicht nachempfinden, dass mich Ihre völlig haltlose Beschimpfung als „Lehrerhasser“ kränkt, beleidigt, diskriminiert. An Stelle eines zarten Ausdrucks des Verständnisses, geschweige denn einer Entschuldigung schieben Sie zur Ihrer Verabschiedung eine weitere schwere Verleumdung „Fanatiker“ hinterher.
– Keine Beweise, aber wüste Beschimpfungen. Eine großartige Leistung

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hans Wocken

Mein Kommentar bezog sich auf die AfD-Propagandaabteilung .

mississippi
5 Jahre zuvor

Seltsamerweise wird in den Beruf des Lehrers sehr oft hineingeredet, das ist beispielsweise bei Ärzten, Pizzabäckern, Schreinern, Metzgern, Fleischereifachverkäufern, Landwirten oder Psychologen nicht so.

Ursula Prasuhn
5 Jahre zuvor

Zur Inklusion sagte der Behindertenbeauftragte, Hubert Hüppe, vor ca. 6 Jahren in einem Interview:
„Die Klassengröße ist nicht das Entscheidende, eher die Mischung. Kinder lernen vor allem voneinander. Zwei Pädagogen in der Klasse wären für eine individuelle Förderung optimal. Was die Sonderpädagogik betrifft, so brauchen wir sie, aber für alle Kinder.“
„Sie (die Inklusion) nutzt Verschiedenheit als Ressource. Sie fördert die Talente eines jeden so, dass er optimale Leistungen bringen kann.“
Sein bekanntester Satz, lautet: „Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen.“
Insgesamt verstehe ich die Aussagen so:
Die Einstellung jeden Lehrers ist entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg des inklusiven Unterrichts. Äußere Rahmenbedingungen – wie die Klassengröße – sind weniger wichtig.
Zwei Pädagogen pro Klasse wären allerdings optimal. Sie sind es aber grundsätzlich und nicht nur wegen der behinderten Kinder. Eine Doppelbesetzung ist immer gut, weil jeder Schüler individuelle Förderung durch Sonderpädagogik braucht.
Die Inklusion ist also ein Gewinn für alle, weil Kinder in erster Linie voneinander lernen. Je größer die Heterogenität, desto größer sogar der Lerneffekt. Behinderte Schüler erweitern die Bandbreite der Verschiedenheit, was folglich allen zugute kommt.

So die schöne Theorie eines „Experten“ und maßgeblichen Inklusionsbefürworters. Die Realität hat inzwischen für Ernüchterung bis Entsetzen gesorgt und Herrn Hüppes Sachaussagen in Frage gestellt. Kein Wunder, dass verbliebene Inklusionsanhänger fast nur noch Moral- statt Sachargumente ins Feld führen und die Rahmenbedingungen für alles entscheidend erklären.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Guter Beitrag, den sich besonders Mitschreiberin Anna merken sollte. Mit mehr als Moralkeule, getarnt als Hinweis auf die BRK, kommt sie ja nicht. Palim könnte auch mehr auf Sachargumente statt auf Rahmenbedingungen eingehen.

Marie
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ja, super, genau darauf hab ich noch gewartet! Natürlich sind nur wir doofen, faulen Lehrer schuld, weil wir einfach nicht wollen! Ich hab echt die Faxen dicke, dass wir den Mist der Politik ausbaden dürfen. Jeder, der behauptet, die Rahmenbedingungen spielten keine Rolle, darf gern bei mir mal 1 Woche meine Chaostruppe begleiten. Aber dann bitte nicht mittags um 2 gehen, sondern auch noch all die anderen Dinge „mitnehmen“, mit denen wir so zu tun haben, u.a. Gespräche mit Eltern, Psychologen, Sonderpädagogen, Fördereinrichtungen, Sozialarbeitern, dem Jugendamt etc, dazu Teambesprechungen, Fortbildungen, Konzepte erstellen usw. , da hab ich, nebenbei bemerkt, noch keine Minute differenzierten Unterricht vorbereitet. Wie viel will man eigentlich noch bei uns abladen? Kein Wunder, dass. niemand mehr Lehrer werden will…

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@xxx
Fangen Sie mit der Sachlichkeit an und orientieren sich an Definitionen von Inklusion, statt sich selbst etwas unter dem Titel zu basteln und als gesetzt anzusehen, das von Inklusion weit entfernt ist, weil Sie es sich als für Sie günstiges Wunschsystem vorstellen, andere aber dabei unberücksichtigt lassen.

Es wird immer geklagt, dass Herr Wocken wie andere Erziehungswissenschaftler im Elfenbeintrum säße und keine Ahnung hätte.
Wie viele derer, die hier schreiben, haben denn Ahnung von Inklusion und arbeiten in einer tatsächlich inklusiven Klasse oder sind zumindest auf dem Weg dahin? Können Sie sich wirklich alle so weit aus dem Fenster lehnen, dass Sie es herausragend beurteilten können? Mit wie vielen Überprüfungsverfahren sind Sie im Jahr befasst? Wie viele Kinder mit Beeinträchtigungen und festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf beschulen Sie täglich?

Bei Marie kann man lesen, was es bedeutet. Den Frust kann man nachvollziehen und Marie weiß, wovon sie schreibt und kann es tagtäglich mit Leben füllen. Das erledigt sich in einer Schule mit Inklusion ganz von allein.
Ich kann den Vorschlag, die Praxis vor Ort anzusehen, nur unterstreichen.

Natürlich ist nicht jede Schule so, wie die Vorzeigeschulen. Der Personalschlüssel in einer privaten preisgekrönten Schule war so unvorstellbar günstig, dass sich das eine Lehrkraft an einer staatlichen Regelschule nicht einmal im Traum vorstellen kann: es ist offenbar derzeit gar nicht möglich, den regulären Unterricht mit ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, von einer zusätzlichen Besetzung mit sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkräften ganz abgesehen.

Aber dieser Mangel trifft Regelschulen wie Förderschulen gleich. Geht es um die Ausgestaltung des Schulsystems, um die Umsetzung, dann müssen immer die Bedingungen der verschiedenen Möglichkeiten miteinander verglichen werden. Und zwar die heutigen und nicht die, die angeblich vor 30 Jahren gegeben waren.
Ich komme zu dem Schluss: Weder ein inklusives System noch eines mit Förderschulen noch ein gemischtes können derzeit mit Lehrerstunden ausgestattet werden. Zudem ist offenbar der politische Wille zu einer vernünftigen Ausstattung von Schule nicht gegeben.

Die Diskussion dreht sich jedes Mal zum einen um die Vorstellung von Inklusion, um das Menschenrecht, um ein Ideal, und zum anderen um die Umsetzung, um die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten im Schulsystem, was machbar ist, was gewollt ist, was finanzierbar ist.

Die Krux dabei ist: Wenn man das Ideal herbeiführen will, muss man das System verändern und spätestens dann geht es um die Umsetzung.
Man bleibt also nicht bei der Theorie stehen, sondern wird sich für die Praxis überlegen müssen, was realisierbar ist. Dabei muss man die Bedürfnisse aller daran Beteiligter berücksichtigen.
Dazu gehört aber auch, dass sich die aufgestellte Theorie in der Praxis bewähren muss oder ggf. überdacht oder angepasst wird.

Auch hier zeigt sich, dass die Theoretiker den Weg in die Schulen finden müssen. Nicht in Vorzeigeschulen mit herausragenden Bedingungen und nicht in Schulen auf dem Planungspapier, die barrierefrei und groß dimensioniert sind, sondern in den Alltag ganz normaler Regelschulen mit großen Klassen in engen Räumen und unzureichender Lehreraussstattung.
Meine Klassentür steht ebenfalls offen. Wer kommt, wird aber ebenfalls nicht um 2 Uhr gehen, sondern auch dem weiteren Teil der Arbeit beiwohnen dürfen. Wenn Unterricht bei Grundschullehrkräften 40% der Arbeitszeit ausmacht, kann man sich überlegen, was mittags noch ansteht.
Hinzu kommt, dass es im Anschluss eine Reflexion oder zumindest einen Austausch hinsichlich der Beobachtungen benötigt. Es ist unfassbar, welche Vorstellung Außenstehende von Unterricht haben und zu welch verqueren Einschätzungen sie kommen… zumeist unter der Sparvorgabe irgendeines Menschen, der ein Büro weiter oben sitzt und an der Finanzschraube dreht, weil Inklusion in diesen Köpfen nur aus Zahlen, nicht aber aus Menschen besteht.

Wer ein Ideal wünscht, wird es finanzieren müssen.
Wer das nicht kann oder möchte, wird am Ideal streichen müssen.
Darum dreht sich die Diskussion.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ihr letzter Absatz passt wunderbar zu meiner rein sachlichen Meinung. Wenn Inklusion, dann nicht, weil der Bundestag eine Konvention der UN falsch übersetzt und unter falschen Erwartungen verabschiedet hat, sondern richtig, insbesondere in Bezug auf die personelle Ausstattung und ohne nennenswerte Beeinträchtigungen der Regelschüler auf ihrem Weg zum Abschluss. Folglich braucht es Klassen mit halbwegs gleich begabten Schülern, die voraussichtlich alle denselben Abschluss erreichen. Alles andere schadet Inklusionsschülern, Regelschülern, Lehrern und Eltern. Das gilt in noch stärkerem Maße für in „großen“ Klassen ab 15-20 Personen nicht funktionierende Schüler.

