Wetter-Experte Sven Plöger: „Eigentlich müsste es ein eigenes Fach ‚Klimawandel‘ geben“

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KÖLN. Sven Plöger ist Auftritte vor einem Millionen-Publikum gewöhnt. Seit fast 20 Jahren moderiert der Meteorologe „Das Wetter im Ersten“. Plöger ist Autor mehrerer Sachbücher zum Klimawandel („Klimafakten“) – und er macht sich Gedanken darüber, wie sich Kinder früh an das Thema heranführen lassen. Seine These: In der Schule den unaufhaltsamen Weltuntergang zu predigen, wird am Klimawandel nichts ändern, sondern führt nur zu Fatalismus. Im Februar tritt Plöger auf der Bildungsmesse didacta auf.

Sven Plöger ist Diplom-Meteorologe und moderiert Radio- und Fernsehwettersendungen. Foto: privat
Sven Plöger ist Diplom-Meteorologe und moderiert Radio- und Fernsehwettersendungen. Foto: privat

Herr Plöger, haben Sie sich bereits als Schüler für Wetter und Klima interessiert?

Plöger: Ich habe mich schon als kleines Kind für das Wetter begeistert. Damals habe ich auch ein riesiges Gewitter im Spätsommer erlebt, mit einem heftigen Blitzeinschlag in einem nahen Stromverteilerhäuschen. Das war ein fürchterlicher Knall. Und das ist mir sehr in Erinnerung geblieben. In der 3. Klasse hatten wir die Unterrichtsreihe „Wetter“. Wir mussten Temperaturen ablesen, Regenmengen messen und Wolken beobachten. Ich habe das voller Eifer gemacht und hatte irren Spaß. Ich habe auch nicht aufgehört, als die Unterrichtsreihe nach einer Woche vorbei war. In der 7. Klasse haben dann alle geahnt: Der macht mal was mit Wetter. Vom „Klima“ habe ich damals noch gar nichts gewusst und es war in der Zeit auch noch kein Thema.

Wie würden Sie Kindern den Unterschied zwischen Wetter und Klima erklären?

Plöger: Ich würde ihnen klarmachen, dass sie das Wetter fühlen und erleben können. Es ist das, was jeden Tag passiert: mal ist es kalt, mal heiß, mal nass und mal schneit‘s. Ich würde den Kindern an einer Wetterstation zeigen, wie sie es messen und beobachten können. Das Klima können sie im Unterschied zum Wetter nicht fühlen, weil es die Wetterveränderung über längere Zeit ist – gleichzeitig und an allen möglichen Orten auf dem Globus. Klima zeigt sich in der Statistik des Wetters. Und falls die Schüler für Statistik noch zu jung sind, würde ich ihnen Bilder von Gletschern vor 100 Jahren und von heute zeigen oder Satellitenfotos vom Eis der Arktis. Dann sehen sie, wie das Klima über lange Zeit Dinge verändert.

Wenn Schülerinnen und Schüler Klima im Alltag nicht erleben können, wie würden Sie ihnen dann vermitteln, dass sie selbst vom Klimawandel betroffen sind?

Plöger: Schüler sollten verstehen, dass der Mensch einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt, allerdings oft in Regionen, in denen er das nicht selbst sieht. Daher kann schnell das Gefühl entstehen: Der Klimawandel existiert gar nicht. Man muss den Jugendlichen deutlich sagen, worum es geht und worauf es hinausläuft: „Ihr seid am längsten auf diesem Planeten, ihr werdet am meisten von diesen Veränderungen erleben. Das ist ein bisschen ungerecht, weil wir und unsere Vorfahren diese Veränderungen ausgelöst haben.“ Man muss bei seinen Erklärungen nicht untertreiben, ich würde aber sehr deutlich machen, dass uns noch Zeit bleibt. Wenn wir nur die Apokalypse vermitteln und sagen „es geht sowieso alles unter“, können wir eigentlich nur noch Fatalismus auslösen. Die Schüler denken dann: Es ist eh zu spät, warum sollen wir jetzt was machen.

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Was sind die wichtigsten Dinge, die Schülerinnen und Schüler über den Klimawandel wissen müssen?

