Erschreckende Gesundheitsstudie: Jedes vierte Kind ist chronisch krank

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DÜSSELDORF. Ob Kinder in der Stadt oder auf dem Land, in armen oder wohlhabenden Familien aufwachsen, spielt eine große Rolle für ihre Gesundheit. Ein Krankenkassenreport kommt zu erschreckenden Ergebnissen für Kinder in Nordrhein-Westfalen.

Fast doppelt so viele Kinder werden abgeschult als andersherum. (Foto: jonycunha/Flickr CC BY-SA 2.0)
Wo ein Kind aufwächst, hat Einfluss auf seine Gesundheit. (Foto: jonycunha/Flickr CC BY-SA 2.0)

Kinder auf dem Land in Nordrhein-Westfalen sind gesünder als Mädchen und Jungen in den Städten. Mehr als jedes vierte Kind in NRW ist zudem bereits chronisch krank. Das geht aus dem am Mittwoch in Düsseldorf vorgestellten ersten Kinder- und Jugendreport der Krankenkasse DAK für NRW hervor. Ein weiteres Ergebnis: Kinder in NRW sind kränker als im Bundesdurchschnitt.

In NRW leben rund drei Millionen Kinder und Jugendliche. Für den Report hat die DAK die Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2016 von knapp 109 000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahre in NRW von der Universität Bielefeld untersuchen lassen. Die wichtigsten Erkenntnisse:

CHRONISCHE KRANKHEITEN: Fast 29 Prozent der Kinder und Jugendlichen in NRW leiden unter chronischen Erkrankungen – im Bundesdurchschnitt sind es 26 Prozent. Die häufigsten Krankheiten sind Neurodermitis und Asthma, gefolgt von Heuschnupfen und entzündlichen Darmerkrankungen. Neurodermitis tritt am häufigsten bei Neugeborenen auf, Heuschnupfen eher bei den 15- bis 17-Jährigen.

ALLGEMEINE ERKRANKUNGEN: Atemwegsleiden waren 2016 die häufigste Krankheitsursache bei Kindern. Mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Jungen und Mädchen hat mindestens einmal im Jahr einen grippalen Infekt oder akute Bronchitis. Dahinter folgen Infektionskrankheiten und Augenerkrankungen wie Bindehautentzündungen. Schon jedes sechste Kind hat außerdem einmal im Jahr Rückenschmerzen. Als Grund nennt die DAK unter anderem Mangel an Bewegung.

NRW UND BUND: «Ein Großteil der Haupterkrankungen kommt in NRW etwas häufiger vor als im Bundesdurchschnitt», sagte Julian Witte vom Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie der Uni Bielefeld. Als Grund nannte er den hohen Anteil städtischer Gebiete. In NRW leben 84 Prozent der bei der DAK versicherten Kinder in städtisch geprägten Gebieten und nur 16 Prozent in ländlichen Gemeinden.

STADT UND LAND: Der Nachwuchs in NRW-Städten leidet dem Report zufolge häufiger unter extremem Übergewicht und hat öfter Karies. 2016 hatten 88 Prozent mehr Stadtkinder als Kinder vom Land krankhaftes Übergewicht (Adipositas). Insgesamt sind 3,6 Prozent aller Kinder in NRW krankhaft dick. Rund ein Drittel mehr Stadtkinder als Jungen und Mädchen auf dem Land hatten außerdem Karies und Viruserkrankungen der Atemwege. Die Vermutung liege nah, «dass in städtischen Gebieten ein höherer Anteil von Familien mit einem tendenziell niedrigeren sozioökonomischen Status als auf dem Land lebt», so Witte.

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Auch die schlechtere Luft in Städten kann Ärzten zufolge ein Faktor sein: «In manchen Gegenden kann man Kinder nicht einfach so zum Spielen rausschicken», sagt Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). «Da ist zu viel Verkehr, es gibt keine Flächen zum Spielen.»

ARM UND REICH: Was sich bereits in der bundesweiten DAK-Analyse herausgestellt hatte, gilt besonders auch für NRW: Das Bildungsniveau und die wirtschaftliche Situation der Eltern haben wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Kinder. Haben Eltern keinen Bildungsabschluss, kommen bestimmte Erkrankungen bei Kindern wie Karies und Adipositas, aber auch Verhaltensstörungen viel häufiger vor. «800 000 Kinder in NRW sind armutsgefährdet», sagt der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst. «Armut macht krank, wenn keine Möglichkeiten da sind, das Kind zu fördern und zu fordern.»