In der Grundschule ist das noch etwas anders, jedoch merken auch Sie sehr schnell, für wen der Grundschulstoff eine echte Herausforderung werden wird. Solche Schüler haben später in perspektivischen Abiturklassen nichts verloren, in Grundschulklassen mit perspektivischen Abiturienten auch nicht.

Sie sehen, dass mich überhaupt nicht interessiert, was mit den Kindern los ist, mich interessiert nur die Leistungsfähigkeit in Großgruppen. Das liest sich vielleicht empathielos, ist aber im Endeffekt für alle Beteiligten das Beste.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das ist Ihre Meinung, die wieder auf Ihrer eigenen Vorstellung homogener Gruppe im Unterricht beruht und, wie oben schon angemerkt, die Beteiligten gar nicht in den Blick nimmt.
Mit Inklusion hat das gar nichts zu tun, nicht mit dem Ideal und nicht mit der Umsetzung.

Vielmehr sehe ich in Ihren Äußerungen Ihren Wunsch nach einer vorsortierten, Ihren Vorstellung von Unterricht angepassten Klasse.

Ursula Prasuhn
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Homogenität gibt es nicht, Palim. Bei xxx kann es sich darum nur um den Wunsch nach einer Heterogenität handeln, die nicht uferlos ist, weil sie sonst Schüler wie Lehrer übermäßig belastet und Lernprozesse erschwert oder gar unterbindet.
Begriffe können Meinung und Stimmung machen. Zu diesen Stimmungsmachern zählt das Wort „vorsortiert“. Es lehnt sich an das beliebte Schlagwort „aussortiert“ an, das die Anhänger eines gegliederten Schulsystems als behindertenfeindlich und abschiebefreudig darstellt.
Für mich steht jedoch fest, dass die Gegner der Radikalinklusion behinderte Kinder ebenso im Blick haben und deren Bedürfnisse ebenso ernst nehmen wie die Anhänger. Sie kommen – was das Schulsystem angeht – nur zu einem anderen Schluss als die Inklusionsanhänger oder Freunde von „Eine Schule für alle“.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Und für den in Ihrem letzten Satz genannten Zusammenhang (Inklusion als Mittel zur Durchsetzung der Radikal-Ideologie der „Einen Schule für alle“) steht exemplarisch Prof. Wocken, der auf Grünen-Veranstaltungen unter dem Motto „Eine Schule für alle – Inklusion jetzt!“ Impulsreferate hält.
Nachzulesen hier: https://www.gruene-hannover.de/sites/gruene-hannover.de/files/einladung_inklusion_1.pdf

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

An Aufmerksamer Beobachter:
Einfach unerhört, bei den Grünen aufzutreten! – Soll das ein Argument sein oder eine Mitteilung an den Verfassungsschutz?

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Es ist der Hinweis darauf, dass die von Ihnen vertretene Radikal-Form der Inklusion der Steigbügelhalter für die von den Grünen propagierte „Eine Schule für alle“ ist – also ein Mittel zum (politischen) Zweck.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Im Übrigen ist mir neu, dass die Grünen neuerdings auch schon vom Verfassungsschutz beobachtet werden und man deshalb nicht mehr auf ihre öffentlich einsehbaren Verlautbarungen aufmerksam machen dürfte.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

An Aufmerksamer Beobachter
Das ist der Ehre zu viel! Ich bin weder der Guru noch das geistliche Oberhaupt der inklusiven Pädagogik. Die theoretische Grundlage der Inklusion ist für mich nach wie vor die UN-BRK, ihre Auslegung sollte sich an den Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des CRPD-Ausschusses in Genf orientieren.
Meine Kategorisierung als „Radikaler“ finde ich unpassend und für mich nicht akzeptabel. Ich möchte nicht in den Dunstkreis des berüchtigten Radikalen-Erlasses der 80-er Jahre geraten. Die radikalen 68-er, etwa die Bader-Meinhof-Gruppe, wollten die Demokratie abschaffen. Ich möchte die Demokratie nicht abschaffen, sondern sie vollenden. Beispiel: Im Grundgesetz steht etwa der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt!“ Das ist sehr „radikal“. Die BRD hat es in 70 Jahren nicht geschafft, dieses grundgesetzliche Gebot zu verwirklichen. Das ist peinlich, beschämend, empörend. Ich verstehe mich als Fundamentalist und bestehe auf der vollen Verwirklichung dieses Grundsatzes. Ohne Wenn und Aber.
Genauso ist mein Verhältnis zur UN-BRK. Die vielen Relativierungen und Missdeutungen durch den Deutschen Philologenverband, durch Michael Felten, Josef Kraus, Bernd Ahrbeck, Otto Speck usw. mache ich nicht mit. In diesem Sinne bin ich ein Fundamentalist und kein Radikaler, der das gegliederte Schulwesen in Deutschland in Schutt und Asche legen will.
Was sich hier im diesem Blog abspielt, sind nichts weiter als Lagerkämpfe. Die Lagerzugehörigkeiten der Teilnehmerschar sind ja weitestgehend bekannt. Und dann werden alle Äußerungen von vorneherein durch eine parteiliche Brille wahrgenommen. Der Austausch der sog. „Argumente“ findet bestenfalls auf der Vorderbühne statt, auf der Hinterbühne dominiert die Lagerzugehörigkeit. Diese Beschreibung gilt wahrlich nicht allein für diesen Blog, sondern für so manche von gesellschaftlichen Interessen bestimmte Auseinandersetzungen. Beispiel: Im deutschen Bundestag gelingt es auch wohl nicht dem allerbesten Redner, auch nur einen einzigen Abgeordneten einer gegnerischen Partei von seiner Meinung zu überzeugen. Es ist relativ naiv zu glauben, durch parlamentarische Debatten würde sachlich sonderlich viel geklärt oder die Mehrheiten würden sich verschieben. Das Abstimmungsergebnis steht weitestgehend schon vorher fest.
So geht es auch hier zu. Die Dinge sind schon vor jeglicher Aussprache klar und entschieden, es geht nur noch um einen Schlagabtausch zwischen einer Ingroup und einer Outgroup, zwischen „Wir“ und „die Anderen“. Bei einer solchen Schlägerei wird dann auch recht gerne zu dem strategischen Mittel gegriffen, den Gegner in eine „radikale“ Ecke abzudrängen und damit als unmöglich, unglaubwürdig, dumm, unwissenschaftlich, uninteressant, ideologisch usw. zu deklarieren. Ein gutes Beispiel hat hier Küstenfuchs gegeben. Zitat: „Mit Fanatikern kann man nicht diskutieren!“ Für Küstenfuchs bin ich ein Fanatiker, für so manche andere ein Radikaler. Und mit dieser Kategorisierung ist dann auch schon die Schlacht geschlagen und jedes unvoreingenommene Zuhören und jedes sachbezogene Argumentieren ist dann auch völlig überflüssig. Diesen fatalen Kommunikationszirkel zu durchbrechen, ist sehr schwer, weil die einmal etablierten Feindbilder außergewöhnlich resistent sind und die vorgefassten Meinungen und Einstellungen je aufs Neue stabilisieren. Das Klügste scheint mitunter zu sein, sich an der Schlacht von vorneherein nicht zu beteiligen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

…womit Sie erneut ein wunderbares Beispiel für das geliefert haben, was Ewald Kiel in dem Cicero-Artikel beschreibt, den ich unten verlinkt habe.

Hans Wocken
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Vielen Dank für den mindestens vierfachen Hinweis auf den Artikel von Ewald Kiel und die sehr umfängliche Zitierung dieses Artikels. Der Artikel von Kiel beschreibt eine Karikatur von Inklusion. Es fehlt absolut jeder Beleg, wer das gesagt oder behauptet hat. Da wird der Inklusion irgendetwas Unsinniges angedichtet und dann zieht man gegen dieses Märchen zu Felde.
Aber eigentlich hätten Sie ja mal selbst antworten können statt auf so penetrante Art auf einen unsäglichlichen und indiskutablen Artikel zu verweisen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Hier stehen mal ein paar Zahlen zum sonderpädagogischen Förderbedarf, die ich so noch nie gesehen habe (Abb. 5; stammt allerdings von 2007):
http://www.vbe-bv-dt.de/downloads/PDF%20Dokumente/DA11_Bildungsgerechtigkeit.pdf
Da steht doch, dass im gerühmten Finnland 18 % (!) aller Schüler diesen Förderbedarf haben (davon immerhin 4 % in Sondereinrichtungen), im Inklusions-Vorzeigeland Italien dagegen nur 1-2 %. Wie kann das bitte sein? Wird das in Italien wegdefiniert? Da können doch wohl nur höchst, höchst unterschiedliche Kriterien die Ursache sein. Sonst müsste man annehmen, die Finnen wären ein Volk mit vielen Behinderten, und die Italiener wären davon verschont. Ein Vergleich macht aber eigentlich nur Sinn, wenn die Kriterien überall ungefähr dieselben sind.

ysnp
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Gebe ich Ihnen recht!