Plöger: Ich bin der festen Meinung, dass man Kinder so früh wie möglich an das Thema heranführen muss, aber aufpassen sollte, es nicht zu ideologisieren. Der Klimawandel sollte einfach und nach aktuellem Erkenntnistand beispielsweise im Physikunterricht beschrieben werden. Andererseits gehört das Thema auch in die sozialen Fächer wie den Politikunterricht, wo der Klimawandel als gesamtgesellschaftliche Aufgabe behandelt werden kann. Man sollte sich einfach mal praktisch überlegen, was unsere Gesellschaft mit 7,5 Milliarden Menschen tun kann. Wir nutzen jedes Jahr das 1,6-fache der Ressourcen auf diesem Planeten und wir haben nur einen. Eigentlich müsste es ein eigenes Fach „Klimawandel“ geben.

Wie könnten Lehrkräfte und Eltern mit gutem Beispiel vorangehen?

Plöger: Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man denkt und der Art, wie man handelt. Um ein einfaches Beispiel zu geben: Ich bin als Kind sehr viel Fahrrad gefahren, sonst kam ich gar nicht zur Schule oder zu Sportfesten. Heute werden Kinder oft mit großen Fahrzeugen, also SUVs durch die Gegend gefahren. Da geht es um das Bewusstsein für den Verbrauch: Brauchen wir ein Riesenauto? Wie viel Benzin verbraucht es? Muss ich das Auto so oft benutzen? Man sollte Einsparmöglichkeiten mit den Kindern und Jugendlichen durchgehen. Vielleicht wollen sie selbst wissen, wie der Energieverbrauch ist, wie viel Geld sie sparen können. Mir ist bloß wichtig, dass wir das Richtige tun, egal aus welchen persönlichen Beweggründen. Wenn jemand aus reinen Sparargumenten keinen SUV kauft, dann ist das für mich auch super, weil er das Richtige tut.

Im letzten Sommer gab es ziemlich oft Hitzefrei. Müssen sich Schulen in Zukunft darauf einstellen?

Plöger: Ja. Es wird mehr Hitzewellen durch den Klimawandel geben. 2018 war eine Blaupause für zukünftige Jahre, auch wenn nicht jedes Jahr so werden wird. Möglicherweise wird das nächste richtig nass, weil ein Tiefdruckgebiet über Deutschland stehen bleibt. Dann haben wir Hochwasser und Überschwemmungen. Das Wetter wird auf jeden Fall extremer und im Flächenmittel heißer. Wenn man die Regeln nicht ändert oder die Schulen immer weiter klimatisiert, wird es häufiger Hitzefrei geben. Martin Stengel führte das Interview

Hintergrund

Sven Plöger wird am 21. Februar 2019 von 13 bis 13.45 Uhr auf der Bildungsmesse didacta auftreten (Forum didacta aktuell: Klimawandel ist mehr als hitzefrei, Halle 8, B 51). Die weltweit größte Bildungsmesse findet in diesem Jahr vom 19. bis 23. Februar 2019 in Köln statt. Erwartet werden dort mehr als 100.000 Besucherinnen und Besucher, darunter  Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Eine weitere Veranstaltung auf der didacta zum  Thema Umweltbildung:

Forum didacta aktuell
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)  am Beispiel der Biodiversität und der Globalen Gerechtigkeit – Was hat das mit mir zu tun?

  • Ulf Bödeker, Bildungsministerium NRW
  • Heiko Frost, Verband Deutscher Schullandheime e.V.
  • Prof. Dr. Gerhard de Haan, Freie Universität Berlin
  • Roland Krämer, Staatssekretär Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Saarlandes
  • Prof. Dr. Ute Stoltenberg, Leuphana Universität Lüneburg
  • Moderation: Dr. Helmut Wolf/Benjamin Krohn, Verband Deutscher Schullandheime

20.02.2019
16:00 – 16:45 Uhr
Halle 8, Stand B 51
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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3 Kommentare
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Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

„„Eigentlich müsste es ein eigenes Fach ‚Klimawandel‘ geben““

Quatsch. Dass immer wieder jemand ein neues Schulfach fordert, nervt. Das Aufdrücken immer neuer Fächer, aber vor allem Inhalte hat dazu geführt, dass Kernthemen immer mehr vernachlässigt worden sind und Kinder nicht mehr genug Lesen, Schreiben und Rechnen können.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

exakt, wobei sich besonders letzteres extrem auf die Grundschulen bezieht.

GriasDi
5 Jahre zuvor

Um welche Inhalte es in diesem Fach gehen soll bleibt im Ungewissen. Für was gibt es Fächer wie Geographie, Sozialkunde, Ethik, Physik, Chemie und und und
Hier wird der Klimawandel sicher auch thematisiert.