Schüler protestieren für Klimaschutz – während der Unterrichtszeit. Nachsitzen?

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HANNOVER. Etliche Tausend Jugendliche haben in mehr als 50 deutschen Städten statt zur Schule zu gehen unter dem Motto „#FridaysForFuture“ für eine bessere Klimapolitik demonstriert. Allein in Freiburg demonstrierten rund 3500 Menschen. In Hannover kamen nach Polizeiangaben am Freitagmittag rund 2300 junge Frauen und Männer zusammen. Sie trugen selbstgebastelte Plakate mit Aufschriften wie «There’s no planet B», «Klimaschutz statt Kohleschmutz» oder «Badehose raus – das Meer kommt». Mit Schwänzen habe die Aktion nichts zu tun, machte Mitorganisatorin Ragna Diederichs klar. «Wir streiken, um ein ganz starkes Zeichen zu setzen», sagte die Schülerin aus Göttingen.

Der Schülerprotest für mehr Klimaschutz - hier am 14. Dezember in Berlin - wächst sich zur Bewegung aus. Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons (CC0 1.0)
Der Schülerprotest für mehr Klimaschutz – hier am 14. Dezember in Berlin – wächst sich zur Bewegung aus. Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons (CC0 1.0)

Die Schülerorganisatoren gehen davon aus, dass bundesweit mehr als 30.000 Demonstranten während der Unterrichtszeit auf die Straße gingen. Demonstrationen am Vormittag seien für Schüler nur im Ausnahmefall zulässig, wenn sich das verfolgte Ziel nicht nach Beendigung des Unterrichts verwirklichen lasse, teilte das niedersächsische Kultusministerium mit. Außerdem müsse das Anliegen der Demo einer Wertentscheidung des Grundgesetzes und dem Bildungsauftrag der Schule entsprechen. «Auch wenn wir das Engagement der Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz sehr begrüßen, erfüllt eine solche Demonstration die beiden genannten Voraussetzungen nicht», hieß es. Daher sei eine Teilnahme erst am Nachmittag möglich.

Ähnlich äußerte sich das rheinland-pfälzische Bildungsministerium. Ein Sprecher nannte das Engagement der jungen Menschen «absolut begrüßenswert». Da es sich jedoch nicht um eine schulische Veranstaltung handele, könnten die Schülerinnen und Schüler nicht beurlaubt werden. Das baden-württembergische Kultusministerium stellte klar: Wenn ein Schüler aufgrund der Teilnahme an der Demonstration nicht im Unterricht ist, werde das als unentschuldigtes Fehlen gewertet. Ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, liege aber im Ermessen der Schule.

Die Demonstrationen haben auch in Bayern zu Diskussionen unter Schülern, Lehrern und Schuldirektoren über mögliche Schulverweise gesorgt. Die SPD-Landtagsfraktion plädierte dafür, ein Auge zuzudrücken. «In einer Zeit, in der allerorten nach mehr politischem Einsatz von Schülerinnen und Schüler gerufen wird, ist es der falsche Weg, bei dem heute stattfindenden Schülerstreik im Namen des Klimaschutzes direkt nach Strafen zu schreien», so die bildungspolitische Sprecherin Margit Wild.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sprach sich im Bayerischen Rundfunk für Nachsitzen aus. Er würde als betroffener Schulleiter (Meidinger ist Leiter eines bayerischen Gymnasiums) anordnen, dass die Schulschwänzer den verpassten Unterricht am Nachmittag oder Abend nachholten – und zwar in Form von Diskussionsrunden über Klimaschutz. Schulverweise halte er dagegen für «sinnlos». Meidinger: «Das ist was Positives! Ich freue mich, wenn sich Schüler politisch engagieren.»

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Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kritisierte die Kundgebungen. «Stellen Sie sich vor, wir hätten mittwochs eine Demo für Menschenrechte, freitags für Klimaschutz – wenn das alles parallel zum Unterricht stattfindet, haben wir irgendwann gar keinen mehr», sagte Eisenmann dem Radioprogramm «SWR Aktuell».

Eindeutige Kritik kam auch von der Schüler Union Baden-Württemberg. «Schule schwänzen und das Aufrufen zum Schulschwänzen ist eine Ordnungswidrigkeit!», sagte der Landesvorsitzende der CDU-Jugendorganisation, Michael Bodner. Lehrkräfte und Behörden müssten dieses Verhalten dementsprechend konsequent verfolgen und ahnden. Diesem Vorstoß erteilte Eisenmann allerdings eine Absage: «Die Schülerinnen und Schüler, die fehlen, haben auf jeden Fall keine drastischen Maßnahmen zu erwarten», erklärte sie. Sie halte einen pädagogischen Umgang für sinnvoller.