Auch Fischbach sagt: «In NRW ist gerade in den Ballungsräumen die Sozialstruktur eine andere als etwa in Baden-Württemberg oder Bayern oder auf dem Land. Wir haben eine erhebliche Anzahl von Familien mit Unterstützungsbedarf. Einen Sportverein kann sich auch nicht jede Familie leisten.»

MEDIKAMENTE: Kinder in NRW bekommen im Schnitt rund vier verschiedene Arzneimittel pro Jahr verschrieben. Jedes dritte Kind (32 Prozent) in NRW bekommt wenigstens einmal im Jahr Antibiotika auf Rezept, im Bundesdurchschnitt sind es nur 28 Prozent. Während in NRW rund 44 Prozent der ADHS-Kinder Medikamente bekommen, sind es im Bundesschnitt nur knapp 35 Prozent. Fischbach weist den Vorwurf zurück, Kinderärzte würden zu viele Antibiotika verschreiben. Sie verordneten im Vergleich sogar deutlich weniger als andere Fachgruppen. «Als Verband ist uns sehr wichtig, die Antibiotikavergabe zielgenauer einzusetzen.»

PRÄVENTION: Ärztekammerpräsident Windhorst fordert mehr Kinderärzte. Auch Jugendämter brauchten mehr Personal. Die DAK will ihr Aufklärungsprogramm für Grundschulen auch auf Kitas und weiterführende Schulen ausweiten. Gesundheitserziehung in Schulen und Kindergärten ist nach Ansicht Fischbachs auch deshalb wichtig, weil viele Erwachsene nicht mehr zu erreichen seien. «Die werden auch ihr Leben nicht ändern.» Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Studie: Das Bildungsniveau der Eltern beeinflusst die Gesundheit der Kinder

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14 Kommentare
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Judith M. S.
5 Jahre zuvor

Ist es gewollt, dass nicht erwähnt wird, dass es sich vielfach um Migrantenkinder handeln wird, die in NRW krank sind?! Und wer soll es wieder richten? Natürlich die Schule!!! Wer ein bisschen Ahnung von der Kindergarten- und Schulpraxis hat, der weiß, dass es hier schon seit Jahrzehnten gute Programme zu Ernährung und Gesundheit gibt. Dennoch sind die Eltern eben doch noch die Vorbilder und Hauptbezugspersonen der Kinder. Und wenn die sich miserabel ernähren, ihren Kindern nicht die Zähne putzen, nicht zum Joggen (kostet nichts) rausgehen, dann ist den Kindern auch nicht zu helfen. Leider sind diese Kinder oft verloren. Das ist die Wahrheit.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Judith M. S.

Wenn in NRW viele Kinder mit Migrationshintergrund die Schule besuchen, wird auch ein Teil dieser Kinder gemeint sein, schließlich gehören sie ja zu den Schülern dort. Dass es sich „vielfach um Migrantenkinder handeln wird“, ist Ihre Behauptung.
Warum sollten Kinder mit Migrationshintergrund häufiger als andere Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen oder entzündliche Darmerkrankungen haben sollen?

Ein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau sowie wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern scheint zu bestehen:
„«800 000 Kinder in NRW sind armutsgefährdet», sagt der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst. «Armut macht krank, wenn keine Möglichkeiten da sind, das Kind zu fördern und zu fordern.»“

Wenn Kinder und Jugendliche über die Schule erreicht werden sollen, dann ist es sicherlich die DAK, die Personal zur Verfügung stellt, das diesen Unterricht in den Schulen übernehmen kann.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Alle diese Erkrankungen hat es in dieser Häufigkeitsverteilung auch in anderen Generationen gegeben. Allerdings wurden diese nicht in dem Umfang wie heute erfasst. Hinzu kommt noch, dass die Krankenkassen aus dem bundesweiten Umverteilungstopf der Krankenkassen mehr Geldzuwendungen erhalten, je kränker ihre Mitglieder sind. Entsprechend sind diese daran interessiert, dass den Mitgliedern mehr chronische Erkrankungen attestiert werden.

