Bundeswehr wirbt zum Girls‘ Day um Schülerinnen – GEW trommelt dafür, dass den Streitkräften die Rekrutierung Minderjähriger verboten wird

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FRANKFURT AM MAIN. Die Bundeswehr sucht händeringend Soldaten-Nachwuchs – auch unter Schülerinnen. Der Girls‘ Day am heutigen 28. März bietet der Armee einen Anlass, Mädchen unter 18 anzusprechen. Die GEW kritisiert das massiv. Sie ist Teil eines neuen Bündnisses mehrerer Organisationen,  die für ein Verbot von Werbung der Streitkräfte bei Schülerinnen und die Rekrutierung Minderjähriger trommelt.

Unter Überschriften wie „Ein Tag als Soldatin“ oder „Attraktive Uniformen“ werben laut Bündnis aktuell über 100 Einrichtungen der Bundeswehr für mehr als 3.600 Angebote zum bundesweiten Tag der Berufsorientierung für Mädchen ab der fünften Klasse.  „Wir wollen Mädchen einen Einblick in die Berufe geben, die sie bisher bei ihrer Berufswahl selten in Betracht ziehen und in denen tendenziell noch wenige Frauen vertreten sind. Wir zeigen euch, welche spannenden und wichtigen Aufgaben Frauen bei der Bundeswehr ausüben“, so heißt es auf der Seite www.bundeswehrentdecken.de.

Und weiter: „Wie sieht der Arbeitsalltag einer Soldatin aus? Was genau gehört zu den Aufgaben einer Soldatin? Welche Möglichkeiten habe ich bei der Bundeswehr, wenn ich keine Soldatin werden möchte? Kann ich eine Berufsausbildung bei der Bundeswehr machen? Wenn du dir diese oder andere Fragen schon mal gestellt hast oder dich fragst, wie du selbst in Uniform aussehen würdest, dann bist du beim Girls‘ Day der Bundeswehr genau richtig.“ Fotos illustrieren die Werbebotschaft: Schülerinnen werden beim lustigen Panzerfahren gezeigt, im Gespräch mit einer martialisch geschminkten Soldatin und beim Anprobieren von Kampfkleidung. Im vergangenen Jahr hat die Bundeswehr nach Angaben des Bündnisses „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“, in der sich dreizehn Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen haben, 1679 minderjährige Soldaten eingestellt, darunter 313 Mädchen.

Lustiges Panzerfahren für Mädchen. Screenshot von bundeswehrentdecken.de

„Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere. Das muss bei der Berufsorientierung junger Mädchen rüber kommen“, meint Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Schule. „Bereits 15-jährige Mädchen werden für einen Beruf umworben, der viele Risiken mit sich bringt – von Traumatisierungen bis hin zum Tod“, sagte Hoffmann. Mögliche persönliche Folgen würden bei diesen Angeboten ebenso verharmlost wie die verheerenden Auswirkungen von Kriegen für die Zivilbevölkerung. „Diese Desinformation junger Menschen muss beendet werden. Das Vorgehen lehnen wir aus politischen, pädagogischen und kinderrechtlichen Gründen ab“, betonte die GEW-Schulexpertin.

„Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendliche!“

Schweres Geschützt fährt auch das Kinderhilfswerk terre des hommes  auf. „Jedes Jahr kommt es bei der Bundeswehr zu schweren Rechtsverstößen und Kinderrechtsverletzungen“, sagte Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte des Hilfswerks. „So waren in den Jahren 2017 und 2018 minderjährige oder gerade volljährig gewordene Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr von sexualisierten Ritualen, sexueller Belästigung und Vergewaltigung betroffen. Bei Bundeswehrübungen kam es zudem zu schweren Verletzungen und Todesfällen von Soldatinnen und Soldaten. Das zeigt: Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendliche! Wir fordern die Bundesregierung auf, die Rekrutierung von minderjährigen Soldatinnen und Soldaten sofort einzustellen, die militärische Werbung bei Schülerinnen und Schülern zu beenden und die Kinderrechte zu schützen und einzuhalten“.

Auch die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“(DFG-VK) moniert die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger. „Es ist skandalös, dass die deutsche Armee seit 2011 11.500 Minderjährige an der Waffe ausgebildet hat“, stellt Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, fest. Etwa ein Fünftel der jungen Menschen seien in den letzten beiden Jahren Mädchen gewesen. „Die zunehmende Zahl Minderjähriger beim Militär ist Folge der massiven Werbung in Schulen, Arbeitsagenturen, auf Messen, im Internet und im Rahmen von Angeboten der Berufsorientierung wie dem Girls‘ Day. Dieser Militarisierung öffentlicher Räume wollen wir Einhalt gebieten“, so Glaßer.