jagothello
5 Jahre zuvor

Das eigentliche Problem der Inklusion scheint mir zu sein: Die Menschen wollen sie nicht. Die Lehrer nicht, die Schulleitungen nicht, die Schulaufsicht nicht, die Politik nicht, der Schulträger nicht, die Bevölkerung nicht. Ich darf eine neue 5 in 2019/20 mit 25 Kindern bestücken, davon 3 inklusiv und habe 1,5 Lehrerstellen für sie. So steht es im Erlass, so sagt es die Politik, so steht es in der Zeitung. Die Realität sieht anders aus: Wenn ich 25 mache, wird jeder Widerspruch von abgelehnten Kindern vom VG akzeptiert bis 29. Weil die obere Schulaufsicht das weiß, lässt sie sich gar nicht erst verklagen, sondern weist mich an, aufzufüllen bis 29. Wenn nun Schüler klagen, die im regulären Verfahren keine Chance gehabt hätten (und genau die sind es, die klagen), habe ich per se schon mal 3 Inklusive plus 4 potentielle Problemkandidaten in der Gruppe. Also dumm, nicht gleich bis 29 zu gehen und die dann wenigstens selbst auszusuchen. 1,5 Stellen? Ein Witz. Es gibt keine geeigneten Kräfte auf dem Markt. Also will auch ich die Inklusion nicht. So einfach ist das. Ob ich sie will, ob wir sie leisten können, ob sie funktioniert, sage ich meiner Schulaufsicht und den Kollegen hier im Forum gerne, wenn sie personell und administrativ vernünftig (mit einem Entwicklungsvorlauf von mindestens drei Jahren) vorbereitet wird.

ysnp
5 Jahre zuvor

Ich habe schon ganz praktisch meine Schwierigkeiten mit der Inklusion. Aktuell habe ich eine Klasse, in der sich besonders viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf „Lernen“ befinden, teilweise mit einem niedrigen IQ. Im Gegensatz dazu habe ich auch die andere Seite, nämlich die klassischen sehr guten Schüler und dann noch andere Abstufungen. Zusätzlich habe ich noch Schüler, die Aufmerksams- bzw. Präsenzprobleme haben, davon zwei zu früh eingeschulte Kinder (vom emotionalen Vermögen her), die man nicht wiederholen lassen kann, weil die Leistungen einigermaßen stimmen. Doppelbesetzungen habe ich in der Woche 1-2 Stunden, manchmal auch keine, wenn die Förderlehrerin Vertretung machen muss.
Besonders problematisch halte ich die Fälle, die allein schon von ihrer Veranlagung her sehr große Probleme haben, in der Grundschule mitzukommen, sowohl sprachlich als auch mathematisch. Sie müssten den Stoff langsamer mit häufigen Wiederholungen machen, zusätzlich sind sie in Fächern wie Sachunterricht von der Merkfähigkeit überfordert. Nun werden bei uns solche Kinder außerschulisch in Ergotherapie und/oder Logopädie je eine Stunde pro Woche gefördert. Dennoch ist es fast ein hoffnungsloses Unterfangen, dass diese Kinder normal mitkommen.
Wir hätten noch die Möglichkeit, bei diesen Kinder keine Noten zu machen. Doch damit erreichen sie keine Klassenziele, keine schulartspezifischen Aufnahmebedingungen für eine nächste Schule und schlecht einen Schulabschluss. Sie rücken dann vor, wenn sie die Ziele des Förderplans erreicht haben. Das wollen dann viele Eltern nicht; sie hoffen, dass ihr Kind irgendwie durchkommt. Denn deswegen haben sie ihr Kind auch nicht in die Förderschule gegeben, obwohl dort die Förderung in Kleingruppen von Experten die wesentlich bessere wäre.
In Bayern gibt es schon lange die Freiheit der Wahl Förderschule oder nicht. Da Inklusion in aller Munde ist, haben wir jetzt wesentlich mehr Inklusionskinder an der normalen Grundschulen ohne dass sich etwas Gravierendes (dass man das auch effektiv merkt) in der Personalsituation geändert hat. Der MSD = mobile sonderpädagogischer Dienst – hat ein paar mehr Stunden an der Schule, aber bei Weitem nicht ausreichend. Er nutzt diese auch meistens zur Beobachtung und Testung.
Rein praktisch sieht das dann so aus, wenn die Schüler lernzieldifferent unterrichtet werden und keine Noten bekämen, dass diese Kinder während des Unterrichts an eigenen Dingen arbeiten (vor allem in M und D) und nur bedingt von einem Lehrer unterstützt werden können, denn der andere Unterricht muss ja auch weitergehen. Wenn die Kinder auf Elternwunsch in der Notengebung bleiben, was meistens der Fall ist, müssen sie die ganz normalen Leistungsnachweise mitschreiben und man kann sich vorstellen, wie frustriend das ist, wenn sie meistens ihre entsprechenden Noten bekommen. Dennoch ist ein Wiederholen einer Jahrgangsstufe in 3/4 ein Kunsttück, wer in D, M, HSU jeweils eine 5 hat, kommt durch, es muss schon mindestens eine 6 dabei sein.
Anders sieht es aus bei Kindern mit Hörproblemen, die eine FM- Anlage brauchen. (Bei einer FM- anlage spricht der Lehrer in ein Mikrofon und der Schüler hört die Stimme des Lehrers direkt am Ohr.) Solche Kinder gibt es immer wieder. Wenn nur das Hörvermögen das Problem ist, kommen diese Kinder gut mit. Für den Lehrer ist es allerdings etwas grenzwertig, immer diese Anlage tragen zu müssen. Man muss immer darauf achten, wenn man sie an- und ausschaltet, sonst bekommt das Kind immer alle Gespräche des Lehrers mit den anderen Kindern mit. Ich habe es zwar gemacht, wenn es nötig war, aber ich bin froh, wenn ich in einer Klasse kein Kind habe, das diese Anlage braucht. Manchmal wird in meinen Augen diese auch zu früh verordnet, vor allem wenn es keine diagnostizierten anatomischen Probleme gibt. Wenn ich die Anlage da ausgeschaltet habe, habe ich keinen Unterschied bei dem Kind gemerkt.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ich habe ähnliche Kinder in meinen Klassen und ähnliche Probleme, aber auch andere Möglichkeiten. Die Kinder werden aus dem Lehrgang genommen, in Absprache mit den Eltern schon vor der Überprüfung.
Die Überprüfung selbst kann spätestens ab Klasse 2 erfolgen, ein Schulwechsel steht nicht an und hier sind die Eltern, die ihr beeinträchtigtes Kind auf die Regelschule schicken, damit zufrieden.
Dass das Kind den Schulabschluss nicht erreichen wird, sehe ich bei manchen dieser Kinder, bei anderen kommt das Lesen verzögert, dann aber häufig auch ein Sprung in der Entwicklung, sodass sie vieles schaffen können. Auch in Mathematik gibt es einen Punkt, da manche dieser Kinder schriftliche Rechenarten durchaus bewältigen können und mit dem schriftlichen Rechnen besser zurecht kommen, sodass sie manchmal in Klasse 4 wieder anschließen können. Da gibt es andere schwache Schüler, die nie besser voran kommen und dann immer weniger bereit sind, sich auf Aufgaben einzulassen, weil ihnen Grundlagen fehlen. Da fehlt für letztere auch die Förderung bzw. regulierende Maßnahmen.

Auch ich habe SuS mit verschiedenen Schwerpunkten, auch ich habe Erfahrung mit Kindern mit Hörproblemen und kann sagen, dass dies eben nicht allein mit einer FM-Anlage ausreichend versorgt werden kann, denn in der Regel haben diese Kinder eine Entwicklungsverzögerung oder sogar eine nicht aufzuholende mangelnde Entwicklung im Bereich der akustischen Verarbeitung, sodass sie nicht in der Lage sind, Arbeitsanweisungen oder anderes zu behalten und eine Handlung daraus abzuleiten. Solange die Kinder nicht lesen können, ist dies über Schriftliches nicht zu vermindern. Wenn sie es können, bleibt die Frage, ob sie die Fähigkeiten, einen selbst gelesenen Text zu verarbeiten, erlangen, denn offensichtlich besteht hier ein Zusammenhang zur auditiven Verarbeitung.

Ein wie auch immer differenziertes Schulsystem kann nur gelingen, wenn die Ressourcen passen. Da aber seit Jahren an Lehrkräften, Förderstunden, Förderschul-Lehrer-Stunden etc. immer weiter gestrichen wurde, schon im „normalen“ System, reichen diese nun nicht mehr aus, nicht einmal für den normalen Unterricht und eine Reserve ist im System nicht enthalten. Vertretung wird von nicht ausgebildeten Personen übernommen, was das Land selbst so geplant und umgesetzt hat.
Mit der Inklusion braucht es zudem für Förderschulen und Regelschulen Personal. Zudem ist offenbar nicht bedacht worden, dass es in Förderschulen helfende Menschen und Therapeuten gibt, die nun den Kindern in den Regelschulen verwehrt bleiben. Sprachtherapie im System für Kinder mit Förderbedarf Sprache gibt es an den Regelschulen nicht. Pädagogische Mitarbeiterinnen gibt es an Förderschulen zum Schwerpunkt Geistige Entwicklung, nicht aber in Regelschulen.
„Da Inklusion in aller Munde ist, haben wir jetzt wesentlich mehr Inklusionskinder an der normalen Grundschulen ohne dass sich etwas Gravierendes (dass man das auch effektiv merkt) in der Personalsituation geändert hat. “
Das ist genau der Punkt.

Erschreckend ist auch, dass sich die zuständigen Stellen immer mehr den Schwarzen Peter zuschieben und niemand zuständig sein will. Antragsverfahren werden immer schwieriger, Hürden beliebig verändert, Testergebnisse beliebig ausgeweitet und Kriterien offenbar auch halbjährlich verändert, sodass die Hilfe, die auf dem papier möglich wäre, in der Praxis nicht gewährt wird.
DAS müsste nicht sein, wenn von Beginn an klare Zuständigkeiten und klare Richtlinien vereinbart worden wären und wenn nicht immer das Geschachere um Finanzierung von Schulträger, Landkreis und Land der eigentliche Anlass wäre.

