Schulbuchverlage in der Digitalisierung – das Beispiel Klett: „Digital ist bereits ein PDF“

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STUTTGART. Die Digitalisierung des Unterrichts ist bislang nicht so richtig in Gang gekommen. Der unlängst beschlossene Digitalpakt soll das ändern: Der Bund investiert fünf Milliarden Euro für die IT-Ausstattung der Schulen. Gleichermaßen wichtig ist allerdings auch ein entsprechendes Medienangebot. Ohne gute digitale Lehr- und Lernmittel wird das Geld versanden. Welche Rolle nimmt ein Bildungsmedienverlag wie Ernst Klett dabei ein? Ein Gespräch mit Verlagsleiter Dr. Ilas Körner-Wellershaus.

„Richtig ist, dass der Hauptumsatz im Bereich der Bildungsmedien noch immer mit gedruckten Lehr- und Lernmedien gemacht wird“: Klett auf der didacta. Foto: Koelnmesse

Kürzlich war als pessimistische Reaktion auf den Digitalpakt zu lesen, dass sich die Lehrkräfte in Deutschland dem digitalen Wandel verweigern und nur gedruckte Schulmaterialien wünschen. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Körner-Wellershaus: Nein, von einer solchen Stimmung sind wir weit entfernt. Das ist reine Polemik. Die digitale Bildung ist Bestandteil aller Lehrpläne und Fachanforderungen. Wenn Lehrkräfte Kritik in der aktuellen Debatte üben, dann bezieht sich das eher auf noch ungelöste Probleme wie fehlende IT-Ausstattungen,  Fragen zu Wartung und Support, der Finanzierung oder zu Aus- und Fortbildungen. Es gibt berechtigterweise noch viele Hürden zu nehmen, die über kurz oder lang gelöst werden müssen.

Trotzdem liegen die Umsätze mit digitalen Materialien nur im einstelligen Bereich, warum?

Körner-Wellershaus: Richtig ist, dass der Hauptumsatz im Bereich der Bildungsmedien noch immer mit gedruckten Lehr- und Lernmedien gemacht wird. Das hat aber nichts mit mangelndem Interesse an digitalen Unterrichtsmaterialien oder ihren Konzepten zu tun. Die meisten Schulen sind heute etwa für unsere veränderbaren, neuen digitalen Lernkurse „eCourse“ technisch noch gar nicht ausgerüstet. Deshalb sind sie aber keine Verweigerer. Das Feedback zu unseren digitalen Lernkursen auf der didacta in Köln war sehr positiv. Die große Mehrheit der Schulen setzt sich mit der Digitalisierung intensiv auseinander. Immer mehr Schulen entwickeln dafür ihre eigenen Medienkonzepte. Das wird Auswirkungen auf Lernorte, Lernzeiten, Lernwege und Lerninhalte haben. Der beschlossene Digitalpakt und die neuen Lehrplanvorgaben einiger Bundesländer wirken sich hier unterstützend aus. Für die Schulen sowie für uns als Inhalte-Gestalter.

Lohnt es sich denn jetzt für Sie ökonomisch, cloudbasierte, individuell anpassbare Produkte zu entwickeln?

„Welchen Grad an Digitalisierung streben wir überhaupt an?“ Verlagsleiter Dr. Ilas Körner-Wellershaus. Foto: Klett-Themendienst

Körner-Wellershaus: Die Gegenfrage lautet: Welchen Grad an Digitalisierung streben wir überhaupt an? Wenn es nur darum geht, gedruckte Schulbücher aus den Schulen zu verbannen, dann ist das zu kurz gedacht. Grundlage für alles ist das Lern – und Unterrichtskonzept einer jeden Schule. Und dabei stehen pädagogische, didaktische und methodische Themen im Mittelpunkt. Daraus leitet sich dann ab, in welcher Weise mit digitalen Medien gearbeitet werden soll. Und digital ist bereits ein PDF, das zum Beispiel mit der App Klett Lernen offline und online via Tablet im Unterricht genutzt werden kann. Das Interesse an niedrigschwellig digitalen Produktlösungen ist hoch, das mag für viele Vorreiter enttäuschend sein. Das ist aber die Realität. Die Digitalisierung der Schulen ist ein Prozess. EBooks bilden heute den Einstieg in digitale Phasen des Unterrichts. Andererseits bereiten Lehrkräfte ihren Unterricht mit vielen digitalen Medien vor. So erfreuen sich unsere digitalen Unterrichtsassistenten großer Beliebtheit.