Theodor Windhorst kenne ich noch als chirurgischen Assistenzarzt des Städtischen Krankenhauses Bielefeld-Mitte im Jahre 1986. Den als Experten für Gesundheitsmedizin und Gesundheitsstrukturen zu zitieren erscheint mir ebenso gewagt, wie diese Expertise einem Herrn Prof. Lauterbach zu attestieren.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Bestreiten Sie nun, dass ärmere Kinder häufiger krank sind oder dass es sich bei den kranken Kindern häufig um Kinder mit Migrationshintergrund geht oder beides?

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Es darf jeder selbst sich seine Gedanken machen und seine Schlüsse aus den beschriebenen Umständen ziehen.

Für drei Cent kann man in Asienoder Afrika eine Kind gegen Tetanus impfen, eine Erkrankung an der dort jährlich 10 bis 50 Einwohner pro 100.000 Einwohner erkranken bzw. dann auch versterben.
Da kann sich jeder so seine Gedanken zu dem oben darstellten Kontext machen. Das gilt auch für die Wahrnehmung von NO2 und Feinstaub in Deutschland im Vergleich zu den Industriezonen in China und Indien.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Die Neurodermitis tritt in Afrika deutlich seltener in Erscheinung als in Europa. Dafür leiden die Kinder dort mehr an Wurmerkrankungen, wie Askaris.
Warum in Europa die Neurodermitis häufiger bei der Stadtbevölkerung als bei der Landbevölkerung auftritt, konnte bisher nicht geklärt werden.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Palim: Es sind Korrelationen.

Niemand behauptet, dass Kinder häufiger arm oder krank sind, _weil_ sie einen Migrationshintergrund haben, auch wenn das von gewissen Seiten aus immer so ausgelegt wird.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Es behauptet im Artikel überhaupt niemand, dass es um Kinder mit oder ohne Migrationshintergrund geht!
„auch wenn das von gewissen Seiten aus … so ausgelegt wird“

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Je mehr Versicherte einer Krankenkasse als chronisch krank eingestuft werden, umso mehr Geld erhalten diese aus dem Umverteilungstopf der gesetzlichen Krankenkassen.
Es ist ein Vorteil für Krankassen, wenn niedergelassene Ärzte die Chronizität von Erkrankungen bestätigen, so wie es für die Krankenhäuser von Vorteil ist, wenn der Case-Mix-Index, d.h. die Zahl bescheinigter chronischer Erkrankungen , einen finanziellen Vorteil verschafft, der die Abrechnungssumme der erbrachten Leistungen noch erhöht, weil die erbrachten Leistungen mit diesem Case-Mix-Faktor multipliziert werden.
Heraus kommt dabei, dass immer mehr Menschen als chronisch krank eingestuft werden.
Palim, willkommen in der neuen Welt des Abrechnungswesens.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Und wir dürfen inzwischen jede Nebendiagnose an Hand von Symptomen, Befunden, und Diagnostik erfassen, um diese mit entsprechend standardisierter Diagnostik abklären, kategorisieren, verschlüsseln, Beschreiben und abrechnen.
Da liegt es auf der Hand, dass alles mögliche , wie auch chronische Rückenschmerzen, die durch das Wachstum bedingt sein können, als eine chronische Erkrankung erfasst werden.
Übrigens hat Australien, das Land, dass dieses DRG-System eingeführt hat, dieses System als erstes wieder abgeschafft, weil eine flächenhafte Versorgung durch Krankenhausschließungen in der Peripherie dünn besiedelter Landstriche drohte zusammenzubrechen.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Wenn ich mir die Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes ansehe, so fällt auf, dass diese zunehmend aus dem Bereich Jura rekrutiert werden, mit dem Ziel, Leistungen zu kürzen.
Diese Juristen gehen hin und streichen berechtigte Leistungen der Krankenhäuser, wie die non-invasive Beatmung über eine Beatmungsmaske, aus den Abrechnungen heraus, weil man behauptet, dass eine Beatmung erst durch die Intubation, d.h. durch das Einbringen eines Beatmungstubus eine abrechnungsfähige Beatmung darstellt. Im Rahmen der Beatmung von chronisch-pulmonalen Erkrankungen, der COPD als Folge chronischen Zigarettenkonsums, stellt aber gerade die Beatmung über eine Maske eine bewährte Behandlungsoption dar.
Es bedarf also einer juristischen Klage und entsprechender medizinischer Gutachten , z.B. der Uni Hannover, um über eine exemplarische Klage den medizinischen Dienst in seine Schranken zu verweisen, da die Intubationsbeatmung mit einem höheren Mortalitätsrisiko und einer längeren Krankenhausaufenthaltsdauer, sowie höheren Kosten für alle assoziiert ist.
Dabei ist die Beatmung über einen Tubus noch mit einer deutlich höheren Infektionsrate durch beatmungsgerätetechnisch verbundenen Pneumonien (Lungenentzündungen) verbunden.

