Streit um Noten für Förderschüler: Wirken Sonderzeugnisse ausgrenzend?

1

KIEL. Der Streit führt zu einer merkwürdigen Gemengelage: Eine Christdemokratin, die erst unlängst in Grundschulen wieder Noten ab der 3. Klasse zum Regelfall gemacht hat, verteidigt nun Berichtszeugnisse als „passgenaue Rückmeldung“. Es geht dabei um Schüler mit Förderbedarf, die ebenfalls Notenzeugnisse bekommen sollen – fordern jedenfalls die Oppositionsfraktionen von SPD und SSW in Schleswig-Holstein. Bildungsministerin Prien sieht darin jedoch einen falschen Weg. Sie will an der bisherigen Praxis festhalten.

Auf Schlingerkurs in Sachen Noten: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Foto: Frank Peter / Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Schüler mit Förderbedarf sollen nach dem Willen von SPD und SSW im Kieler Landtag künftig auch Notenzeugnisse erhalten – unabhängig von der besuchten Schulart. Das fordern beide Oppositionsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag für die nächste Landtagssitzung. Die Neufassung der Zeugnisverordnung vom vergangenen Sommer habe zu «Mischungen zwischen Noten- und Berichtszeugnissen geführt, je nachdem, ob die betreffenden Schüler gemäß den Fachanforderungen unterrichtet werden oder nicht», sagte der SPD-Schulpolitiker Kai Vogel im Gespräch. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) wies den Vorstoß zurück.

Nach Ansicht von SPD und SSW sollte die geltende Verordnung geändert werden. «Die Absicht war wahrscheinlich eine andere, aber nun ist es zu einer Ausgrenzung dieser Schüler und zu erheblichen Problemen bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz gekommen», sagte Vogel. Ihnen sei es nahezu unmöglich geworden, an einer beruflichen Schule den ersten allgemeinbildenden Schulabschluss nachträglich zu erwerben, weil die Schüler ihre befriedigenden Leistungen in den Hauptfächern nicht mehr nachweisen könnten.

„Nicht nachvollziehbar“

Die geltende Verordnung des Bildungsministeriums sieht vor, dass Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf grundsätzlich und unabhängig von der besuchten Schulart ein Berichtszeugnis, also kein Notenzeugnis für die Fächer erhalten sollen, in denen sie gefördert werden.

«Wir wollen erreichen, dass es wie früher der Schulkonferenz freigestellt wird, Notenzeugnisse zu erteilen und diese durch entsprechende Berichte zu ergänzen», sagte Vogel. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Bildungsministerin in allen anderen Bereichen auf Notenzeugnisse dränge, aber «bei Schülern mit Förderbedarf von einer Gleichbehandlung abweicht».

Prien konterte: «SPD und SSW glauben, plötzlich den Wert von Noten erkannt zu haben, leider an einer Stelle, an der sich fachlich nicht tauglich sind», sagte sie. Die Ministerin will daran festhalten, den betroffenen Schülern Berichte statt Noten zu geben. «Daraus eine Diskriminierung ableiten zu wollen, ist absurd.» Es mache keinen Sinn, mit Noten den Eindruck einer den allgemeinen Anforderungen entsprechenden Leistungsbeurteilung zu erzeugen. «Vielmehr geht es gerade darum, bei einer bestmöglichen individuellen Förderung auf der Grundlage des konkreten Leistungsvermögens der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers eine passgenaue Rückmeldung zu geben.» In diesen Fällen seien individuelle Berichte angemessen und geeignet.

Den Grundschulen war es bis 2018 in Schleswig-Holstein freigestellt, ob sie Noten vergeben wollen. Dass das Ministerium dies nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, begründete Prien damit, dass Noten aus ihrer Sicht ein gutes Rückmeldesystem für Eltern und Schüler seien. Für Förderschüler gilt das offenbar nicht. News4teachers / mit Material der dpa

Trotz Kritik von GEW und Kinderschutzbund – Notenzeugnisse ab Klasse 3 kommen

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Palim
5 Jahre zuvor

In Niedersachsen gab es die Diskussion vor 2-3 Jahren auch. Sie wurde ca. 6 Wochen vor den Sommerferien entschieden und plötzlich erwartet, dass plötzlich Notenzeugnisse gegeben würden.
Am Ende ruderte das Ministerium zurück.

Wie auch immer entschieden wird:
Es ist sinnvoll, im Anschluss für die Umstellung in den Schulen ein Schuljahr Zeit zu haben, da die Noten erhoben und ermittelt werden müssen und dies rechtssicher erfolgen sollte.