Elternsprecher machen mobil: Lehrer werden mit der Inklusion alleingelassen! Petition fordert Einsatz multiprofessioneller Teams

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HANNOVER. „Inklusion – ein Traum, der zu scheitern droht!” So haben die Elternräte von 20 Grundschulen in und um Hannover eine Petition überschrieben, mit der sie bessere Bedingungen für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern fordern. Sie stellen fest: Die Lehrer werden mit den Problemen alleingelassen. Die Elternvertreter fordern deshalb sehr konkrete Maßnahmen vom Land, um die Situation schnell zu verbessern.

Die Inklusion bereitet Lehrkräften aufgrund schlechter Personalausstattung massive Probleme. Foto: Shutterstock

„Wir, die Schulelternräte von fast zwanzig Grundschulen aus der Region Hannover, sind sehr beunruhigt über die geringen Einsatzzeiten von Sonderpädagogen an den Grundschulen in Niedersachsen. Wir empfinden die jetzige Situation der Inklusion als Mogelpackung, da unzureichende Mittel im Gießkannenprinzip auf alle Schulen verteilt werden“, so heißt es in der Erklärung. Derzeit würden in der Grundversorgung Sonderpädagogen mit nur  zwei Stunden pro Klasse und Woche eingesetzt. Das sei zu wenig in Anbetracht der wachsenden Aufgaben.

Bisher wurden in der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen, die abgeschafft wird, in einer Klasse bis zu 16 Kinder unterrichtet. Beim Land Niedersachsen beschäftigte pädagogische Mitarbeiter unterstützten die unterrichtliche Tätigkeit der Lehrkräfte der Förderschulen. Den Grundschulen seien  keine gleichwertigen Ressourcen seitens der Landesregierung zur Verfügung gestellt worden, um die Herausforderungen der Inklusion meistern zu können.

Schulen stehen vor wachsenden Herausforderungen

Und die seien gewaltig. Kinder mit sehr unterschiedlichen geistigen, körperlichen und sozio-emotionalen Voraussetzungen würden bei der Inklusion zusammen unterrichtet. Außerdem habe eine wachsende Zahl von Kindern einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich, zum Beispiel bei Lese-Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie. Da die Kinder einen sehr unterschiedlichen Unterstützungsbedarf hätten, sei ein größerer Umfang und eine höhere Bandbreite an pädagogischer Arbeit notwendig, als sie ein einzelner Klassenlehrer leisten könne. Zusätzlich kämen einige Kinder aus belasteten familiären Verhältnissen und könnten ohne umfangreiche besondere Hilfen nicht in das Schulleben integriert werden. Außerdem stelle der Zuzug von geflüchteten Familien unsere Schulen vor neue Herausforderungen. Die meisten geflüchteten Kinder sprächen kein Deutsch, einige seien noch nicht alphabetisiert, viele traumatisiert.

Dazu komme ein Anstieg der Zahlen von Kindern mit Förderbedarf. „Das Statistische Bundesamt stellte im Mai 2018 fest, dass sich an Grundschulen in Deutschland die Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf seit Schuljahr 2006/2007 nahezu verdoppelt hat“, so heißt es.

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Darum fordern die Elternvertreter den Niedersächsischen Landtag auf, die folgenden Punkte zu realisieren:

  1. „Die Grundversorgung wird an die wachsende Zahl von Schülern/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf von 2 auf mindestens 5 Wochenstunden pro Klasse angepasst!
  2. Die Grundversorgung wird über die oben geforderten 5 Stunden hinaus bedarfsgerecht so aufgestockt, dass die soziale Zusammensetzung eines Schulbezirkes berücksichtigt wird.
  3. Die Grundversorgung wird nur dem präventiven Einsatz vor dem Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf dienen!
  4. Sonderpädagogen, die die Grundversorgung an einer Schule leisten, gehören dem betreffenden Schulkollegium an!
  5. Der gemeinsame Unterricht in Grundschulen erfolgt durch multiprofessionelle Teams.
  6. Vom Land wegen Personalmangels nicht zur Verfügung gestellte Lehrerstunden können von den Schulen kapitalisiert und zur Finanzierung von multiprofessionellen Teams genutzt werden. Der zu kapitalisierende Wert wird nach den realen nicht besetzten Lehrerstunden gebildet. Diese Mittel werden ausschließlich für die Inklusion zweckgebunden.“

Mit der derzeitigen Grundversorgung ist eine bedarfsorientierte inklusive Arbeit keinesfalls zu gewährleisten. Die vorgesehene Zeit reicht nur dafür aus, dass die Sonderpädagogen die Grundschullehrkräfte im Umgang mit förderbedürftigen Kindern beraten. Ansonsten werden die Grundschullehrkräfte allein gelassen. Unter dieser Situation leiden auch die Kinder ohne besonderen Förderbedarf.

„Leider sind in den letzten Jahren die Schulen im Zuge der Inklusion mit immer mehr Aufgaben und Problemen konfrontiert worden. Doch aufgrund der geringen Stundenzahl der Sonderpädagogen bleiben viele Schwierigkeiten und Aufgaben ungelöst oder an den Grundschullehrkräften hängen“, so heißt es zur Begründung. Nur multiprofessionelle Teams bestehend aus GS- und FöS-Lehrkräften, Sozialarbeitern, Therapeuten, Erziehern, Sozialpädagogen und / oder Unterrichtsbegleitungen seien dieser Herausforderung gewachsen. News4teachers

Hier geht es zur Petition.

