Eine digitale Schule braucht neue Regeln – zum Beispiel: Tablet muss geladen sein

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HANNOVER. Während beim Digitalpakt Schule noch über die Verwendung der Mittel diskutiert wird, ist die Oberschule Gehrden bei Hannover schon weiter: Sie arbeitet fast vollständig digital. Jeder Schüler hat hier sein eigenes Tablet – doch damit ist es nicht getan.

Tablet-Klassen werden zunehmend in Deutschland üblich sein. Foto: Brad Flickinger / flickr (CC BY 2.0)
In der Oberschule Gehrden hat jeder Schüler ein Tablet – und schreibt auch per Hand darauf. Symbolfoto: Brad Flickinger / flickr (CC BY 2.0)

Von Blöcken oder Heften fehlt im Klassenzimmer jede Spur, dafür leuchten viele Displays. «Die Lehrer sind fit, sie sind zu fit», sagt Nikolai. Zocken sei während des Unterrichts nicht möglich, Schummeln erst recht nicht. Der Zwölfjährige meint das iPad, das vor ihm liegt. Alle Schüler haben ein Tablet. Schulbücher stehen in der Oberschule Gehrden bei Hannover nur vereinzelt in den Regalen.

Bereits auf den Fluren merkt man, dass in dieser Schule etwas anders ist. Mädchen und Jungen sitzen während des Unterrichts mit ihren Tablets auf dem Boden im Gang und lösen Matheaufgaben. Einige von ihnen haben einen speziellen Stift in der Hand, mit dem sie auf dem Bildschirm schreiben können. Es herrscht Campus-Atmosphäre. Mittlerweile wird hier fast komplett digital gearbeitet. Wo früher eine Tafel war, steht heute ein großer Fernseher. Wenn die Fünft- bis Zehntklässler etwas präsentieren wollen, verbinden sie ihr Tablet mit dem Fernseher oder schicken die Dateien an ihre Mitschüler. Alle haben eine digitale Mappe, in der sie Aufgaben bearbeiten und abgeben.

Nach monatelangem Hin und Her hatten sich die Bundesregierung und die Länder auf den Digitalpakt geeinigt. 30.000 Euro soll jede Schule in Niedersachsen in einem ersten Schritt erhalten: Damit sollen WLAN-Netze eingerichtet, Cloud-Angebote geschaffen und interaktive Tafeln angeschafft werden.

Wie eine digitale Schule aussehen kann, zeigt die Oberschule Gehrden. Nach ersten Tests im Jahr 2010 stellte sie sich nach und nach um. Unterstützung erhielt sie dabei vom Träger, der Stadt Gehrden. «Wir hatten Glück, vorausschauende Mitarbeiter bei der Stadt zu haben», erinnert sich Schulleiter Carsten Huge. Insgesamt seien rund 150 000 Euro in Digitalisierung, Glasfaserkabel, WLAN-Netze und Server gesteckt worden. Ende 2017 erhielt die Oberschule als erste öffentliche deutsche Schule die Auszeichnung «Apple Distinguished School». Weltweit tragen laut iPad-Hersteller Apple inzwischen 470 Schulen diesen Titel, davon 7 in Deutschland.

„Die Schule braucht einen IT-ler“

«Wir sind noch lange nicht am Ende», betont der Schulleiter. Der Personalbedarf werde sich ändern. «Es müssen neue Stellen geschaffen werden, die Schule braucht einen IT-ler.» Mit dem Kauf von Tablets sei es nicht getan, meint auch die didaktische Leiterin, Anke Berlin: «Das iPad ist nicht das Allheilmittel.» Häufig fehle es noch an passenden Unterrichtsmaterialien. Die hätten die Lehrer meist selbst erstellen müssen.

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«Nahezu jedes Material, das die Verlage heute verkaufen, ist immer auch digital erhältlich – Text, Audio, Video, Bilder, auch Wandkarten und Atlanten», sagt dagegen Ilas Körner-Wellershaus, Vorsitzender des Verbandes der Bildungsmedien. Der Trend gehe aber zu Plattformen, die das digitale Lehrbuch im Mittelpunkt haben und dem die Lehrkräfte dann eigenes und fremdes Material zuordnen können.

Insgesamt verändere sich das Arbeiten der Lehrer, meint Schulleiter Huge. «Aus Einzelkämpfern werden Teamplayer.» Dabei komme auch den Schülern eine andere Rolle zu. «Wir brauchen eine Abkehr vom Frontalunterricht hin zu einer Mitwirkungspflicht der Schüler.» Die Schule solle Qualifikationen vermitteln, auf die es im Berufsleben ankommt. Das Tablet sei ein Werkzeug dafür.

Bei den Schülern kommen die Geräte gut an. «Es ist einfacher und praktischer, und es ist nicht so viel zu tragen», sagt die zwölfjährige Hanna. Die Geräte gehören den Kindern. Die Eltern können das Tablet in einer Summe oder in monatlichen Raten zahlen.

