Immer mehr Seiteneinsteiger – Eltern und Lehrer fordern bessere Qualifizierung

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POTSDAM. Jeder Achte Lehrer in Brandenburg ist mittlerweile ein Seiteneinsteiger. Ihr Anteil wird in den nächsten Jahren wohl noch weiter steigen. Um den Bedarf zu decken, werden immer mehr Seiteneinsteiger in Schnellkursen auf den Schuldienst vorbereitet. Eltern und Lehrer fürchten Abstriche am Unterrichtsniveau.

An manchen Schulen Brandenburgs sind sie nicht mehr wegzudenken, bei vielen Eltern stoßen sie aber auf Skepsis: Berufswechsler oder Arbeitslose, die nach einem Kompaktkurs als Seiteneinsteiger Schüler unterrichten. Um den Bedarf zu decken, könnte laut Bildungsministerium in den nächsten Jahren jede zweite neue Lehrkraft ein Seiteneinsteiger sein. «Die werden in die Schulen gedrückt, nur um alle Stellen zu besetzen», sagt René Mertens, Elternsprecher am Fläming-Gymnasium in Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark) und im Vorstand des Landeselternrats.

Nach einem „Crashkurs“ in den Schuldienst? Der Anteil der Quereinsteiger in Brandenburg steigt. Foto: Reisefreiheit_eu / Pixabay (CC0 1.0)
Nach einem „Crashkurs“ in den Schuldienst? Der Anteil der Quereinsteiger in Brandenburg steigt. Foto: Reisefreiheit_eu / Pixabay (CC0 1.0)

Ende 2018 arbeiteten an den staatlichen Schulen der Mark bereits zwölf Prozent der knapp 20 000 Lehrkräfte ohne Pädagogik-Studium, wie das Bildungsministerium mitteilte. Mitte 2017 lag diese Quote noch bei 8,5 Prozent. An einigen Schulen der Sonderpädagogik unterrichtet bereits jede zweite Lehrkraft ohne Lehramtsstudium. Dabei sind gerade an diesen Schulen Lehrer mit besonderem pädagogischen Kenntnissen und Geschick erforderlich.

Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf landen meist an den Schulen, wo die Herausforderungen am größten sind – VBE: “Ein Teufelskreis”

Für die Betreuungslehrer bedeuten die Seiteneinsteiger eine zusätzliche Aufgabe – und oftmals eine Belastung. Auch die Lehrerverbände warnen vor einer Überforderung der Pädagogen, denen bislang nur eine Stunde pro Woche als Betreuungszeit angerechnet wird. Um Lehrer zu entlasten, fordern sie die Vorqualifizierung der Seiteneinsteiger von drei auf mindestens sechs Monate auszuweiten.

Während manche Eltern befürchten, dass das Unterrichtsniveau durch Lehrer ohne mehrjähriges didaktisches Studium sinken könnte, warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor zu viel Skepsis. «Das eigentliche Problem ist, dass die Politik versagt hat, weil zu wenig Pädagogen in den letzten Jahren ausgebildet wurden», betont Brandenburgs GEW-Chef Günther Fuchs. Nun müsse alles getan werden, um Seiteneinsteiger zu qualifizieren und die Kernkompetenz der Schule zu stärken. «Dazu gibt es keine Alternative, der Lehrerarbeitsmarkt ist leer gefegt.

Die Sorgen vor Abstrichen am Unterrichtsniveau sind derweil nicht unbegründet. Nicht immer sind die Seiteneinsteiger dem Schulalltag gewachsen. Laut Bildungsministerium wurden seit dem Vorjahr rund 100 Beschäftigungsverhältnisse mit Seiteneinsteigern vorfristig beendet.

Eine Entlastung der Lehrer und geringere Unterrichtsausfälle wären laut Lehrerverbänden durch weniger Verwaltungstätigkeiten, aber auch durch eine höhere Vertretungsreserve möglich. «Damit könnte der durch Krankmeldungen verursachte Unterrichtsausfall gesenkt werden», sagt Hartmut Stäker, Präsident des Brandenburgischen Pädagogen-Verbands.

Nach seinen Angaben stiegen die Krankmeldungen der Lehrer auch durch Überforderungen von 4,9 Prozent im Schuljahr 2006/2007 auf 7,7 Prozent im Schuljahr 2017/2018. «Wir brauchen dringend Entlastungen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Vertretungsreserve von drei auf mindestens acht Prozent», sagt Stäker. Auch wegen vieler Krankmeldungen war der Vertretungsbedarf im vergangenen Jahr um 0,3 Punkte auf 11,2 Prozent gestiegen.

Das Bildungsministerium entgegnet dieser Forderung mit dem Hinweis, der Unterrichtsausfall sei im vergangenen Schuljahr um 0,1 Punkte auf 2,0 Prozent des Stundensolls gesunken. Das betraf aber nur die allgemeinbildenden Schulen. Werden auch die Oberstufenzentren einbezogen, waren im Schuljahr 2017/2018 wie in den beiden Jahren zuvor 2,3 Prozent des Unterrichts ersatzlos ausgefallen.

Auch Eltern dringen auf eine bessere Qualifizierung der Seiteneinsteiger. «Die dreimonatige Vorqualifizierung gleicht einem Crashkurs», sagt Mertens, der auch dem Kreiselternrat in Potsdam-Mittelmark ist und dem Landesschulbeirat angehört. Insgesamt müsse viel mehr getan werden. «Uns Eltern fehlt der große Plan, wie die Seiteneinsteiger so qualifiziert werden, dass sie wie vollwertige Lehrer unterrichten können.» (Manfred Rey, dpa)

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D. Orie
5 Jahre zuvor

Auch wenn ich mich wiederhole. Das ist richtig: „`Das eigentliche Problem ist, dass die Politik versagt hat, weil zu wenig Pädagogen in den letzten Jahren ausgebildet wurden‘, betont Brandenburgs GEW-Chef Günther Fuchs. Nun müsse alles getan werden, um Seiteneinsteiger zu qualifizieren und die Kernkompetenz der Schule zu stärken.“ Weiterhin wird nichts getan. Bislang habe ich vor keiner (!) einzigen (!) neuen (!) Professur für eine verstärkte Lehrkräfteausbildung im Grundschulbereich erfahren. Es passiert einfach nichts. Wann gibt es das erschreckte Aufwachen?

ysnp
5 Jahre zuvor

Finde ich gut, dass die Eltern das fordern. Ich halte dies dennoch für zu wenig. Bei uns dauert das Querensteigerprogramm für fertige Lehrer anderer Schularten 2 Jahre (z.B. nutzen das Gymnasiallehrer, die keine Anstellung bekommen haben), davon ein Jahr intensive Begleitung ohne Klassenführung, das zweite Jahr mit einer Klassenführung.