Da kann man über eine schlechte Umsetzung diskutieren und deutlich sagen, dass Inklusion so nicht gelingt.
Es ist aber etwas anderes, damit die Inklusion ganz und völlig in Abrede zu stellen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ich stelle die Inklusion nicht in Abrede, weil ich vom Potenzial der Schüler in Großgruppen ausgehe. Für die meisten nicht rein körperlich behinderten Kinder bleiben da nur die Förderschule oder aufgrund der Klientel mit Einschränkungen die Hauptschule.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Sie stellen die Inklusion nicht in Abrede, solange Sie ihrem erbastelten Begriff entspricht: Kognitiv und auch körperlich homogene Gruppe, die Ihrem Unterricht folgt.
Nach Ihren Ausführungen kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie in Ihrem Unterricht etwas ändern würden. Der Schüler passt in Ihren Unterricht oder gehört auf eine andere Schule. Ein körperlich Beeinträchtigter ist bei Ihnen jemand, der nicht laufen kann. Sport erteilen Sie nicht. Dass es aber Kinder oder Jugendliche gibt, die das Schulbuch nicht blättern und den Stift nicht halten können, scheint in Ihrer Vorstellung nicht gegeben. Was dann, selbst wenn der Betroffene kognitiv durchaus in der Lage wäre, Ihrem Unterricht zu folgen?
Was ist mit SuS, die nicht hören können, deren Wahrnehmung in Teilen eingeschränkt ist, die aber dennoch kognitiv locker das Abitur ablegen?

Maren
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@Palim
So gut wie niemand hat hier die Inklusion „ganz und völlig in Abrede“ gestellt“. Schon vor Jahrzehnten wurden Kinder mit Behinderungen, wenn irgend sinnvoll und möglich, an der Regelschule gehalten.
Erst die radikale Lösung durch das Inklusionsgesetz wurde und wird zu Recht heftig kritisiert. Ihre Gegner sprechen zur Vermeidung von Missverständnissen fast immer von der „radikalen Inklusion“, die sie aus sachlichen, aber auch humanitären Gründen ablehnen.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Maren

Die radikale Inklusion sehe ich noch gar nicht. Da sind wir doch noch lange nicht.
Die meisten Kinder mit Beeinträchtigungen gehen in den meisten Bundesländern weiterhin auf Förderschulen.

Inklusion bedeutet, dass das System an die Bedürfnisse angepasst wird. Auch das geschieht nicht. Kinder mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen werden in Regelschulen gesetzt, ohne dort etwas zu ändern. Als Inklusion, ob radiakal oder nicht, kann man das gar nicht werten.

Maren
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sie schreiben: „Die radikale Inklusion sehe ich noch gar nicht. Da sind wir doch noch lange nicht.“
Na toll, dann kann’s ja noch heiterer werden. Hauptsache die schöne Theorie geht dabei nicht zu Bruch.
Weiter schreiben Sie: „Inklusion bedeutet, dass das System an die Bedürfnisse angepasst wird.“
Genauso sehe ich das auch. Deswegen wurde ja einstmals ein gegliedertes Schulsystem geschaffen, zu dem auch Förderschulen mit Experten und unterschiedlichen Bedürfnis-Schwerpunkten gehörten.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ich habe nicht gemeint, das gesonderte Schulen geschaffen werden sollen, sondern dass die Regelschulen, die Kinder mit Beeinträchtigungen aufnehmen, entsprechende Unterstützung unterschiedlichster Art erhalten müssen.
Dazu gehören z.B. akustische Dämmung, die allen zu Gute kommt, Barrierefreiheit, die letztlich für alle mehr Platz bedeutet, und bessere personelle Ausstattung, die Förderung nicht allein für die Beeinträchtigten, sondern für alle ermöglicht, und zugleich Experten mit einbindet.

Inklusion bedeutet eben auch, dass Kinder mit Förderbedarf nicht die Schule wechseln müssen, sondern in der Regelschule mit anderen Kindern gemeinsam aufwachsen dürfen und dort beschult werden können.
Die „entmutigenden Erfahrungen“, die immer alle unterstellen, müssen gar nicht sein, wenn Kinder individuell gefördert werden können, wenn Förderstunden vorhanden sind, wenn technische oder personelle Hilfen kein kompliziertes Antragsverfahren brauchen, sondern systemimmanent, wie z.B. bei der Frühförderung und in inklusiven Kindergärten, vorhanden wären, wenn das Nebeneinander unterschiedlicher Begabungen als Normalität gilt, statt generell Aussonderung und Homogenität anzustreben.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

palim, warum ist es keine Aussonderung, wenn ein Kind an der Regelschule ausschließlich eigenes Material von einer speziellen Lehrkraft bekommt? Darauf wird es nämlich im von Ihnen angenommenen Idealfall hinaus laufen.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

„warum ist es keine Aussonderung, wenn ein Kind an der Regelschule ausschließlich eigenes Material von einer speziellen Lehrkraft bekommt?“
Das Kind bekommt Material von der Lehrkraft, wie alle anderen auch.
Da es ja keine Homogenität gibt, wie Frau Prashuhn bestätigte, gibt es für die heterogene Gruppe eine Vielzahl an Differenzierungen. Somit bekommen die SuS manchmal gleiche und manchmal unterschiedliche Aufgaben. Das betrifft alle, nicht einzelne.
Das Kind, das schon nach 10 Wochen in der 1. Klasse dem Lehrgang nicht folgen kann, weil es weder Zahlen noch Buchstaben behält, bekommt in D und Ma in Teilbereichen andere Aufgaben, kann aber auch in vielen Teilbereichen dennoch mitarbeiten. Es kann Jahre dauern, bis dieses Kind lesen kann oder Grundlegendes sicher rechnet, aber Kinder mit Förderbedarf Lernen können denken, diskutieren, experimentieren, gestalten wie die meisten anderen auch. Und andere Kinder ohne Förderbedarf benötigen zum Teil aus anderen Gründen zusätzliche Hilfen oder Materialien in Deutsch und Mathematik, weil das Lernen nicht so gradlinig verläuft, wie manche es sich offenbar stets vorstellen.
Das Kind, das nicht richtig hören kann, benötigt viele zusätzliche Erläuterungen, schreibt, liest und rechnet aber besser, als andere. Das Kind, das nicht richtig hören und sprechen kann, braucht auch viel Hilfe, lernt eher im schriftlichen Bereich, kann sich aber kaum äußern, weil die Satzstrukturen nicht vorhanden sind. Die von Ihnen stets eingeforderten kognitiven Leistungen sind somit gegeben, dennoch besteht Förderbedarf.
Das Kind, das die deutsche Sprache noch nicht beherrscht, wird diese lernen müssen, kann aber ggf. rechnen und vor allem ist es so kommunikativ, dass es sich mit den anderen verständigen kann und Anschluss findet und im Austausch mit den anderen viel schneller Deutsch lernen wird.

Immer, wenn eines dieser Kinder dem Unterricht folgen kann, tut es das, wie die anderen auch. Wenn dies durch die Beeinträchtigung nicht möglich ist, braucht es Hilfe oder andere Aufgaben.

Wegen der Beeinträchtigung und zur Förderung dieser Kinder wünsche ich mir sehr viel mehr Unterstützung und Hilfe, die ich mir auch für andere Kinder ohne Förderbedarf wünsche, wenn die Differenzierung im Unterricht allein nicht ausreichen kann. Gerade in den ersten Jahren verpasst durch mangelnde Förderung einen Großteil dessen, was möglich und nötig wäre. Dafür habe ich kein Verständnis. Je älter die Kinder werden, desto schwieriger ist es, das inhaltlich aufzuarbeiten und die Kinder selbst zu stärken.

Im übrigen ist die Lehrkraft stets die eine, die den Unterricht in der Klasse erteilt. Die zusätzlichen Stunden sind extrem gering oder gar nicht existent in der Praxis. Einen Anspruch darauf hat weder das Kind noch die Lehrkraft. Die Vorstellung, dass die Förderschullehrkraft allein für die Inklusion zuständig wäre und die Regelschullehrkraft nicht, zeugt davon, wie wenig Sie sich mit der Inklusion selbst auseinandergesetzt haben. Aber das wussten wir beide ja schon. Vielleicht nehmen Sie sich mal vor, an Ihrem Inklusionsbegriff noch ein wenig weiterzubasteln… kann ja noch werden 😉

Ursula Prasuhn
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@Palim
„Es ist eine bekannte Tatsache, dass man mit gewissen Schlagworten der leichtgläubigen Menge nach Belieben Sand in die Augen streuen kann.“
(Bertha von Suttner, Friedensnobelpreisträgerin 1905)
„Aussortieren“ und „Abschieben“ sind für mich solche Schlagworte, obwohl teure Sonderschulen keineswegs aus diesen Gründen eingeführt wurden, sondern um Kinder mit Behinderungen besser ins Schulsystem integrieren, fördern und aufs spätere Leben vorbereiten zu können.

