„Fridays for Future“: Schüler demonstrieren bundesweit in 180 Städten – GEW und Philologen streiten über Sanktionen fürs Schwänzen

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BERLIN. Einen konsequenteren Umgang mit den seit Wochen laufenden „Fridays for Future“-Protesten hat der Philologenverband Niedersachsen gefordert. „Der Klimaschutz ist wichtig und braucht zweifelsfrei mehr Aufmerksamkeit von uns allen. Dies darf aber nicht über dauerhaft regelwidriges Verhalten wie dem Schulschwänzen erreicht werden“, erklärt der Landesvorsitzende Horst Audritz. Die Berliner GEW begrüßt hingegen die geplanten Aktionen – und fordert die Schulen dazu auf, auf Sanktionen zu verzichten. Am Freitag (15. März) wollen Schülerinnen und Schüler weltweit für eine bessere Klimapolitik demonstrieren. In Deutschland sind rund 180 Demonstrationszüge angemeldet.

Freitag für Freitag ziehen allwöchentlich Tausende von Schülern protesierend durch die Städte – für morgen sind rund 180 Demonstrationszüge angekündigt. Foto: Jörg Farys / WWF / flickr (CC BY 2.0)

Es sei bemerkenswert, dass das Thema Schulpflichtverletzung sowohl vom niedersächsischen Kultusministerium als auch dem Ministerpräsidenten bis hin zur Bundeskanzlerin kulant zu Seite gewischt würde – meint jedenfalls der niedersächsische Philologen-Chef Horst Audritz. „Wir gewinnen hier immer mehr den Eindruck, dass die Umsetzung geltender Bestimmungen als unliebsames Thema auf unsere Lehrkräfte abgewälzt wird, da die politischen Verantwortungsträger auf der Sympathie-Welle der medialen Öffentlichkeit mitsurfen wollen.“ Den Eindruck zu erwecken, dass bei politisch genehmem Engagement die Schulpflicht nicht so wichtig sei, sende ein fatales Signal an die Schülerinnen und Schüler.

Aktuell gehe es zwar um das engagierte Eintreten für das Klima, und die Kritik am bisherigen Stellenwert dieses Themas in der Weltpolitik habe zweifelsfrei ihre Berechtigung. Was aber, so fragt Audritz, wenn neue Themen von den Schülern auf die Agenda gesetzt werden und auch hier die Unterrichtszeit zur Streikzeit werde? „Es liegt an uns, den Schülern klar zu machen, dass ihr Engagement nicht zu Lasten ihrer eigenen Bildung gehen darf und das Schwänzen aus Kalkül das eigentliche Ziel ihrer Proteste langfristig überlagert“, erläutert der Verbandsvorsitzende. Ganz allgemein müsse gelten, dass Schule ein Ort der Meinungsbildung sei – und nicht der Politisierung und des Konfliktaustragens.

Die Auffassung, ein großzügiges Ignorieren der Schulpflicht durch die Verantwortlichen sei das, was die Jugendlichen weiterbringe, könne als klassischer Fehlschluss gewertet werden. Wenn Haltung für den Klimaschutz eingefordert werde, dann müsse Haltung auch für die Schulpflicht gelten. „Der eigentliche Appell der Proteste lautet doch: ,Setzt euch durch, seid Vorbilder!‘ Genau aus diesem Grund müssen wir für die Schulpflicht dezidiert eintreten und klarmachen, dass gesellschaftliches Engagement seinen Platz in der schulfreien Zeit haben muss“, fordert Audritz.

„Im Sinne des schulischen Bildungsauftrags“

Die GEW sieht das allerdings anders. „Mit Fridays for Future ist eine große Bewegung von jungen Menschen entstanden, die sich mit Nachdruck für den Klimaschutz und für eine nachhaltige ökologische Entwicklung einsetzen. Dieses Engagement begrüßen wir als Bildungsgewerkschaft ausdrücklich“, erklärt der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann.