Die Schullandschaft ist bundesweit sehr heterogen ausgestattet …

Körner-Wellershaus: Es geht weniger um die technische Ausstattung, als vielmehr darum, welcher Unterrichtstil an einer Schule gepflegt wird und welche Lernprozesse unterstützt werden sollen. Wir bieten digitale Produkte, die 1:1 die Inhalte der gedruckten Bücher abbilden, solche, die das Lernen mit ergänzenden interaktiven Inhalten begleiten wie unsere „eBook pro“ oder unsere Test-Plattform „Testen und Fördern“ und schließlich solche Produkte, die kooperierendes Arbeiten über Netzwerkstrukturen oder Plattformen ermöglichen. Die Anforderungen und Wünsche unserer Kunden stehen an erster Stelle – zusammen mit den Lehrplänen und einem roten Faden als Garant für einen gut strukturierten und lehrplankonformen Unterricht. Die Technik ist für uns kein Treiber.

Schulbüchern haftet das Image Medientechnik anno 1900 an. Ist Kritik berechtigt?

Körner-Wellershaus: Das Schulbuch wie man es noch vor hundert Jahren kannte, gibt es längst nicht mehr. An seiner Stelle stehen heute qualitativ hochwertige Bildungsmedien in den unterschiedlichsten Formaten. Unseren ca. 27.000 gedruckten Materialien stehen etwa drei Mal so viele digitale Produkte gegenüber. Ein Imageproblem kann ich da nicht erkennen.
Kritische Stimmen beziehen sich heute in der Regel auf gewandelte gesellschaftliche Werte und Normen. Viele Bücher in den Schulen sind im Schnitt 8 bis 15 Jahre alt, tatsächlich aktualisieren wir unsere gedruckten Lernmaterialien in der Hälfte der Zeit, digital geht das natürlich bedeutend schneller. Aber das ist ein anderes Thema.

Wo positioniert sich der Ernst Klett Verlag heute mit seinem digitalen Produktangebot?

Körner-Wellershaus: Unsere Kunden sind in erster Linie die Lehrkräfte, die unterstützen wir. Aus unseren Gesprächen mit ihnen wissen wir, wie ihr Unterrichtsalltag aussieht. Sie sind Fachvermittler und Erzieher, Kompetenz- und Sprachförderer, bisweilen auch Inklusionshelfer. Je nach Perspektive. Dazu kommt dann noch die Berufserfahrung als Fach- oder Vertretungslehrer. Neu hinzugekommen sind Quereinsteiger. Darauf stellen wir uns ein. Wir entlasten sie bei der Unterrichtsvorbereitung, z. B. mit unseren digitalen Unterrichtsassistenten. Wir helfen ihnen motivierende Lernwege für ihre Schüler zu beschreiten, z.B. mit interaktiven 3-D Modellen von Klett-Sensavis. Oder wir bieten ihnen die Möglichkeit, flexibel mit unseren Lernmaterialien umzugehen, Inhalte anzupassen, eigene Materialien zu ergänzen oder vorhandene Materialien auszublenden. Die Bedürfnisse im Unterrichtsalltag sind so vielfältig wie unsere Produktpalette. Klett-Themendienst

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2 Kommentare
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xxx
5 Jahre zuvor

So digital ist ein pdf nicht, weil sich die Verlage oftmals weigern, Lehrern die Schulbücher als pdf zur Verfügung zu stellen. Stattdessen gibt es umständliche flash-basierte Plattformen für vergleichsweise viel Geld und kaum Möglichkeiten.

GriasDi
4 Jahre zuvor

Was wäre die Folge von digitalen Schulbüchern mit integrierten Links zu Videos oder Audio-Dateien oder weiteren Bildchen und sonstiger Information?
Die Schüler würden nur noch auf ihrem Tablet von einem Link zum anderen springen, sich dauernd die verlinkten Videos ansehen und der Unterricht wäre noch mehr Nebensache als er bisher schon ist. Wenn dann die dazu verwendeten Tablets noch Internetzugang haben, läuft nebebei noch Youtube, Facebook, Instagram, Whatsapp und Co.
Viel Spaß beim Unterrichten 🙂