Es ist ein Jammer, dass mit abschreckenden Worthülsen etwas Gutes ruiniert werden kann und an seine Stelle etwas tritt, das auf reinen Glaubens- und Wunschbehauptungen beruht mit den typischen Wörtchen „wäre“, „würde“, „hätte“ oder „könnte“.
Im Konjunktiv und unter der Vorbedingung von „Wenn“ geht alles. In meinen Augen ist es fahrlässig, eine radikale Inklusion zu verteidigen, die anfangs kaum und später – auf Grund schlimmer Erfahrungen – immer mehr unter den Vorbehalt von „Wenn“ gestellt wurde.
So kann man die Inklusion und „Eine Schule für alle“ bis in alle Ewigkeit als theoretisch gut und segensreich verkaufen, auch wenn sie es nicht ist und nur „wäre, wenn…“.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Vielleicht unterlassen Sie es, mit Ihren Worthülsen in Abrede zu stellen, was in meinem Alltag tatsächlich geschieht. Wenn Sie nicht in einer Schule arbeiten, in denen Kinder mit und ohne Förderbedarf in einer Klasse sind, können Sie ruhig erfassen, dass es dies bereits gibt und dies trotz widrigster Umstände und mangelhafter Förderung für die Kinder gut verlaufen kann.

Förderschulen waren auch in der Vergangenheit nicht immer segensreich für alle Kinder. Das können Sie sich gerne weiter einreden, dazu braucht es aber nicht allein einen Fall wie den von Nenad in NRW, um zu sehen, dass es auch dort Fehlentwicklungen gab.

Wenn sie zudem immer meinen, gegen „Radikalinklusion“ zu wettern, von der hier noch gar nicht die Rede ist, und die Diskussion stets mit dem Ansatz von „Eine Schule für alle“ zu unterfüttern, von der auch keiner schrieb, könnte man Ihnen ebenso unterstellen, dass sie für „Radialexklusion“ plädieren: Dann müssten alle Kinder mit allen Beeinträchtigungen, Entwicklungsstörungen und -verzögerungen, psychischen Auffälligkeiten und anderer Erstsprache die Regelschule verlassen. Ein ebenfalls theoretischer Ansatz, bei dem ich mich jedes Mal Frage, wer dann in der Praxis die Entscheidungen trifft und ob sich sich fernab der Regelschulen jemand um diese Kinder kümmern darf. Offenbar ist ja „Eine Schule für Auserwählte“ das Ziel, nach dem man streben sollte.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Palim schrieb @ Ursula Prasuhn: „Wenn sie zudem immer meinen, gegen ‚Radikalinklusion‘ zu wettern, von der hier noch gar nicht die Rede ist, und die Diskussion stets mit dem Ansatz von “Eine Schule für alle” zu unterfüttern, von der auch keiner schrieb […]“

Hätten Sie den gesamten Diskussionsstrang gelesen, dann wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass es der sich oben äußernde Herr Prof. Wocken ist, der ganz dezidiert die von ihm vertretene radikale Form der Inklusion mit der von den Grünen propagierten „Einen Schule für alle“ verknüpft.
https://www.gruene-hannover.de/sites/gruene-hannover.de/files/einladung_inklusion_1.pdf

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Hätten Sie die Beiträge gelesen, wüssten Sie, dass Frau Prasuhn mir gerne unterstellt, es seien nur theoretische Phrasen, während sie ysnps Beitrag als Inklusionspraxis anerkennt.
Bayern ist nicht Niedersachsen, ysnps und mein Standpunkt sind unterschiedlich, Praxis ist dennoch beides.
Sobald die Praxis aber nicht der Ablehnung der Inklusion gilt, wird die Schreibende persönlich angegriffen und unterstellt, man sei keine Lehrkraft. An sachliche Diskussion, die ja auch immer wieder eingefordert wird, grenzt das nicht.

Zudem gibt es keinerlei Ausführungen derjenigen, die Inklusion ablehnen, dazu, wie es denn in der Praxis dann umgesetzt werden soll, außer der Feststellung, dass die SuS in der Regelschule nicht gut aufgehoben wären. Da hätte ich gerne mal einen Gegenentwurf, der sich auf mehr erstreckt, als auf Förderschulen vor 20 Jahren, und der in den Blick nimmt, wie den damaligen Nachteilen und heutigen Herausforderungen begegnet werden könnte. Es reicht nicht, sich in ein „früher war alles besser“ zurückzuziehen, aber keine konstruktiven Vorschläge zu erarbeiten.

Im übrigen bin ich nicht Herr Wocken und muss weder seine Diskussionsbeiträge von 2011, noch seine Äußerungen oder seine Meinung verteidigen. Das darf er gerne selbst tun.

Und wenn Sie selbst mit ihm in eine Diskussion treten möchten, dann machen Sie das hier über das Forum oder schreiben Sie ihm eine Mail. Vielleicht hilft es, die Standpunkte zu schärfen oder einen Weg zu eröffnen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Palim schrieb: „Sobald die Praxis aber nicht der Ablehnung der Inklusion gilt, wird die Schreibende persönlich angegriffen und unterstellt, man sei keine Lehrkraft. An sachliche Diskussion, die ja auch immer wieder eingefordert wird, grenzt das nicht.“

Behaupten Sie, Palim.
Ewald Kiel, der zur Zeit ein Inklusionskonzept für die Stadtschulen Münchens entwirft, entgegnet folgendes.

Zitat: „Der Umgang mit Skepsis ist einer der spannendsten im Inklusionsdiskurs. Dies gilt ganz besonders, wenn wir uns den wissenschaftlichen Diskurs anschauen. So gilt das Denken, dass der Glaube an ideologische Vorgaben besonders wichtig sei. In den vergangenen 15 Jahren ist zum Thema Inklusion viel publiziert worden, auch ein eher kleiner Korpus qualitativ hochwertiger Studien. Jedoch lassen sich für die Masse der bisher vorhandenen Studien eine Reihe von Defiziten konstatieren und andererseits eine mangelnde Diskussion missliebiger Ergebnisse. Was die Defizite anbelangt, so finden sich vor allem häufig kleine Stichprobengrößen, unklare Stichprobenzusammensetzungen, eine Überrepräsentation von Studien aus dem Bereich der Lernbehindertenpädagogik und insgesamt einen Mangel an Studien, die komplexe qualitätsvolle Statistik auf den Untersuchungsgegenstand anwenden.

Die große Überrepräsentation von Studien aus dem Bereich der Lernbehindertenpädagogik verschleiert, dass die Inklusion von Personen aus dem Bereich der Geistigen Behinderung oder Verhaltensauffälligkeit erheblich schwieriger ist, als die von Lernbehinderten. Klare Konzepte, wie dies gerade bei diesen beiden schwierigen Gruppen funktionieren solle, gibt es nicht.

Ansprechen darf man das kaum, weil man dann gegen das zentrale Dogma verstößt, dass alle Menschen gleich seien und man keine zwei oder mehr Gruppen identifizieren dürfe. Die kleinen Stichprobengrößen lassen komplexe Statistiken, auf deren Basis Aussagen über Wirksamkeit überhaupt erst möglich sind, unmöglich erscheinen. In der Diskussion stiefmütterlich behandelt wird die international dokumentierte Tatsache, dass Schüler in inklusiven Settings zwar bessere Leistungen zeigen, das soziale Exklusionsverhalten und die psychosoziale Belastung jedoch steigt. Hinzu kommt: Die allseits geforderten Schulstrukturreformen im Hinblick auf Inklusion lassen sich empirisch kaum rechtfertigen.

Fasst man diese zugegebenermaßen skizzenhafte Vereinfachung zusammen, dann lässt sich durchaus argumentieren, dass in einer einseitig geführten Diskussion marginalisiert wird, was nicht zu den postulierten Werten passt. Ein im Karl Popperschen Sinn falsifizierendes Denken ist dies nicht, es geht um den richtigen Glauben. Abweichler seien in ihrer Entwicklung einfach noch nicht so weit oder sie müssten noch Trauerarbeit über den Verlust der ihnen bekannten (nicht-inklusiven) Welt leisten, heißt es dann.“
https://www.cicero.de/innenpolitik/inklusion-schule-religion-debatte-paedagogik-dogma-wissenschaft

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ewald Kiel schreibt weiter.

Zitat: „Eine besondere Rolle spielen auch die Wissenschaftler, die radikale Inklusion einerseits legitimieren und andererseits praktische Umsetzungsmodelle entwickeln sollen.

Die kanonischen Texte zur Inklusion, die Behindertenrechtskonvention oder die davor formulierte Salamanca-Erklärung sind notwendigerweise vage, weil sonst zwischen mehr als hundert Nationen kein Konsens erzielt werden kann.

Exegese ist deshalb in vielerlei Hinsicht notwendig. Wie in jeder guten religiösen Auseinandersetzung sind die Exegeten sich nicht einig.

So gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Inklusion.

Schaut man sich diverse Handbücher an, etwa das ‚Handbuch für Inklusion und Sonderpädagogik‘ wird dieser Mangel nicht nur sichtbar, sondern explizit beklagt. Ein solcher Streit befördert wissenschaftliches Denken nur begrenzt, denn die Grundlage jeder Wissenschaft sind klare Operationalisierungen dessen, worum es eigentlich geht.“
https://www.cicero.de/innenpolitik/inklusion-schule-religion-debatte-paedagogik-dogma-wissenschaft

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Danke, dass Sie für mich Herrn Kiel anschreiben, ihm meine Äußerungen mitteilen und diese hier ins Forum stellen, damit er mir direkt etwas entgegen kann, so wie Sie es ja darstellen.

Tatsächlich ist mir an einem unvermittelten Austausch zwischen den Beteiligten und direkten Diskussion mehr gelegen, als an Ihrer Vermittlung von Äußerungen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ich schreibe nicht Herrn Kiel an und ich teile ihm auch nichts mit, sondern ich zitiere (auf Sie, Palim, gemünzt) aus seinem Beitrag im Cicero, in welchem er darstellt, in welcher Weise Menschen wie Sie, Palim, argumentieren.

