GEW-Umfrage: Lehrer fühlen sich durch Arbeitsverdichtung stark belastet – kämpfen aber engagiert gegen Herausforderungen an

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STUTTGART. Zu wenig Zeit, zu große Klassen, zu viel Stress: Eine Online-Umfrage unter Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg verdeutlicht die Belastungen im Schulalltag. Ein erstaunliches Detail der Erhebung lässt erkennen, wie engagiert die Kollegien trotz allem mit den Herausforderungen umgehen (unter denen die große Heterogenität der Klassen und Verhaltensauffälligkeiten einzelner Schüler hervorstechen): Ein Großteil der Lehrerschaft betrachtet ihre Arbeit als sinnstiftend und befriedigend.

Zeitmangel prägt den Alltag von Lehrerinnen und Lehrern. Foto: Shutterstock

Vier von fünf Lehrern im Land beklagen Zeitmangel in ihrem Berufsalltag. Das geht aus einer am Montag in Stuttgart veröffentlichten Online-Umfrage der GEW hervor, in der rund 5700 Lehrer aus Baden-Württemberg zu ihrer Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung im Netz Angaben machen konnten. Mehr als 80 Prozent der Lehrer gaben an, dass Zeitmangel die Arbeitszufriedenheit sehr stark oder stark beeinträchtigt.

Den Zeitmangel nennen mehr als 80 Prozent als größtes Problem. 60 Prozent sagen, dass ihre Arbeitszeit nie oder selten ausreicht. Als ein wesentlicher Grund wird genannt, dass die Auf­gaben außerhalb des Unterrichts zugenommen haben. Als größte Herausforderung im Unter­richt wird die Leistungsbandbreite der Schülerinnen und Schüler genannt, am stärksten an Realschulen. In der Sekundarstufe I aller Schularten werden Disziplin- und Verhaltensprobleme an erster Stelle genannt. «Nahezu niemand ist von der Arbeitsverdichtung verschont», sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Knapp zwei Drittel der Befragten gab an, dass kleinere Klassen hilfreich sein würden.

Der Umfrage zufolge ist trotzdem die Mehrheit der Lehrkräfte mit ihrem Beruf zufrieden und betrachtet ihre Arbeit mit großer Mehrheit als sinnstiftend. Die GEW gehe davon aus, dass die Angaben einen hohen Aussagewert haben, da sich viele Lehrer beteiligt hätten – aus jeder Schulart mehr als 500 Lehrer.

Als größte Herausforderung wurde die Leistungsbandbreite der Schüler genannt. Auch Disziplin- und Verhaltensprobleme sind demnach ein großes Problem – besonders in der Sekundarstufe 1 (Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen). Am Arbeitsplatz Schule seien nach drei Jahren grün-schwarzer Bildungspolitik keine Verbesserungen zu spüren, kritisierte Moritz. Schulen sollten mehr Aufgaben wie die Inklusion bewältigen, dafür fehle aber die Zeit.

Mehrheit der Lehrer meint: Inklusion funktioniert nicht gut

Die Lehrer gaben mehrheitlich an, dass die Inklusion an ihrer Schule eher nicht gut als gut läuft. Nur 15 Prozent sehen laut Moritz zudem einen pädagogischen Mehrwert in der Ganztagsschule. «Das ist alarmierend.» Die GEW beklagt auch einen Rückstand bei der Digitalisierung in den Klassenzimmern. Knapp die Hälfte der befragten Lehrer habe angegeben, noch nie mit Tablets oder Smartphones gearbeitet zu haben. Drei Viertel der Grundschulkräfte gaben an, noch keine Erfahrung mit digitalen Medien gemacht zu haben. Schulträger und Land müssten hier mehr investieren, forderte Moritz.

Das Land könne sich Zurückhaltung bei Bildungsinvestitionen nicht leisten, sagte Moritz. Mehr Studienplätze und Lehrerstellen müssten geschaffen werden. Wenn man den steigenden Schülerzahlen Rechnung tragen wolle, müsse es einen Schub geben und es müssten viel mehr Kapazitäten geschaffen werden. „Es ist Zeit für mehr Zeit. Als Sofortmaßnahme bereits für das nächste Schuljahr wollen wir den Ausbau der Vertretungsreserve erreichen. In Schularten, in denen kein Lehrer­mangel herrscht, könnte die Vertretungsreserve sofort ausgebaut werden. Mit den Gymnasien sollte begonnen werden, im September 2018 haben 2.000 Gymnasiallehrkräfte keine Stelle bekommen. Die Erhebungen zum Unterrichtsausfall kann sich die Kultusministerin auch sparen, wenn die Schulen bereits zum Beginn des Schuljahres mangelhaft ausgestattet werden und die erhobenen Zahlen folgenlos bleiben“, sagte Moritz. Auch müssten Schulsozialarbeit und Fortbildungen zum Umgang mit Verschiedenartigkeit ausgebaut werden.

Die offenen Antworten der Umfrage-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer dokumentieren die große Unzufriedenheit der pädagogigschen Profis mit der Bildungspolitik von Grünen und CDU. „Mehrere tausend Lehrkräfte haben uns zum Teil seitenlange Rückmeldungen geschickt. Alle zeigen, dass in den Schulen nach drei Jahren grün-schwarzer Regierungszeit Frust herrscht. Es wurde viel ver­sprochen und angekündigt, aber am Arbeitsplatz Schule sind keine Verbesserungen zu spüren. An erster Stelle nennen die Lehrerinnen und Lehrer den Wunsch nach einer Senkung ihrer Arbeitszeit“, so Moritz.

Die Arbeitsbelastung der Lehrer sei ohne Frage hoch, reagierte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) auf die Umfrage. «Aus diesen Gründen lehne ich es auch entschieden ab, den Klassenteiler oder das Deputat zu erhöhen, um den Lehrermangel zu reduzieren, da die Lehrkräfte ohnehin schon sehr gefordert und die Klassen gefühlt eher zu groß als zu klein sind», betonte sie. Die Vertretungsreserve soll weiter ausgebaut werden. «Durch den Mangel an Lehramtsbewerbern in einzelnen Schularten und bei bestimmten Fächern lässt sich das aber leider nicht von heute auf morgen wirksam bewerkstelligen.» News4teachers / mit Material der dpa

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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

„Mehr als 80 Prozent der Lehrer gaben an, dass Zeitmangel die Arbeitszufriedenheit sehr stark oder stark beeinträchtigt.

Den Zeitmangel nennen mehr als 80 Prozent als größtes Problem. 60 Prozent sagen, dass ihre Arbeitszeit nie oder selten ausreicht. Als ein wesentlicher Grund wird genannt, dass die Auf­gaben außerhalb des Unterrichts zugenommen haben. Als größte Herausforderung im Unter­richt wird die Leistungsbandbreite der Schülerinnen und Schüler genannt, am stärksten an Realschulen. In der Sekundarstufe I aller Schularten werden Disziplin- und Verhaltensprobleme an erster Stelle genannt.“

Das ist das, was ich seit Jahren „predige“, während andere nur um mehr Geld (Gehalt) ringen. Leider ist dadurch weiterhin viel Zeit vertan, in der es hätte Hilfen geben können und müssen.

Alle diese Problem sind nicht gelöst und werden nicht gelöst, statt dessen gibt es ein nur ein wenig mehr Schweigegeld. 🙁

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor
Antwortet  Herr Mückenfuß

… aber gut, dass Frau Eisenmann ein höheres Stundensoll und größere Klassenfrequenzen ablehnt.