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„Es ist sehr im Sinne des schulischen Bildungsauftrags, wenn Schülerinnen und Schüler sich als mündige Bürgerinnen und Bürger in gesellschaftspolitische Zusammenhänge einbringen und von ihrem Recht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen“, unterstrich Erdmann. „Natürlich gilt während der Schulzeit die Schulpflicht.“ Nichtsdestotrotz rufe die GEW Lehrer auf, „das Engagement der Schülerinnen und Schüler als berechtigt anzuerkennen und von Sanktionen wegen Fehlens im Unterricht abzusehen“.

Nachhaltige Entwicklung und Globales Lernens seien Themen des Berliner Rahmenlehrplans. Sie ließen sich in vielen Unterrichtsfächern thematisieren. Aktive Schülerinnen und Schüler könnten Referate halten, Projekte für die ganze Klasse entwickeln oder Arbeitsgruppen ins Leben rufen. Der Besuch der Klima-Demonstrationen könnte auch als Schulausflug gemeinsam gestaltet werden.

Materialien zum Download

Wie auch immer man zu den Streiks steht: das Thema an sich ist ein wichtiges und die SchülerInnen sollten genau Bescheid wissen, wofür sie auf die Straße gehen. Netzwerk Lernen, das große Portal für Unterrichtsmaterial der Verlage zum Download, hat eine umfassende Materialienliste zu den Themen Klimaschutz und Klimawandel zusammengestellt – geeignet für den sofortigen Einsatz im Unterricht.

Hier geht es zu der Übersicht sofort herunterladbarer Materialien.

Die GEW Berlin spricht sich dafür aus,  dass Lehrkräfte, Schüler und Eltern nach gemeinsamen Lösungen suchen, wenn zum Zeitpunkt der Demonstrationen Klassenarbeiten oder andere besonders wichtige Termine anstehen oder wenn Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten in bestimmten Fächern haben. Die Kinder und Jugendlichen sollten den Stoff des versäumten Unterrichts außerdem stets nacharbeiten. Mehr aber, so meint die GEW, sei nicht nötig. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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mestro
5 Jahre zuvor

Der Facebook-User „Bodi Norbert“ schreibt: „Den Freitagsunterricht auf Samstag verlegen, und gut ist es! Aber das wird den Lehrern auch nicht passen!“

Ich frage mich eher: Passt es denn den Schülern? Verbinden nicht etliche von ihnen ihre vielgelobten und ach so tollen Demonstrationen mit der verlockenden Vorstellung „schulfrei“!
Samstagsunterricht wäre eine interessante Nagelprobe. Aber wird das den Schülern passen?

OlleSchachtel
5 Jahre zuvor

Meine Tochter würde Samstags dafür in die Schule gehen. Ihr droht auch nachsitzen. Ich finde den Einsatz der Kinder gut. Würden sie Samstags demonstrieren, würde es doch keinen interessieren im Gegenteil man würde die Jugend belächeln.

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Das stimmt so nicht. Die Menge macht’s! Weder die Demonstrationen in der DDR 1989 noch die Pegida-Demonstrationen vor wenigen Jahren litten unter Aufmerksamkeit, weil dafür nicht gestreikt wurde. Nochmal: Die Menge macht’s.

Gelbe Tulpe
5 Jahre zuvor

Die Schüler sollten auf jeden Fall noch die Problematik der Globalisierung für die Umwelt (massiver Schadstoffausstoß durch den Transport per Schiff von Fernost über die Ozeane zu uns nämlich) thematisieren.

Herr Mückenfuß
5 Jahre zuvor

Als ich meinen Schülern von den Demonstrationen erzählte, machten sie große Augen. Als ich sagte, dass das freitags während der Unterrichtszeit stattfindet, lachten sie laut, nickten eifrig mit den Köpfen und sagten, das würden sie auch machen.

Ich finde gut, dass es diese Demonstrationen gibt. Ich finde nicht gut, dass dafür ständig Unterricht ausfällt. Die befürwortenden Lehrer könnten selbst Engagement zeigen und – wie oben jemand schreibt – stattdessen Samstagsunterricht anbieten und durchführen. So weit reicht das Engagement jedoch meist eher nicht.

„Klima-Greta“ mag ich und finde sie sympathisch. Sie für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen halte ich für puren Aktionismus. Es entwertet diesen Preis eher in meinen Augen bei aller Sympathie.