Damit es im Unterricht nicht zu Problemen kommt, gibt es zehn sogenannte iPad-Regeln. Eine davon: Das Tablet muss am Morgen mit 100 Prozent geladen sein. Einen Freifahrtschein zur unkontrollierten Nutzung soll es nicht geben. «Die iPads können überwacht werden», sagt Nikolai. Man könne nicht einfach daddeln, ohne dass der Lehrer es bemerkt. Die Lehrkräfte könnten während des Unterrichts mit einer App jederzeit die Bildschirme der Geräte kontrollieren. Wichtig ist es, alle Daten zu speichern. Sonst könne etwas verloren gehen, sagt sein Mitschüler Sverre.

Trotz aller Digitalisierung gibt es noch Situationen, in denen an der Oberschule Gehrden ganz klassisch und analog gearbeitet wird, denn auf dem Weg zur digitalen Schule in Niedersachsen sind noch juristische Fragen offen. Klassenarbeiten müssen in Gehrden aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen noch mit Stift und Papier geschrieben werden. Das findet nicht jeder schlimm. Hanna (12) sagt: «Die Klassenarbeiten sind analog besser.» Von Maximilian Hett und Christina Sticht, dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Wie sieht digitaler Unterricht in der Praxis aus? Ein Ortsbesuch in einem Traditionsgymnasium, in dem Tablets für Schüler und Lehrer zum Alltag gehören

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7 Kommentare
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Scheppler
5 Jahre zuvor

Ich empfehle, sich die Bedingungen anzuschauen, die Apple formuliert, um „Apple Distinguished School“ zu werden.

Da bleibt einem das Jubeln im Halse stecken. Wollen wir sowas wirklich an unseren Schulen? Sind das die gesellschaftlichen Vorbilder an denen wir uns orientieren sollen?

Haben wir bald die Adidas Approved Schools für herausragende Sportförderung, die VCI-Laborschulen für exzellente MINT-Didaktik und McDonalds Schlemmerschulen mit konzernprämierter Ernährungspädagogik?

Palim
5 Jahre zuvor

Danke für den knappen Einblick in die Arbeit mit Tablets an einer weiterführenden Schule,
die dazu bereit ist, ihr Wissen darüber zu teilen.

Halten wir fest:
– Es braucht offenbar weit mehr als 30.000€ pro Schule.
– Ein großzüigiger Sponsor hat die Schule begleitet.
– Die genannten Gelder sind nicht in die Tablets geflossen, sondern in Glasfaserkabel, WLAN-Netze und Server.
– Tablets müssen von den Eltern finanziert werden.
– Von interaktiven Tafeln ist gar keine Rede an dieser Schule, es geht um Bildschirme.
– Deutlich wird gesagt, dass an der Schule eine Stelle für einen „IT-ler“ eingerichtet werden muss.
– Die rechtlichen Bestimmungen müssen noch klar geregelt werden.
– Diese Schule hat 10 Jahre Entwicklungsarbeit hinein gesteckt, von der sicher andere Schulen profitieren können, die aber ebenfalls viele Jahre viel Zeit in die Entwicklung der Digitalisierung und des Unterrichts stecken müssen.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Konsequenz: Viel mehr als ein Konjunkturprogramm für Apple, Microsoft & co ist das Digitalisierungsprogramm nicht.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

So ist es, und als Alternative wäre es besser, dieses Geld in mehr Personal zu investieren, um kleinere Klassen zu generieren, da die wichtigen manuellen Fähigkeiten, die am Tablet vermittelt werden, auch mit dem Stift auf Papier und der Kreide an Tafeln vermittelt werden können.
Außerdem könnte man einen Teil des Geldes in Feldstudien investieren, um die Effektivität von Lernmethoden zu untersuchen und diese miteinander zu vergleichen.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Die Vermittlung manueller Fähigkeiten gestaltet sich am Tablet aber auch wesentlich aktivierend auf das Gehirn, als dies mit Stift und Kreide erfolgt, da das Umgreifen eines Stiftes nicht erforderlich ist, die Griffhaltung und dessen Steuerung nicht geübt werden müssen, sondern ähnlich, wie das Schreiben mit Fingern im Sand, keine weiteren motorischen Ausführungen aktiviert werden müssen, als der Tastsinn und die Koordination des Bewegungsablaufes der Fingerspitzen.
Zudem ist das Ganze auch noch sündhaft teuer, hier 150.000 Euro für Glasfaserkabel, Verbindungen etc.sowie die individuell angeschafften Tablets durch die Eltern der Schüler.
Und setzt auch schon wieder die Selektion nach der Geldbörse ein, und so freuen sich Microsoft, Apple, Intel, die Lehrmittelverlage und andere, an der Digitalisierung der Schulen zu verdienen, ohne dass die Lernleistungen gesteigert werden.

AvL
5 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Zeile 2 : …auch wesentlich weniger aktivierend auf da Gehirn, als dies mit Stift..

GriasDi
5 Jahre zuvor

Zitat:
„Die iPads können überwacht werden», sagt Nikolai. Man könne nicht einfach daddeln, ohne dass der Lehrer es bemerkt. Die Lehrkräfte könnten während des Unterrichts mit einer App jederzeit die Bildschirme der Geräte kontrollieren.“
Wers glaubt!?! Wenn ein Schüler dann mal ne Frage hat und der Lehrer zu ihm geht, mit ihm sein Problem bespricht, hat er sicher die iPads aller anderen Schüler im Blick.
Unterricht mit Computern funktioniert nur dann, wenn das Internet ausgeschalten ist!