Demos für mehr Klimaschutz: Was droht den „streikenden“ Schülern? Eine Anwaltskanzlei nimmt Stellung

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DÜSSELDORF. Gestern versammelten sich wieder in zahlreichen deutschen Städten Tausende von Schüler, um gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Klimapolitik zu demonstrieren – während der Unterrichtszeit. Dürfen die das? Und wenn nein: Was droht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern? Antworten geben die Rechtsanwälte der Düsseldorfer Kanzlei Schäfer & Berkels im folgenden Gastbeitrag.

Gestern, am 25. Januar 2019, in Berlin: Schülerinnen und Schüler "streiken" für eine andere Klimapolitik. Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons (CC0 1.0)
Gestern, am 25. Januar 2019, in Berlin: Schülerinnen und Schüler „streiken“ für eine andere Klimapolitik. Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons (CC0 1.0)

Anlässlich der „Fridays for Future“-Demonstrationen wird viel diskutiert, ob Schüler das Recht haben, an Streiks beziehungsweise Demonstrationen während des Unterrichts teilzunehmen. Nach Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung sind in NRW Schülerstreiks oder ein von Eltern veranlasster Schulstreik unzulässig [1]. Wie es sich hingegen bei Demonstrationen verhält, ist weder in diesem Erlass noch im Schulgesetz NRW klar geregelt. In Deutschland ist das Demonstrationsrecht (rechtlich: Versammlungsrecht) ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht. Für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit ist somit eine Abwägung des staatlichen Erziehungsauftrages und Erfüllung der Schulpflicht einerseits und andererseits dem Versammlungsrecht abzuwägen.

Als Grund für das Fernbleiben vom Unterricht wird sowohl der Begriff „Streik“ als auch „Teilnahme an einer Demonstration“ genannt. Streik ist im Arbeitsrecht so definiert, dass mehrere Arbeitnehmer gemeinsam die Erfüllung des Arbeitsvertrages verweigern, um den bestreikten Arbeitgeber oder einen Arbeitgeberverband zu Zugeständnissen zu bewegen. Somit ist ein Streik von Schülern kein Streik im Sinne des Arbeitsrechts, tatsächlich handelt es sich um die Teilnahme an einer Demonstration.

Nach der Rechtsprechung [2] ist die Kollision zwischen dem Grundrecht des Schülers aus Art 8 GG und seiner in Art 7 Abs 1 GG wurzelnden Pflicht zum Schulbesuch nur durch Abwägung der Rechtsgüter im Einzelfall zu lösen. Ein wesentlicher Punkt dabei ist das Anliegen der kollektiven Meinungsäußerung, insbesondere, wenn dieses dem Bildungsauftrag der Schule entspricht. Dabei kann der Umstand, dass durch die Teilnahme an einer Demonstration nur verhältnismäßig wenig Unterricht ausfällt, bei der Entscheidung über das Befreiungsbegehren berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht Hannover bejahte den Anspruch eines Schülers auf die Teilnahme an einer Demonstration während der Schulzeit. In diesem Fall ging es um eine Friedensdemonstration anlässlich des Golfkrieges.

Befreiungs- und Beurlaubungsanträge sind von den Eltern oder volljährigen Schülern so frühzeitig schriftlich an die Schulleitung zu stellen, dass eine rechtzeitige Entscheidung möglich ist [3]. Im Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung sind zwar Anlässe für eine mögliche Beurlaubung vom Unterricht genannt, über den Antrag entscheidet aber letztendlich die Schulleitung. Maßgeblich ist hierfür, dass der Befreiung keine wichtigen schulische Gründe entgegenstehen. Laut Angabe des Schulministerium NRW ist es nicht ausgeschlossen, dass für einzelne Klassen oder Kurse der Unterricht so verlegt wird, dass Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte an einer außerschulischen Veranstaltung teilnehmen können, ohne dass Unterricht ausfällt [4].

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Nehmen hingegen Schüler an einer Demonstration teil, ohne dass sie dafür freigestellt wurden, kann dies als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden. Die elterliche Gestattung einer Teilnahme an einer Demonstration entbindet den Schüler nicht von der Erfüllung der Schulpflicht.[5] Wird ein falscher Grund bei einer Entschuldigung angegeben (beispielsweise Krankheit anstatt Teilnahme an einer Demonstration), so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar.

Die Dokumentation von unentschuldigten Fehlstunden auf dem Zeugnis – je nach Grund des Streiks/der Teilnahme an einer Demonstration – kann als Reaktion der Schule ausreichend sein. Klassenarbeiten oder Prüfungen, die versäumt wurden, werden als nicht erbrachte Leistung wie eine ungenügende Leistung bewertet. [6]

Ob Schüler während des Unterrichts an einer Demonstration teilnehmen dürfen, darüber bestimmen letztendlich im Einzelfall die Schulleitungen. Es liegt in ihrem Ermessen, über Befreiungen vom Unterricht zu entscheiden. Maßgeblich dafür dürfte auch sein, wie und in welchem Umfang die Demonstrationen fortgesetzt werden, welche Fächer betroffen sind und ob Klausuren oder Prüfungen anstehen.

1 RdErl d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 29.05.2015
2 vgl. Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss v. 24.01.1991, Az. 6B 823/91; NJW 1991, 1000
3 RdErl d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 29.05.2015
4 https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Eltern/Rechtliches/Fragen-und-Antworten-zum-Unterricht/Unterrichtsteilnahme-Fernbleiben/index.html
5 vgl. VG Hamburg, Urteil vom 04. April 2012 – 2 K 3422/10 –, juris
6 https://www.schulministerium.nrw.de/docs/bp/Eltern/Rechtliches/Fragen-und-Antworten-zum-Unterricht/Unterrichtsteilnahme-Fernbleiben/index.html

Hintergrund

Die Anwälte der in Düsseldorf ansässigen Rechtsanwaltskanzlei sind seit mehr als einem Jahrzehnt spezialisiert auf die Bereiche Verwaltungs- und Arbeitsrecht mit Tätigkeitsschwerpunkt im Bildungsrecht. Detaillierte Informationen zu ihren Dienstleistungen sind abrufbar unter www.schaefer-berkels.de 

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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