Gelbe Tulpe
5 Jahre zuvor

Zu langes Sitzen in der Schule führt zu Krankheiten wie Rückenschmerzen. Die Dämmung der Häuser zu mehr Schimmel in den Häusern und somit zu mehr Atemwegserkrankungen. Das frühe Aufstehen lässt einen fast den ganzen Tag müde sein, was das Immunsystem schwächt. Die Zahlen wundern mich nicht.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Das Problem der Schimmelsporen auf die Atemwege dürfen Sie aber nicht den vielen NO2- und Dieselplakettenexperten erzählen, denn sonst haben die noch mehr Probleme mit der Zuordnung der 36.000 männlichen und 19.600 Todesfällen durch das Bronchialkarzinoms in 2014 und zum von diesem Personenkreis vielbeschworenen NO2-Tod mit angeblichen 8.000 Todesfällen.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Die an höherer Stelle benannten oder selbst berufenen Experten, sind eine relativ kleine Gruppe von Umweltmedizinerinnen, die rein statisch Studien auswerteten und verknüpften, die aber ohne einen realen Bezug im Sinne von Ursache und Wirkungsprinzip zueinander standen.
Die über die Medien wiederholten phrasenartigen Thesen erhalten auch durch ihre ständige Wiederholung von angeblich 8.000 Todesfällen nicht eine Steigerung ihres Wahrheitsgehalts.
Das erscheint zunehmend und besorgniserregend wie reine Propaganda, denn die Wirkung anderer Umweltgifte, wie aktives und passives Rauchen, Asbest, Schimmelpilzsporen, Smoke, Weichmacher in Chinaspielzeug und andere Chemikalien, sind in ihrer toxischen Wirkung deutlich höher einzustufen , als das, was diese Expertengruppe uns allen weiß machen will.
Also immer schön den Joghurt und die Milch aus der Kunststoffflasche trinken, den Käse, die Wurst etc. alles schön verpackt kaufen und essen, denn nichts ist gefährlicher als 40 ppm NO2 in der Atemluft, denn die sieht und schmeckt man nicht. Und deshalb sind diese Werte auch so gefährlich.
Da waren wir als Kinder in den 60-er und 70-er Jahren im Ruhrgebiet noch richtig gut dran, denn an erkannte man im Smoke bei einer Sichtweise von 10 Metern sofort die Gefahr, roch diese und hielt die Luft an.
Außerdem fuhren die wenigen Pkw dann automatisch im Schritttempo.
Man, hatten wir es gut. Wäsche aufhängen ging auch nicht, und beim Stahlabstich wurde der Himmel rot. Bei Stercher-Mohl stank es nach Schwefel, so dass man der biblischen Vorstellung der Hölle gewahr wurde, in der Nähe der Kokerei, sank die Sichtweise, die Atemluft brachte beim Husten schwarzes Sputum hervor und in der Buntmetallzone hielt man sich besser gar nicht auf. Interessant sind da damalige Statistiken u Todesursachen, denn es wurde bedeutend häufiger obduziert.

Heute gibt es eben die Umweltzone Ruhrgebiet, in der sogar wieder Flechten auf den Dächern wachsen, und es gibt die 40 ppm-Grenzen, die willkürlich festgesetzt wurde.
Fliegen mit der Linienmaschine um die Erde ist doch durch den Kerosinverbrauch so harmlos und wird entsprechend nicht besteuert, damit wir auch im Winter Heidelbeeren für 1,49 Euro im Discounter kaufen können. Man gönnt sich ja sonst nichts.