„Die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger ist unnötig und nicht zeitgemäß“, sagte Philipp Ingenleuf für das Netzwerk Friedenskooperative, das ebenfalls zu den Mitgründern des Bündnisses gehört. Deutschland gehöre zu einer kleinen Minderheit von UN-Staaten, die Minderjährige immer noch für das Militär rekrutieren. „Damit steht die Bundesregierung in Widerspruch zu ihrem Schutzauftrag gegenüber Minderjährigen und macht sich bei der internationalen Ächtung des Einsatzes von Kindersoldaten unglaubwürdig“, hebt Ingenleuf hervor. Auch Deutschland müsse sich bei der Rekrutierung von Soldaten endlich an den internationalen „18-Jahres-Standard“ halten. News4teachers

Hintergrund

Acht Kultusministerien haben mit der Bundeswehr eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen, die den Zugang von Jugendoffizieren in den Unterricht, in Ausbildungsveranstaltungen von Lehrkräften oder exklusive Informationsmöglichkeiten für die Bundeswehr regeln.

Die Jugendoffiziere der Bundeswehr haben 2017 mehr als 122.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Weitere über 111.000 Schülerinnen und Schüler haben über Beratung und Vorträge von Karriereberatern Kontakt zur Bundeswehr gehabt. Der Etat für die Nachwuchswerbung der Bundeswehr lag 2017 bei 35,2 Millionen Euro. Allein für die Produktion und Bewerbung der youtube Serie „Mali“ hat das Verteidigungsministerium 6,5 Millionen Euro ausgegeben – erklärt die Organisation  „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“.

Die Träger der Kampagne wollen sich in den kommenden Jahren durch Aktionen, Informations- und Lobbyarbeit für die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre sowie für ein Verbot von Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen engagieren. Weitere Informationen gibt es hier: www.unter18nie.de.

Der  Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

GEW schreibt Schulleiter an, um den Besuch von Schülergruppen beim „Arbeitgeber Bundeswehr“ zu verhindern

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4 Kommentare
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Kimpel
4 Jahre zuvor

Wenn SchülerInnen protestieren und demonstrieren, ist das erst einmal eine gute Sache, insbesondere wenn es um die Gestaltung ihrer Zukunft geht , da diese nun mal, statistisch gesehen, noch eine zeitlich lange Zukunft vor sich haben und bisher noch keine wirkliche Möglichkeit hatten eine politische Einflussnahme , z. B. durch das Wahlgesetz, besitzen!
Das den SchülerInnen diese Handlung während des vorgesehenen Unterricht streitig gemacht wird ist absurd und zeigt denjenigen die dies fordern, das Unverständnis oder die Ignoranz unserer demokratischen Verfassung!
Das diese Proteste meines Wissens berechtigterweise bisher nur zum Thema Umweltschutz stattgefunden haben ist nachvollziehbar, aber noch nicht ausreichend, insbesondere im Hinblick auf die intransparente Politik unserer Bundesregierung.
Der Umweltschutz ist deshalb nicht alleine für das zukünftige Wohlergehen der Menschheit von signifikanter Bedeutung!
Von besonderer Wichtigkeit ist auch, die exorbitante Militarisierung (weltweit!) zu verhindern und zu pazifistisch orientierten Konfliktlösungen bereit zu sein.
Aus meiner Sicht sollten deshalb auch in den Schulen die in Ihrem Artikel beschriebenen Waffenexporte thematisiert und auch dagegen protestiert und demonstriert werden!
Gerade in Deutschland wurde vor Jahrzehnten massiv gegen die friedliche Nutzung der Atomtechnik demonstriert, und was ist mit der militärischen Nutzung….(Atomwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel, in Deutschland, schon gewusst?? )….??

dickebank
4 Jahre zuvor

Die Forderung der GEW finde ich klasse, da Rekrutierungen von Minderjährigen verboten werden sollen, braucht es auch keinen Boys‘- und Girls‘ Day mehr, die Berufsfelderkundungen und Schülerbetriebspraktika so wie die Ausbildungsbörsen können alle wegfallen. Schließlich dienen alle diese Maßnahmen letztendlich dem Recruitment von Human Resources – also der Rekrutierung/Anwerbung von größtenteils minderjährigen Auszubildenden.

Soso
1 Jahr zuvor

Dass die GEW nicht gerade Freundin der Bundeswehr ist, weiß man schon lange.
Ich hätte allerdings gedacht, dass sie im Zeichen der „Zeitenwende“ wenigstens so klug wäre, ihre Abneigung besser zu verbergen.
Ein Rekrutierungsverbot für Minderjährige zu fordern, ist mehr als durchsichtig.

Luise Bollinger
1 Jahr zuvor

Vom Alten Fritz gelernt.
Ich empfehle, Offiziere jenseits der Knackigkeitsgrenze (Wörner) in Sport und Erdkunde einzusetzen.