Gymnasial-Eltern machen Gebauer Ärger: „Zu wenig Fachwissen im neuen G9“

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DÜSSELDORF. Unter Hochdruck wird in Nordrhein-Westfalen an den Kernlehrplänen für den landesweiten Umstieg auf G9 gearbeitet – aus Sicht der Elternschaft der Gymnasien allerdings mit der heißen Nadel. Qualität müsse vor Schnelligkeit gehen, mahnen die Eltern.

Die FDP-Politikerin Yvonne Gebauer ist neue Schulministerin von NRW. Foto: Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)
Muss G9 gestalten: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Raimond Spekking / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Zu wenig Fachwissen und Stoff von anno dazumal sieht die Elternschaft der Gymnasien in den Lehrplanentwürfen für den neuen neunjährigen Gymnasialgang (G9) in Nordrhein-Westfalen. Nachbesserungsbedarf reklamiert der Elternverein vor allem in den Fächern Latein, Deutsch, Wirtschaft/Politik, Kunst und Naturwissenschaften.

Bei Wirtschaft und Politik sei im vorgelegten Kernlehrplan des Schulministeriums «eine sehr einseitige Ausrichtung auf Unternehmertum und Verbraucherbildung» festzustellen, kritisierte die Vorsitzende des Elternvereins, Jutta Löchner, am Freitag in Düsseldorf. Die Einbettung des Fachs in gesamtgesellschaftliche und soziale Zusammenhänge komme zu kurz. Schulstaatssekretär Mathias Richter wies die Kritik in einer schriftlichen Reaktion als pauschal, «oberflächlich und nicht zielführend» zurück.

Die Elternschaft machte dagegen eine umfassende Mängelliste auf: Chemie sei «in der Fachlichkeit des 20. Jahrhunderts verhaftet geblieben». Die Frage, was Chemie und Biochemie heutzutage leisten könnten, sei «nicht mit Versuchen von 1960» zu vermitteln, betonte Löchner. Die von der schwarz-gelben Koalition versprochene Stärkung der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sei nicht in Sicht. Informatik werde laut Plan kein Pflichtfach.

Deutsch mit Medienkompetenz überfrachtet?

Deutsch solle den Entwürfen zufolge mit Medienkompetenz-Inhalten völlig überfrachtet werden, kritisierte Löchner. «Literatur, Lyrik und das Schreiben von Texten geht verloren.» Latein – eigentlich wertvoll zur Schulung systematischen Denkens – werde «als reine Übersetzungshilfe degradiert». Generell drohe eine Überforderung der Schüler, weil die Inhalte in ein methodisches Konzept zur Vermittlung von Kernkompetenzen gepresst würden.

Der landesweite Umstieg auf G9 beginnt zum kommenden Schuljahr mit den Jahrgängen 5 und 6. Es sei verständlich, dass die Grundinhalte der Fächer für diese Stufen – auch mit Blick auf die Schulbuchverlage – in Kürze stehen müssten, sagte Löchner. Gerade deshalb sollte das Schulministerium jetzt zügig den Austausch mit Praktikern und Wissenschaftlern suchen, um nachzujustieren. Bislang schmorten kleine, intransparente Zirkel «im eigenen Saft». Die Landeselternschaft der Gymnasien vertritt nach eigenen Angaben 445 von insgesamt 625 Gymnasien in NRW und damit mehr als 750.000 Eltern.

Auch die Grünen forderten eine umfängliche Beteiligung von Experten und Praktikern. Bislang reiche das nicht aus, kritisierte die Schul-Expertin der Landtagsfraktion Sigrid Beer in einer Mitteilung. «Es muss eine Übergangsregelung geben, um die kritischen Hinweise und Stellungnahmen doch noch berücksichtigen zu können.»

Schulstaatssekretär Richter wies die Kritik an der fachlichen Kompetenz der Lehrplankommission zurück. «Erfahrene Lehrkräfte und Experten aus der Schulaufsicht mit großer fachdidaktischer und pädagogischer Erfahrung erarbeiten die Entwürfe auf Grundlage aktueller Erkenntnisse des jeweiligen Fachgebiets», unterstrich er. Innerhalb kürzester Zeit werde für das neue G9 eine Anpassung vorgenommen, die üblicherweise mehrere Jahre dauern würde.

Nach Auswertung aller Stellungnahmen aus einem breiten Beteiligungsverfahren würden die Entwürfe bei Bedarf angepasst. Die Ausgestaltung des Unterrichts mit konkreten Inhalten sei ohnehin Aufgabe der einzelnen Schulen. «Auch dafür gibt es seitens des Landes Unterstützungsangebote.» dpa

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Pälzer
5 Jahre zuvor

Kaum vorstellbar, dass sich zwischen jetzt und Sommerferien ein sinnvolles Schulbuch neu konzipieren ließe. Das würde auf Copy & paste ohne Korrekturlesen hinauslaufen.