Akzeptanz der Inklusion sinkt in Schulen: Lehrer fühlen sich im Unterricht mit behinderten Kindern alleingelassen

 

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12 Kommentare
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omg
4 Jahre zuvor

Tja, schön wäre es. Wird aber sicherlich nichts, auch wenn es ein Hoffnungsstreif wäre

xxx
4 Jahre zuvor

Die Petition geht nicht weit genug, weil sie an der Sache nichts ändern möchte. Die im Vergleich zu heute paradiesischen Zustände mit den Förderschulen jeder Art sollen auch laut der Petition nicht reaktiviert werden.

Das viel dramatischere Problem an den weiterführenden Schulen wird überhaupt nicht behandelt. Der Grund dafür könnte sein, dass die meisten der Inklusionskinder noch nicht an der weiterführenden Schule angekommen sind.

Anna
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Hier wird mal wieder Legendenbildung betrieben – an Förderschulen war früher nichts paradiesisch, für viele Schülerinnen und Schüler jedenfalls nicht.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Bezogen auf die Klassenstärke und den Personalschlüssel schon. Die Abschlussquoten der Förderschulen kann man noch nicht wirklich mit denen der Inklusionsschüler an Regelschulen vergleichen. Ich befürchte, dass es zumindest nicht besser wird.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

@Anna
Ach, und jetzt entführt man unsere Kinder mit der Inklusion ins Paradies ?
Welch naive Illusion in einer heterogen durchmischten Klassenzusammensetzung als Förderschüler seine eigenen Defizite vorgeführt zu bekommen.
Vielen Dank auch für die Absenkung des Leistungsniveaus bei den Leistungsstarken und die Frustration bei den kognitiv Beeinträchtigten.
Hätte man da nicht mit den Förderschülern gleich anders arbeiten können, denn schließlich gelingt es erst durch eine intensive und strukturierte Förderung der Lernbeeinträchtigten diese in eine Selbständigkeit zu überführen.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Oder steckt gar irgendeine Magie hinter der propagierten Inklusion, die wir alle noch nicht kennen, lieben und zu schätzen gelernt haben ?
Klären Sie uns auf, wir warten auf Antworten einer fehlgeleiteten Schulpolitik !

OMG
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„paradiesischen Zustände“?? Das sit schon der Hammer. Sorry. Dann doch mal sich für ein Schuljahr ins Paradies abordnen lassen. Das würde dann doch der Meinung auch noch Ahnung hinzufügen.
„Klassenstärke und den Personalschlüssel“ – auf dem Papier ist die Inklusion auch super ausgestattet.
Mein Tipp: Einfach mal nen Apfel essen!

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  OMG

Klassenstärke bis 10, dafür ausgelegtes Gebäude, für den Schwerpunkt ausgebildete Sonderpädagogen und Inklusionshelfer in einem Raum halte ich für Klassenstärke mindestens 25 ohne Inklusionshelfer oder Sonderpädagogen für in der Tat paradiesisch.

omg
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

XXX, hier ist keine Märchenstunden, wir sollten dann doch über die Realität sprechen. Zudem ist der 10er-Teiler nicht wirklich etabliert.
Also: Bitte nur über die Gegenwart philosophieren, den Gebrüder-Grimm-Preis sollte man druch andere Veröffentlichungen auf anderen Forenseiten zu gewinnen versuchen.

Palim
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Stand doch oben im Text: Klassenstärke bis 16.
Pädagogische MitarbeiterInnen gab es auch bei FöS nur an bestimmten Standorten.
Die FöS hatten aber auch keine Lehrkräfte und konnten ihre Stellen nicht besetzen, also größere Klassen mit abgeordneten GHR-Lehrkräften.

Genau darum muss man über Bedingungen reden und nicht einfach Annahmen in den Raum stellen. Das gilt für bisherige und zukünftige Ausstattung.

Die genannte Grundversorgung von 2 Std. pro Woche, die im Erlass genannt ist, kommt in der Fläche auch nicht an, gleiches gilt für Zusatzbedarfe.

Karo Mross
4 Jahre zuvor

Die derzeitigen Zustände, die in Grundschulklassen in Deutschland durch eine von oben verordnete Inklusion herrschen, sind gegen jede pädagogische Vernunft. Die Rechnung für diese dilettantische Bildungspolitik („wir tun die mal zusammen und sehen, was dann passiert“) zahlen viele. Zum einen völlig genervte und überstresste Grundschullehrer, die von den hinten sitzenden Sonderschullehrerinnen mit theoretischen Spinnereien allein gelassen werden und zum anderen schlimmer stigmatisierte Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die jetzt schlimmer als früher dran sind („neben dem Spasti will ich nicht sitzen“). Und dann gibt es noch die ökologisch-grün-Veganen-Löwenzahn-kauenden Alternaiven, die die Schülerinnen und Schüler auf dem Altar einer utopistischen Idee von einem sozialen Bildungskommunismus ohne Gewissensbisse opfern. So gibt jeder sein Schärflein zu dieser Misere……

ABC
4 Jahre zuvor

@Karo Mross
Danke für Ihre deutliche Realitätsbeschreibung und Kritik an den Utopisten, denen ich voll zustimme. Viele Leute können sich offensichtlich gar nicht vorstellen, was sie mit ihren theoretisch ach so wohlklingenden Überlegungen und Forderungen anrichten.
Leider bestimmen sie in erster Linie die Bildungspolitik, während die Praktiker an der Basis nur sehr eingeschränkte Einflussmöglichkeiten haben.