Islamischer Religionsunterricht: Zusammenarbeit mit Moscheeverband in hessischen Schulen offen

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WIESBADEN. Dass Hessens Kultusminister Alexander Lorz seinen Posten im neuen Kabinett behalten wird, gilt als wahrscheinlich. Auch in seiner zweiten Amtszeit wird ihn die Kontroverse um die Rolle des Moscheeverbands Ditib beim islamischen Religionsunterricht beschäftigen. Ende 2017 hatte Lorz die weitere Kooperation von Auflagen abhängig gemacht, der Landesverband reagierte mit einer Satzungsänderung. Dennoch fordert etwa die GEW, die Zusammenarbeit zu beenden.

Zum Start des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Hessen sprach die damalige Kultusministerin Nicola Beer (FDP) von einer Pionierarbeit. Als erstes Bundesland führte Hessen nach langen Diskussionen den Unterricht im Schuljahr 2013/14 für etwa 440 Erstklässler an zunächst 27 Grundschulen ein. Mittlerweile reicht das Angebot bis zur sechsten Klasse mit landesweit mehr als 3100 Schülern. Der Partnerschaft zwischen dem Land Hessen und dem türkischen Moscheeverband Ditib droht aber nun das Ende.

Der Ditib-Bundesveband hat weniger Einfluss auf den hessischen Landesverband, doch ob dessen Satzungsänderungen zur Fortsetzung der Kooperation beim islamischen Religionsunterricht ausreicht bleibt umstritten. Foto: © Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Der Ditib-Bundesveband hat weniger Einfluss auf den hessischen Landesverband, doch ob dessen Satzungsänderungen zur Fortsetzung der Kooperation beim islamischen Religionsunterricht ausreicht bleibt umstritten. Foto: © Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Nach deutlichen Zweifeln an der Unabhängigkeit vom türkischen Staat zeigte der amtierende Ressortchef Alexander Lorz (CDU) dem hessischen Landesverband Ende 2017 die Gelbe Karte und verhängte massive Auflagen: Der Verband müsse auch vor dem Hintergrund der politischen Veränderungen in der Türkei professionelle Verwaltungsstrukturen bilden und seine Gremien mit neutral handelnde Personen besetzen. Dazu sollte ein Mitgliederregister innerhalb eines Jahres vervollständigt werden. Der Kultusminister hatte sich bei seinem Vorgehen auf die Erkenntnisse von drei Gutachtern zur Aufstellung von Ditib in Hessen gestützt.

Kurz vor dem Ablaufen der Frist Ende 2018 reagierten die Verantwortlichen von Ditib und präsentierten eine Satzungsänderung des Moscheeverbands in Hessen. Demnach habe die türkische Religionsbehörde kein Mitspracherecht mehr bei der Besetzung des Landesvorstandes. Auch der Ditib-Bundesverband mit Sitz in Köln werde weniger Einfluss haben.

Die Ditib ist die größte Islam-Dachorganisation in Deutschland. Sie untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara. Wegen ihrer großen Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist der Bundesverband mit Sitz in Köln in die Kritik geraten. Der Bund fördert keine Projekte in Ditib-Trägerschaft mehr.

Ob die Satzungsänderung des Landesverbands den Experten des Kultusministeriums reicht, den Daumen für eine Fortsetzung der Kooperation nicht zu senken, steht jedoch noch in den Sternen. Die Änderungen würden geprüft, sagte ein Ministeriumssprecher. Wann es eine endgültige Entscheidung gibt, sei noch offen.

Da die neue hessische Landesregierung noch nicht vereidigt ist und auch noch nicht hundertprozentig feststeht, ob Lorz Kultusminister bleibt, wird voraussichtlich erst im Februar mit einer Verkündung über die Zukunft des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts gerechnet. Die Vereidigung des neuen Kabinetts erfolgt am 18. Januar.

«Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht», sagte der Vorstandsvorsitzende des hessischen Ditib-Landesverbandes, Salih Özkan“. Der Moscheeverband sei sehr daran interessiert und habe die Hoffnung, dass an dem «Erfolgsmodell» festgehalten und die Kooperation fortgesetzt werde.

Diese Einschätzung findet jedoch längst nicht überall breite Zustimmung. Im Gegenteil: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Landeselternbeirat mahnten im vergangen Jahr, wegen der Einflussnahme der türkischen Regierung müsse ein Schlussstrich gezogen werden.

«Wir sind nach wie vor der Meinung, dass Ditib nicht der seriöse Partner für das Land sein kann», betonte GEW-Landeschefin Birgit Koch auch nach der Satzungsänderung. Hessen sollte sich deshalb nach einer geeigneten Alternative umsehen. Denkbar wäre etwa, einen Verbund von verschiedenen islamischen Gemeindeverbänden für die Aufgabe zu gründen. Dazu müssten die unterschiedlichen Gruppen aber erst mal an einen Tisch geholt werden. Grundsätzlich sei sie für ein Fortbestehen des islamischen Religionsunterrichts an Hessens Schulen, sagte Koch.

Dass es auch bei einem möglichen Aus von Ditib ein qualifiziertes, alternatives, adäquates religiöses Bildungsangebot für muslimische Schülerinnen und Schüler geben soll, steht auch für die Verantwortlichen im Kultusministerium außer Frage. Der Unterricht werde auf jeden Fall bis zum Ende des Schuljahres fortgesetzt. Für die knapp 100 unterrichtenden muslimischen Lehrkräfte des Landes im hessischen Schuldienst gebe es zudem einen Bestandschutz. Denkbar wäre, dass etwa das Unterrichtsangebot mit einer neuen Ausrichtung und veränderten Kerncurricula angeboten werde.

Diese Möglichkeit sieht ausdrücklich auch der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen vor. Danach bekennen sich die Regierungsparteien ausdrücklich zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht. Sollte aber ein Kooperationspartner keine Gewähr dafür bieten, dass der Unterricht der verfassungsrechtlichen Ordnung entspreche oder die Unterrichtsangebote diese Voraussetzungen nicht erfüllten, werde ein Alternativangebot für Schüler muslimischen Glaubens geschaffen. In einem solchen Fall würde das Land in alleiniger Verantwortung das Angebot «Islamunterricht» schaffen. (dpa)

Islamischer Religionsunterricht: Hessen sucht neuen Träger als Alternative zu Ditib

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