„Kollegien benötigen Unterstützung“: Piwarz startet Modellversuch zur multiprofessionellen Schule – hilft das gegen den Lehrermangel?

1

DRESDEN. „Die Schulen werden vielfältiger und die Schülerschaft heterogener. Damit steigen die Herausforderungen für das Lehrerpersonal und die Belastungen nehmen zu.“ Bemerkenswert: Dies stellt nicht, wie sonst üblich, ein Lehrerverband fest – sondern ein Kultusminister, nämlich der Sachse Christian Piwarz. Noch bemerkenswerter: Piwarz zieht daraus einen Schluss, den auch zum Beispiel der VBE schon gezogen hat – Lehrer benötigen Unterstützung. Der Christdemokrat möchte deshalb die „multiprofessionelle Schule“ im Freistaat etablieren. Erfahrungen sollen zunächst in einem Modellprojekt gesammelt werden.

Versucht, aus der Not des Lehrermangels eine Tugend zu machen: Sachsens Kultusminister Christian Piwarz. Foto: Sächsisches Kultusministerium / Ronald Bonss

„Ich habe großen Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern, dass sie sich der enormen Aufgabe so engagiert und leidenschaftlich stellen. Aber sie brauchen Unterstützung. Wir können Heterogenität gestalten, wenn wir multiprofessionelle Teams an Schulen etablieren“, sagt Kultusminister Christian Piwarz. Zwei neue Programme, die zusätzliche Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufssparten an Schulen bringen, sollen die Kollegien entlasten. Die Maßnahmen sind Teil eines Investitionsprogramms für die Schulen, welches die Staatsregierung im März vergangenen Jahres gegen den Lehrermangel beschlossen hatte. Das  insgesamt 1,7 Milliarden Euro umfassende Paket beinhaltet etliche Verbesserungen für Lehrkräfte – etwa die Möglichkeit zur Verbeamtung, die Höhergruppierung von Grundschullehrern sowie Zulagen und Ausgleiche für angestellte Lehrer.

Programm „Schulassistenz“

Entlastung für das Lehrerpersonal soll nun das Programm „Schulassistenz“ schaffen. Damit erhalten Schulen mit besonderen Herausforderungen zusätzliches nicht-pädagogisches Personal. Gedacht ist das Programm nach Ministeriumsangaben für Schulen, die zum Beispiel einen hohen Anteil von Schülern haben, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist. Auch Grund- und Oberschulen, die einen hohen Anteil von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben, sollen Hilfe bekommen. In der ersten Programmphase 2019 profitieren Grund-, Ober- und Förderschulen von dem zusätzlichen Personal.

Im Rahmen des Programms sind bereits 39 Schulverwaltungsassistenten sowie 20 Sprach- und Integrationsmittler im Einsatz. Die Schulverwaltungsassistenten unterstützen Schulleitungen bei Verwaltungsaufgaben, Sprach- und Integrationsmittler bei der Integration von Schülern, die Deutsch in Vorbereitungsklassen lernen. In diesem Jahr sollen noch weitere 110 Schulassistenten hinzukommen. Die Aufgaben der zusätzlichen Assistenzkräfte können vielfältig sein und reichen von der Betreuung von Lerngruppen oder Schulprojekten bis zur Veranstaltungsorganisation. Geplant ist, dass mit dem Programm die Zahl der zusätzlichen Fachkräfte bis zum Jahr 2023 auf insgesamt rund 470 anwächst. Auch andere Schularten sollen im Verlauf des Programms davon profitieren.

Weitere Hilfe bietet den Angaben zufolge das Pilotprojekt „Budgetierung von Lehrerarbeitsvermögen“. Im Rahmen des Projektes wird den Schulen für außerunterrichtliche Projekte fehlendes Lehrerpersonal in Geld ausgezahlt. Mit dem finanziellen Budget können sich Schulen externe berufliche Expertise einkaufen. Dem Einsatz der zusätzlichen Fachkräfte seien kaum Grenzen gesetzt, so teilt das Ministerium mit. Zum Beispiel könne ein örtlicher Kantor den Schulchor führen, ein Künstler eine künstlerische AG oder ein Fotograf eine Foto-AG betreuen. Nur eines dürften die externen Fachkräfte nicht: eigenständige Lehrtätigkeiten durchführen oder Schulträgeraufgaben übernehmen.

Anzeige

„Auf diese Weise sollen Lehrkräfte entlastet werden. Sie können sich damit besser auf das eigentliche Kerngeschäft, den Unterricht, konzentrieren. Zudem wird die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schulen gestärkt. Schulen können inhaltliche Schwerpunkte setzen. Wichtig dabei ist, dass die externen Fachkräfte in die schulische Arbeit integriert werden“, so Kultusminister Christian Piwarz.

Mit Beginn des zweiten Schulhalbjahres 2018/2019 testen 14 Pilotschulen das Projekt. Je nach Umfang des ausgereichten Ergänzungsbereichs haben die Schulen ein Budget zwischen 10.000 und 65.000 Euro erhalten. Unterstützt werden sie dabei vom Landesamt für Schule und Bildung. Bevor das Pilotprojekt in den Regelbetrieb übergeht, sollen in diesem Jahr zunächst Erfahrungen der Pilotschulen gesammelt werden.

Eine Unterstützung der Kollegien bundesweit durch mehr Krankenpflegekräfte, Therapeuten, Assistenzkräfte oder Sozialarbeiter an Schulen hatte der VBE unlängst gefordert. „Die Lehrkräfte brauchen eine klare Perspektive, dass sich die momentane Situation wieder entspannen wird. Dafür braucht es dringend kleinere Lerngruppen, insbesondere, wenn Kinder mit Beeinträchtigungen oder geflüchtete Kinder inkludiert werden sollen. Da der Lehrermarkt leergefegt ist, müssen Lehrkräfte durch die Unterstützung multiprofesioneller Teams entlastet werden“, erklärte VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann im vergangenen Herbst. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Lehrermangel: GEW fordert A13 für Grundschullehrer, VBE multiprofessionelle Teams an Schulen

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

ZITAT: „Wir können Heterogenität gestalten, wenn wir multiprofessionelle Teams an Schulen etablieren“, sagt Kultusminister Christian Piwarz. Zwei neue Programme, die zusätzliche Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufssparten an Schulen bringen, sollen die Kollegien entlasten.“

Das ist gut und notwendig, hilft aber nicht wirklich gegen den Lehrermangel – gegen den ja nicht mal Gehaltserhöhungen und Verbeamtungen helfen … Man muss einfach wieder mehr ausbilden! Allerdings können die genannten Maßnahmen dazu beitragen, dass der Lehrerberuf seinen Schrecken verliert, den er gegenwärtig oft schon hat und damit wieder attraktiver wird.

Genau genommen sind solche Programme ja eher eine Art „Outsorcing“, also Auslagerung von Lehrertätigkeiten an Dritte und Schlechterbezahlte, also ein Einsparprogramm durch die Hintertür. Lehrer, die nicht überlastet waren mit Stundensoll, Klassengrößen, massiver Bürokratie und eingeengt durch Schulgesetze und Verordnungen haben alle diese Aufgaben früher problemlos miterledigt, die ja heute nicht neu anfallen, sondern mehr als bisher.