Zitat Ewald Kiel: „Wesentliches Mittel der Werbung für die eigene Überzeugung und der Abwehr derjenigen, die der Inklusionsüberzeugung in ihrer radikalen Form nicht folgen wollen, ist das, was Herbert Marcuse ‚repressive Toleranz‘ nennt.
Dieser schöne Ausdruck bedeutet im Kern, Toleranz gelte nur für fortschrittliche Ideen und nicht für wie auch immer geartete rückschrittliche Ideen.

In diesem Sinne kann man diejenigen, die Zweifel an einer radikalen Inklusion äußern, durchaus beschimpfen. So assoziieren manche Autoren jede Pädagogik, die von Normalitätskonzepten ausgeht, also auch viele Sonderpädagogiken, mit Begriffen wie ’sexistisch‘, ‚rassistisch‘ und ’sozialdarwinistisch‘.

Das heißt, wenn man verbal auf die Ungläubigen eindrischt, ist dies im Sinne der guten Sache durchaus gerechtfertigt. Hier fragt man sich, gilt die wertschätzende Interaktion der Inklusion nicht auch für anders Denkende?“
https://www.cicero.de/innenpolitik/inklusion-schule-religion-debatte-paedagogik-dogma-wissenschaft

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

„Behaupten Sie, Palim.
Ewald Kiel, der zur Zeit ein Inklusionskonzept für die Stadtschulen Münchens entwirft, entgegnet folgendes.“

Schreiben Sie, AB.
Das ist Ihr einziger eigener Beitrag hier, mit dem Sie suggerieren, Herr Kiel wäre in die Diskussion eingestiegen und würde auf meine Beiträge antworten.
Dem ist aber gar nicht so.

Die repressive Toleranz, die Herr Kiel beschreibt, kann man in beiderlei Richtungen ausüben. Ich sehe hier, dass Sie sie hier mit anderen ausüben, sobald jemand aus dem Alltag der Inklusion berichtet und Kinder kennt, die in diesem Setting durchaus ermutigt und gestärkt den Schulalltag bewältigen.

Seinen Vergleich zur Religion finde ich bezeichnend und gleichzeitig einnehmend. Ich bin in der Lage, mit Menschen anderer Religionen zu sprechen, mich auszutauschen, verschiedene Ansätze gegenüber zu stellen. Dazu muss ich die andere Religion nicht annehmen, es hilft aber, sich auszukennen und anzuerkennen, statt ohne nähere Kenntnis Fremdes abzulehnen. Dank der Religionsfreiheit muss ich nicht zitieren, was andere schreiben, sondern darf eine eigene Meinung entwickeln und äußern. Das darf es als Inklusionsfreiheit auch gerne geben.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ich suggeriere eben nicht, sondern ich kennzeichne sehr deutlich, wen und wann ich zitiere. Im Unterschied zu anderen pflege ich meine Thesen nämlich entweder durch Quellen zu belegen, oder ich zitiere direkt aus der Quelle – wie hier geschehen. Dies wiederum ist nur möglich, weil ich mich grundsätzlich nur zu Themen äußere, mit denen ich mich intensiv beschäftigt habe bzw. beschäftigen musste. Dementsprechend kann ich bei diesen Themen auf viele Quellen zugreifen. Nicht notwendigerweise müssen diese Quellen immer meine persönliche Sicht auf die Thematik wiedergegeben. Das kann so sein, muss es aber nicht. In jedem Fall jedoch kommen mehr Positionen zum Tragen als es bei Ihrer Haltung, die stets nur mit Unterstellungen („ohne nähere Kenntnis Fremdes abzulehnen“) arbeitet, der Fall ist.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Welche Thesen?

„Nicht notwendigerweise müssen diese Quellen immer meine persönliche Sicht auf die Thematik wiedergegeben. Das kann so sein, muss es aber nicht. “
Richtig. Sie setzen Zitate. Thesen formulieren sie keine. In die Diskussion steigen Sie gar nicht ein.

Wenn Sie aber wortwörtlich schreiben, dass mir jemand etwas entgegenen würde, dann stellen Sie Bezüge her, die nicht vorhanden sind.

P.S. bei der Ablehnung Fremder hatte ich hier an jemand anderen gedacht. Tatsächlich hat Herr Kiel seine Worte auch nicht an Sie, AB, gerichtet. Das genau ist der Unterschied zwischen einer Diskussion zwischen Menschen und einem Abbilden von Zitaten.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

P.S. Einer mitdiskutierenden Person rieten Sie in diesem Diskussionsstrang zum Beispiel, „an Ihrem Inklusionsbegriff noch ein wenig weiterzubasteln“.

Ewald Kiel hingegen stellt im Cicero sehr deutlich klar: „So gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Inklusion.“ (Der Link zur Quelle taucht hier nun oft genug auf, denke ich.)

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

P.P.S. Schon mal davon gehört, dass öffentliche Debatten teilweise nur über Zitate in den Medien stattfinden? Und wenn Sie bei der Ablehnung Fremder „an jemand anderen gedacht“ haben, dann kann das erstens niemand hier im Forum ahnen und gehört zweitens nicht unkommentiert in einen Beitrag, der sich auf mich bezieht. Drittens sollten Sie erkennen können, dass Herr Kiel seine Äußerungen öffentlich gemacht hat. Damit richten sich diese Äußerungen an – genau – die Öffentlichkeit, also an Sie (Palim), an mich, an jede(n). Das macht eine öffentliche Debatte aus.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Mein Beitrag ist auch öffentlich und richtet sich nicht allein an Sie. Warum auch?
Den Hinweis an xxx, er möge seinen Inklusionsbegriff überdenken, lesen und kommentieren Sie ja auch, obwohl er gar nicht an Sie gerichtet war. Das bringen Beiträge in öffentlichen Foren mit sich.

Wenn Herr Kiel keine allgemeingültige Definition benennen oder sich keiner anschließen möchte, wird seine Aufgabe für ihn ungleich schwieriger, sein Ergebnis wird sich ja an Kriterien der Inklusion messen lassen müssen.
Im Klappentext zu einem seiner Bücher heißt es:
„Die Frage nach den Umsetzungen und nach den Herausforderungen eines inklusiven Bildungssystems wird bislang selten gestellt. Der in der Diskussion vielleicht am meisten vernachlässigte Bereich ist die Sekundarstufe. Die notwendigen Veränderungen von Werthaltungen, didaktischen Konzepten, Formen der Schulentwicklung und -organisation oder neue Formen der Weiterbildung stehen nicht im Fokus des Diskurses. Das Buch wird diesen bislang kaum behandelten Schauplatz der Inklusion vor einem möglichst breiten Themenhorizont erschließen.“
Da darf man gespannt sein, was er für München vorschlägt und auf welche Weise er als studierter Gymnasiallehrer die Gymnasien mit einbeziehen wird.

Ursula Prasuhn
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ihre sachlichen Ausführungen zur Inklusionspraxis gefallen mir, ysnp. Auch ich bin überzeugt, dass viele behinderte Kinder entmutigende Erfahrungen in Regelschulen machen (müssen) und für sie eine „Förderung in Kleingruppen von Experten die wesentlich bessere wäre“.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor

Hier noch ein sehr lesenswerter Artikel zur Inklusions-Debatte: https://www.cicero.de/innenpolitik/inklusion-schule-religion-debatte-paedagogik-dogma-wissenschaft

ysnp
5 Jahre zuvor

Inklusive Kinder kann man nicht über einen Kamm scheren. Die Integration ausschließlich körperbehinderter Kinder ist überhaupt kein Problem, wenn die Schule entsprechend gebaut, technische Möglichkeiten vorhanden und evtl. eine Schulbegleitung mit dabei ist.

Sozial Beeinträchtigte haben wir schon lange in den normalen Klassen und das sind die, die uns vor große Probleme stellen, weil sie eben irgendwie in der Klassengemeinschaft zurecht kommen müssen und diese dadurch oft beeinträchtigt wird und auch der Unterricht dadurch nicht so gut stattfinden kann. Für solche Kinder gibt es in Bayern so oder so so gut wie keine Förderschulen, eher begrenzte Aufenthalte in Orten, die an Kliniken angegliedert sine. Für solche Kinder bräuchte man viele Sozialarbeiterstunden in den Schulen und auch kleinere Klassen.

Dann gibt es noch die Gruppe derjenigen, die mit einer normalen Intelligenz ausgestattet sind, aber verschiedene Teilleistungsstörungen zeigen. Diese bräuchten zusätzliche Unterstützung durch eine 2. Lehrkraft in der Klasse.
Nebenbei: Es gibt Schüler, die sich bei der Einschulung so zeigen, dass sie für alles länger Zeit brauchen, doch je früher, desto eher besteht die Möglichkeit, dass sie diese Defizite aufholen. Ich hatte schon Schüler, die haben die ersten beiden Klassen in drei Jahren an einer besonderen Förderschule gemacht, kamen dann zu mir im 3. Schuljahr, kamen ganz normal mit und gingen dann auf die Realschule und einer sogar aufs Gymnasium.

Die nächste Gruppe sind die Lernschwachen, die ich in meinem obigen Beitrag beschrieben habe. Sie werden immer hinterherhinken und länger Zeit selbst für die Grundlagen brauchen. In kognitiv orientierten Fächern wie D, M, Sachunterricht und Englisch ist es für diese Schüler sehr schwer, mit den anderen mitzuhalten. Sie bräuchten ein sinnvolles, eigenes Programm und immerwährende Hilfe von einer weiteren Lehrkraft. Sie sind seltener in der Lage, etwas selbstständig zu erarbeiten.