„Ich bin sehr beeindruckt“

Unterstützung kam dagegen von den Grünen. «Ich bin sehr beeindruckt von dem politischen Engagement so vieler junger Menschen», sagte die rheinland-pfälzische Grünen-Vorsitzende Jutta Paulus.  In Hannover schloss sich die Grüne Jugend den Protesten an. «Warum sollen wir für eine Zukunft lernen, die nicht geschützt wird?», meinte Sprecherin Mariel Reichard. «Wir brauchen nachhaltigen und sofortigen Klimaschutz als einzig realistische Antwort auf die drohende Klimakrise.»

Die ursprüngliche Ideengeberin der Proteste ist die schwedische Schülerin Greta Thunberg. Die Aktivistin demonstriert nach eigenen Angaben seit Monaten immer freitags in Stockholm gegen den Klimawandel. Die Bundesgeschäftsführerin der Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Antonia Müller, beschreibt die Bewegung als «extrem dezentral». Die Absprachen erfolgten über soziale Medien, vor allem über den Messenger WhatsApp. Wirkliche Initiatoren gebe es in Deutschland deshalb nicht. «Wir finden das Engagement der jungen Leute auf jeden Fall super», sagte Müller. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Hunderte von Schülern bundesweit “streiken” für eine bessere Klimapolitik

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Marco Riemer
5 Jahre zuvor

Finde ich gut, die Reaktion der Ministerien und des Lehrerverbandes!!! Die Demonstranten (SuS) sollten sich nur recht daran erinnern, wenn sie 18 Jahre, und damit wahlberechtigt sind, das sie bei einer möglichen Abstimmung/Wahl über solche Parteien und deren Knebelgesetze wie die „allg. Schulpflicht“ (und nur die macht solche sinnlosen Sanktionen möglich.) entschieden wird!!!
Wäre doch gelacht, wenn so die allg. Schulpflicht über kurz oder lang nicht doch fallen sollte!

Ich sage: weiter so!

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Einerseits empfinde ich das als Zivilcourage, aber wenn ich die FB-Kommentare lese, meine ich auch, wenn es nicht nur um eine „Unterrichtsflucht“ geht, müsste doch so eine Demo auch zu einer anderen Zeit möglich sein, wenn kein Unterricht stattfindet, oder? Z.B. am Wochenende.

Es ist wie bei den großen Konzerten „Rock gegen rechts“, wo man sich feiert, dass Tausende, Zehntausende kamen, aber wie viele kamen nur wegen des kostenlosen Konzerts?!?

OlleSchachtel
5 Jahre zuvor

Ich würde meinem Kind zu diesem Zweck eine Entschuldigung schreiben und fertig ist die Diskussion! Ich finde es hervoragend das die Kinder sich politisch engagieren.
Und ob nun als Mitläufer oder als echte Interessierte.

Pälzer
5 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

„Als Mitläufer politisch engagieren“, aha.

Direktansage
5 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Das heißt also, sie würden es auch begrüßen, wenn ihr Kind anstatt zu dieser Veranstaltung eine Veranstaltung der Identitären Bewegung besuchen würde oder betrifft das nur die politischen Veranstaltungen, die sie selbst begrüßen? Wie sieht es aus mit den Eltern, die ihre Kinder entschuldigen, weil sie es politisch gut finden, dass die freitags zu identitären Veranstaltungen gehen?
Hätten sie da auch so viel Verständnis für das Fehlen in der Schule oder ist das doch wieder etwas ganz anderes?

Pälzer
5 Jahre zuvor

Wenn wir in Physik über Energiefragen diskutieren, wird regelmäßig deutlich, wie oberflächlich und einseitig das Schülerwissen zur Energiepolitik ist. Viele können Solarzellen und Sonnenkollektoren nicht unterscheiden. Über Energiemengen, Leistungsdaten, Netzstabilität gibt es keine realistischen Vorstellungen – das wäre auch nicht zu erwarten, aber es heißt auch, dass die Schüler gar nicht abschätzen können, mit welchen Forderungen und Vorstellungen sie sich gemein machen. Die Jugend hat ein Recht auf solche romantischen Ideale, aber die Erwachsenen müssen verantworten, was an Politik wirklich gemacht wird und gemacht werden kann.