Dann kommt noch die Gruppe der so stark beeinträchtigten Schüler inkl. geistiger Behinderung, dass sie eine Schulbegleitung brauchen. Hier kann nur die soziale Integration das Ziel sein. Mir hatten vor längerer Zeit einen geistig behinderten Schüler, der vom Unterricht nicht viel mitbekam, nicht sprechen konnte, sich durch Laute äußerte, auch die Unzufriedenheit. Wenn der Unterricht dadurch zu stark gestört war, ging er mit seiner Schulbegleitung auf den Gängen auf und ab. Dieser Schüler hatte außer der sozialen Integration keine große Förderung, was speziell seine Behinderungen betraf. Ist das vertane Zeit?

Last not least haben wir noch eine Gruppe, die besondere Hilfe braucht: das sind diejenigen, die wenig Deutsch können. Auch diese kann man nicht alleine lassen.

Wenn man alle diesen Behindertengruppen plus letzte Gruppe und dazu noch den normal beschulbaren Kindern gerecht werden will, braucht es kleine Klassen, ganz viel Personal und viel Exklusivität bei besonderen Förderungen, um die Kinder weiterzubringen.

Man kann auch die normalen Kinder nicht allein lassen; ein guter Unterricht ist nicht der, wo jeder allein gelassen nach seinen Fähigkeiten herumwerkelt, sondern wo der Lehrer die Lernprozesse optimal fördert. Und dazu gehört eben auch das gemeinschaftliche Nachdenken über ein Thema, das Entwickeln von Lösungen in Diskussionen, die Herausforderung, sich über etwas Gedanken zu machen. Der Unterricht in Deutschland muss hoch qualifiziert sein, um Schüler bei der Stange zu halten.
Wir sind auch nicht in einem Land, wo Schüler gerne etwas lernen wollen, wie in bestimmten Entwicklungsländern, wo Schüler froh sind, dass sie zur Schule gehen dürfen und dankbar für jede Art von Unterricht sind. (Z.B. in Indien gibt es Schulen, wo die Schüler materialgestützt sehr motiviert bestimmte Programme abarbeiten und die Lehrkraft nur ab und an hilft.)

Wie soll das alles bei unserem derzeitigen Schulsystem mit viel zu großen Klassen und wenigen inneren Differenzierungsmöglichkeiten, keine Abschlussanerkennung bei nicht Erreichen der Lernziele gelingen?

Im Gegensatz dazu haben bei uns die Förderschulen (vor allem die L- Schulen) den Ruf, dass sie sich sehr um ihre Schüler bemühen, versuchen ihnen einen Hauptschulabschluss zu verschaffen, wo es geht und sich um Lehrstellen ihrer Schützlinge bemühen.

Löst eine inklusive Schule wirklich das gesellschaftliche Problem, nämlich den Umgang mit behinderten Menschen? Bei bestimmten Behinderungen wird zumindest das Verständnis der Mitschüler für die Behinderung geweckt. Hoffen wir, dass es nachhaltig ist.
Haben behinderte Menschen einen Vorteil, wenn sie eine inklusive Schule besuchen? Für die meisten Behindertengruppen kann man es, was die Förderung betrifft, verneinen. Sie haben deutliche Nachteile.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

ysnp schrieb: „Im Gegensatz dazu haben bei uns die Förderschulen (vor allem die L- Schulen) den Ruf, dass sie sich sehr um ihre Schüler bemühen […]“

Nicht nur bei Ihnen, ysnp. Auch in Niedersachsen, wo sie unter Rot-Grün mit am massivsten bekämpft wurden.

Zitat: „Wie wichtig Förderschulen in der deutschen Bildungslandschaft sind, begreifen die meisten Menschen erst, wenn sie eine solche Schule besucht haben. Deswegen sollte jeder Politiker, der auch nur ansatzweise darüber nachdenkt, diese Schulen infrage zu stellen, dort einmal ein Tagespraktikum absolvieren.

Was die Lehrer, Erzieher und Therapeuten an der Wiehengebirgsschule leisten, kann keine Regelschule der Welt auf die Beine stellen. Dazu fehlen den Regelschulen schlichtweg das Personal und das Know-how. Und selbst mit Abordnungen von Förderschullehrern an Regelschulen ist die Inklusion von Kindern mit geistigen Behinderungen oder Lernbehinderungen nicht zu schaffen.

Denn die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsleben hängt von den Fähigkeiten ab, die die Schüler in ihrer Schulzeit lernen. Um diese Schüler bestmöglich auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten, braucht es mehr als ein paar Stunden zusätzliche Förderung, wie sie die Inklusionskinder an den Regelschulen erhalten. Deshalb sind Förderschulen heute mehr denn je ein Muss als ein Kann in der Schullandschaft.“
https://www.noz.de/lokales/melle/artikel/991119/foerderschule-in-melle-ist-ein-muss

ysnp
5 Jahre zuvor

Ich stimme Ihnen zu, Aufmerksamer Beobachter, vor allem dem Zitat.

Dennoch müssen wir uns Gedanken machen, wie behinderte Menschen besser in unsere Gesellschaft integriert werden können. Da gibt es schon noch Nachholbedarf. Wenn das Gefühl ein anderes wäre bei Eltern von Betroffenen und überhaupt, dann würde es gar nicht zu dieser Forderung kommen.

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ich habe selbst mit psychisch kranken/seelisch behinderten Menschen gearbeitet und bei deren Integration in die Gesellschaft geholfen.
Und genau aus diesem Grund lehne ich die Inklusions-Heilslehre inklusive ihrer Gleichmacherei von Menschen aus tiefer innerer Überzeugung ab.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

„Haben behinderte Menschen einen Vorteil, wenn sie eine inklusive Schule besuchen? Für die meisten Behindertengruppen kann man es, was die Förderung betrifft, verneinen. Sie haben deutliche Nachteile.“

Dazu muss man festschreiben oder definieren, was genau in einer inklusiven Schule geleistet werden kann und soll und dazu braucht es eine Diskussion um die Ausstattung.

Verglichen werden hier Verhältnisse in BY und NDS, die gar nicht vergleichbar sind, da das System in BY anders aufgestellt und bereits in der Grundschule andere Möglichkeiten der Förderung eröffnet. Auch eine Rückbeschulung, die genannt wird, gab es in Nds. für Kinder, die ab Klasse 1 für 2-3 Jahre die Sprachheilklasse besuchten. Rückbeschulungen von Förderschulen waren a) extrem selten und b) kaum möglich, da der Übertritt ja erst nach 3 Schuljahren erfolgte, in der in den Grundschulen ohne Förderschullehrkräfte und Stunden auch keine Förderung erfolgte.

Verglichen werden hier auch „Radikalinklusion“, um die es eigentlich noch gar nicht geht, mit der Praxis, die in verschiedenen Bundesländern gelebt wird, nicht aber mit einem ebenso theoretischem Begriff wie „Radikalexklusion“. Die Vergleiche hinken also.

„Dennoch müssen wir uns Gedanken machen, wie behinderte Menschen besser in unsere Gesellschaft integriert werden können. Da gibt es schon noch Nachholbedarf. Wenn das Gefühl ein anderes wäre bei Eltern von Betroffenen und überhaupt, dann würde es gar nicht zu dieser Forderung kommen.“
Aus genau diesem Grund wählen Eltern die Inklusion und wünschen eine wohnortnahe Beschulung ihrer Kinder, die im Kindergarten möglich ist, ab der Einschulung aber plötzlich nicht mehr.

Ursula Prasuhn
5 Jahre zuvor

@Palim
Sie schrieben um 14:44: „Es reicht nicht, sich in ein ‚früher war alles besser‘ zurückzuziehen, aber keine konstruktiven Vorschläge zu erarbeiten.“ Dem könnte ich zustimmen, wenn Sie nicht so vereinfachten.
Es reicht nämlich auch nicht, Neues um des Neuen willen einzuführen. Reformen machen nur Sinn, wenn sie einen tatsächlichen und nicht nur herbeigeredeten oder vorgetäuschten Gewinn im Vergleich zu früher darstellen.
Die Inklusion ist ihren Vorschusslorbeeren nun mal nicht gerecht geworden und das Elend an den Schulen wird dadurch nicht kleiner, dass Schuldzuweisungen nur den unpersönlichen Rahmenbedingungen gelten und nicht auch dem einflussreichen Personenkreis aktivistischer Inklusionsvertreter, zu dem ich auch die GEW zähle.
Vorschnell und unbesonnen wurden lautstarke Lobeshymnen auf die Inklusion gesungen, die sich in der Praxis jedoch als Sirenengesänge entpuppten. An fehlende Rahmenbedingungen, wenn sie denn das A und O sind, hätte man schon vorher denken können und sogar müssen. Sie erst nachträglich als entscheidende Stolpersteine zu entdecken, klingt nach fauler Ausrede, zumal die Inklusionsskeptiker unermüdlich auf diese Hürden hinwiesen. Sie wurden jedoch gedeckelt mit dem hässlichen Urteil: „Wer Inklusion verhindern will, sucht Begründungen.“

Sie wollen konsequente Inklusion, Palim, und setzen Ihre Hoffnung auf zufrieden stellende Rahmenbedingungen. Ich dagegen sehe diese Inklusion skeptisch, kann Ihre Hoffnung nicht teilen und wünsche stattdessen die Rettung noch existierender Förderschulen.
Nach Begründungen dafür brauche ich nach wie vor nicht zu suchen, weil sie sich von selbst aufdrängen und die Realität an den Schulen mich nicht veranlasst, sie beiseite zu schieben.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Man hat vorab an die Bedingungen gedacht, hat sie eingefordert, hat sie angesprochen.
Die Landesschulbehörde in Nds. hat sich damals bis zum Schluss hinsichtlich der Ausgestaltung bedeckt gehalten. Längere Zeit wurde diskutiert, nach welchem Modell oder welchem Vorbild aus anderen BL die Umsetzung erfolgen würde.
Die verlinkte Veranstaltung, bei der Herr Wocken sich mit Herrn Wachtel ausgetauscht hat, nennt diesen Punkt ebenso, wie er in Diskussionen immer wieder angesprochen wurde und 2011 war der Erlass noch gar nicht öffentlich, die Stundenversorgung nicht festgesetzt, das erfolgte erst 2013, kurz vor der tatsächlichen Einführung in allen Grundschulen.
2012 hatte die benachbarte Förderschule 4 Stellenausschreibungen offen, die sie nicht besetzen konnte und Quereinsteiger, die sich einarbeiteten. Die Bedingungen an de Förderschulen waren auch nicht gut und sind es heute auch nicht, schon gar nicht wenn von großen Förderzentren für Schüler aller Schwerpunkte geredet wird.

Im übrigen lese ich in den alten Beiträgen, dass ich 2012, also vor der Inklusion, viele Bedenken hatte, die diejenigen, die keine Berührung damit haben, hier vortragen. Vieles davon hat sich inzwischen aufgelöst und geregelt. Übrig geblieben ist allerdings, dass die Stundenversorgung nicht klar gesetzt ist und dass Vorgaben schwammig geblieben sind.
Es ist das Sparen, das ich kritisiere, nicht der Gedanke Inklusion. Dass Kriterien, die nicht klar benannt sind, zum Zweck der Einsparung ständig verändert werden können, egal wie knapp die Ausstattung bereits ist, bewahrheitet sich in der Praxis.

Heike
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Den Gedanken Inklusion würde ich auch nicht kritisieren, wenn ich annähme, dass die Regelschulen die Vorzüge der Förderschulen für Kinder mit Behinderungen übernehmen und zusätzliche bieten könnten. Von beidem bin ich nicht überzeugt.
Der zuwendungsreiche Unterricht in Kleingruppen durch speziell ausgebildete Lehrkräfte fällt weg und an seine Stelle tritt eine innere Differenzierung mit viel Beschäftigungstherapie für alle Schüler, damit Ruhe herrscht. Wenige Stunden pro Woche durch Fachkräfte, die noch weitgehend für Diagnostik und Testiererei draufgehen, sind ein Witz und Augenwischerei. Sogar eine Doppelbesetzung und großzügige Genehmigung von Lernbegleitern können kein Ausgleich sein für die spezielle Zuwendung und Hilfe, die Förderschulen bieten.
Vor allem aber sehe ich nicht, dass behinderte Kinder sich im Regelunterricht als dazugehörig und nicht ausgegrenzt fühlen, auch wenn alle freundlich und hilfsbereit sind.
Die Eltern mögen das so sehen, aber sie sitzen ja nicht im Klassenraum und erleben nicht dasselbe wie ihre Kinder. Die Kinder merken doch ihre Sonderrolle und fühlen sich nur räumlich und äußerlich als dazugehörig. An einer Förderschule ist das anders, da fühlen sie sich in echter Gemeinschaft und unter ihresgleichen.
Mir sind das Nicht-Ausgrenzen und die viel beschworene Teilhabe viel zu formal gedacht und nicht so einfühlsam wie immer behauptet. Ständig mitzukriegen, dass man anders ist, anders behandelt wird und nicht wirklich dazugehört, stelle ich mir sogar ziemlich grausam vor

Aufmerksamer Beobachter
5 Jahre zuvor
Antwortet  Heike

Absolute Zustimmung, Heike!

Und auch viele Eltern sehen das so. Bereits 2015 kamen allein im Emsland über 7500 Unterschriften für den Erhalt der dortigen Förderschulen Lernen zusammen.
https://www.noz.de/lokales/meppen/artikel/576002/7627-unterzeichner-fur-erhalt-der-forderschulen-lernen-im-emsland

U. B.
5 Jahre zuvor
Antwortet  Heike

Auch von mir absolute Zustimmung, Heike! Ihre Worte sind erfrischend klar und lebensnah.

Ulrike
5 Jahre zuvor

Mein knapp 17jähriger mehrfach behinderter Sohn hat in Bayern ab 2009 die Grund- und Mittelschule (ehemalige Hauptschule) durchlaufen. Er wurde meist lernzieldifferent unterrichtet, wo es nötig war, in den Sachfächern konnte er dem Frontalunterricht folgen, hat sogar sehr vom Klassengespräch profitiert, weil er sich gut äußern kann und über einen umfangreichen Wortschatz verfügt. In der 4. Klasse waren – meinen Sohn eingeschlossen – 24 Schüler, von denen 20 entweder das Gymasium oder die Realschule besuchten. Die besten Schüler (allesamt sind ans Gymnasium gewechselt) haben mit meinem Sohn Gruppenarbeit gemacht. Es ist eine altbekannte Tatsache, dass das eigene Wissen gefestigt wird, wenn man es jemand anderen erklärt. Mein Sohn hat sehr darunter gelitten, dass nach der 4. Klasse die Klassengemeinschaft zerplatzt ist. Die in München bestehende Willy-Brandt-Gesamtschule (ja, die gibt es tatsächlich) ist am anderen Ende der Stadt und hätte ihn auch nicht nehmen dürfen, weil wir nicht im Schulsprengel oder Nachbarsprengel wohnen. Mein Sohn hatte die ganze Zeit über Schulbegleitung (unqualifizierte Hilfskraft, zu Anfang noch ein Zivi). In der Mittelschule war die Klasse dann deutlich unter 20. Das ist eine Restschule, sie ist aber die einzige Sekundarschule in Bayern, die Behinderte aufnimmt. Gymnasien und Realschulen dürfen nur Schüler aufnehmen, die die schulartspezifischen Anforderungen erfüllen. Die Mittelschulklasse meines Sohnes bestand aus 14 Schülern mit Migrationshintergrund, einem Mitschüler ohne Migrationshintergrund, der eine festgestellte Legasthenie hat, und meinem Sohn. Das war also Integration und Inklusion, nur gab’s halt keine Gruppe, in die integriert bzw. inkludiert wurde. Mein Sohn musste tageweise, wenn der Schulbegleiter erkrankt war, zwangsweise in die örtlich an der Schule untergebrachte Partnerklasse – eine Förderschulklasse geistige Entwicklung. Die Verhältnisse dort waren fürchterlich, obwohl die personelle Ausstattung mit zwei Lehrkräften und einer Schulbegleiterin bei nur acht Schülern etwas anderes suggeriert. Der Umgangston war rau und absolut herabwürdigend (ich war selbst dabei, man hat sich nicht davor gescheut, in meiner Anwesenheit einen Förderschüler übel zu beschimpfen). Und die Art der Bestuhlung wirkte auf mich wie kollektives Eckestehen: U-Form mit den Stühlen innen, so dass alle Schüler mit dem Gesicht zur Wand und dem Rücken zur Tafel saßen. Erst eine Klageandrohung meinerseits sorgte dafür, dass mein Sohn da nicht mehr hinmusste und in der Klasse bleiben durfte, auch wenn kein Schulbegleiter da war. Die Mitschüler haben ihn vorbildlich unterstützt. Seit Herbst 2018 besucht mein Sohn die Städtische Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung. Man hat mit allen Mitteln versucht, unseren Sohn da herauszudrängen. Das ist nicht gelungen, er wird bleiben. Keinesfalls wird er eine Fördereinrichtung besuchen und danach in einer Behindertenwerkstatt für umsonst arbeiten. Etwas Besseres als das werden wir für ihn auf jeden Fall finden. Förderschulen sind in Bayern nicht durchgängig. Die Förderschüler werden nur auf die Werkstatt vorbereitet. Wenn alle Eltern ihre behinderten Kinder auf Regelschulen schicken würden, hätte sich das Thema Förderschule inzwischen von alleine erledigt. Aber die meisten Leute haben nicht den Mut und die Energie, für ihr Kind Inklusion durchzusetzen. Und es ist auch eine Frechheit, dass man soviel davon braucht, dass es im Jahr 10 nach der Ratifizierung immer noch nicht selbstverständlich ist, dass jedes Kind in die wohnortnahe Schule geht. Die Zahlen zeigen im übrigen, dass Inklusion in Bayern weitestgehend ohne Behinderte stattfindet. Da gibt es mehr Förderschüler als vor der Ratifizierung. Wo die Inklusionszahlen herkommen? Das ist ganz einfach: Da wird einfach den Schülern, die zuvor auch in der Klasse waren, das Etikett Förderbedarf verpasst, und schon habe ich meine Inklusionsquote. Eine Lehrkraft, die keinen im sozialrechtlichen Sinn behinderten Schüler in der Klasse hat, kann nicht behaupten, inklusiv zu unterrichten, allenfalls lernzieldifferent. Aber das muss eine Lehrkraft schon immer können, nicht erst seit der UN-BRK. Rückblickend kann ich sagen, dass wir es nicht einfach hatten, aber Förderbeschulung wäre niemals in Frage gekommen.