Merkel zu Antisemitismus: Deutschlands Geschichte muss jungen Menschen vermittelt werden

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BERLIN. Antisemitismus in Deutschland hat nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangenen Jahren zugenommen. Merkel sagte nach einem am Dienstag in Ausschnitten vorab veröffentlichten Interview mit dem Sender CNN-International: «Es gibt leider bis heute keine einzige Synagoge, keinen einzigen Kindergarten, der jüdisch geprägt ist, vor dem nicht deutsche Polizisten stehen und aufpassen müssen, dass nichts passiert. Das ist über die Jahrzehnte nie verschwunden. Aber das hat zugenommen», sagte Merkel auf die Frage nach einem Anstieg an Populismus und Antisemitismus. In Deutschland seien solche Entwicklungen «immer noch in einem bestimmten Kontext, auch unserer Vergangenheit zu sehen».

Warnt vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus: Kanzlerin Angela Merkel. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Das bedeute, «dass wir uns dagegen stellen müssen». Der jungen Generation müsse immer wieder gesagt werden, «was die Geschichte an Schrecklichem hervorgebracht hat, was von deutschem Boden ausgegangen ist». Es müsse auch klar gemacht werden, «warum wir für Demokratie sind … warum wir keine Toleranz zeigen gegenüber Verletzungen der Menschenrechte, warum unser Artikel 1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ so wichtig und fundamental ist», argumentierte die Kanzlerin und fügte hinzu: «Ich glaube, es muss von Generation zu Generation wieder geleistet werden und diese Arbeit ist mehr geworden. Da haben Sie vollkommen Recht, aber sie muss gemacht werden.»

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Antisemitischer Angriff in einer Berliner Schule

Ein Fall belegt die Aktualität des Themas. An einer Schule in Berlin-Charlottenburg ist ein jüdischer Schüler bedroht und angegriffen worden. Der 17-Jährige wurde am Montag von einem 15-jährigen Jugendlichen ins Gesicht geschlagen, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Ein 16-jähriger Mitschüler kam zu Hilfe und wurde ebenfalls geschlagen. Daraufhin gingen andere Jugendliche auf den 16-Jährigen los, so dass eine Schlägerei ausbrach. Bei den folgenden Ermittlungen der Polizei stellte sich heraus, dass ein weiterer 15-Jähriger versucht haben soll, mehrere Jugendliche gezielt auf den 17-Jährigen zu hetzen, da dieser jüdischen Glaubens sei. Der für Straftaten mit politischer Motivation zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt. dpa

Demokratie in Gefahr! Wir müssen reden: über Lehrpläne, über die Inhalte, die in Schule vermittelt werden sollten – ein Kommentar

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xxx
4 Jahre zuvor

Warum lese ich hier nichts über den Hintergrund der Täter? Bei politisch oder religiös motivierten Taten ist der eklatant wichtig.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Der soziale und religiöse Hintergrund erschließt sich einem schon kognitiv aus dem Wohnort Berlin-Charlottenburg, und wie Antisemitismus in derartigen Heimatländern geschürt wird und von den Vätern auf die Söhne übertragen wird, entspricht dem selben Muster, wie die sogenannte Erbfeindschaft zwischen Franzosen und Deutschen bis in die 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beiderseits gehegt und gepflegt wurde, so dass sich daraus, von den herrschenden Eliten gefördert, sehr geschickt kriegerische Handlungen erzeugen ließen, damit der geschürte Hass auf den Schlachtfeldern Europas seinen blutigen und zerstörerischen Höhepunkt finden konnte, getragen von Wut und abgrundtiefer Ablehnung der Anderen, tränkte man die Schlachtfelder mit dem Blute der gemetzelten und abgeschlachteten jungen Männer und der Zivilbevölkerung.
Solange derartiger Hass im Nahen Osten von beiden Seiten geschürt wird, und solange menschliche Vorbilder wie Uri Avnery, geboren als Helmut Ostermann, und Daniel Barenboim in dem ihnen zugehörigen Kulturkreis angefeindet werden, niemand von den Verantwortlichen den Nah-Ostkonflikt glaubhaft lösen will, solange wird es auch den Antisemitismus als Folge der politischen Agitation geben, der gleichzeitig zur Ablenkung von gesellschaftspolitischen Verwerfungen dient.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Vielleicht kognitiv, aber nicht direkt. Man müsste mittlerweile im Zweifel immer davon ausgehen, dass in Abwesenheit anderer Hinweise jede Tat in eine solche Richtung von einem Migranten oder Flüchtling aus dem Nahen Osten oder Nordafrika zuzuschreiben ist. Man kann das Islambashing nennen, aber die Presse hat es selbst in der Hand, diese Befürchtungen zu widerlegen.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In Chemnitz, aber, wurde der Antisemitismus von rechtsradikalen Rotten gezielt gegen ein jüdisches Restaurant und Migranten mit arabischem Aussehen ausgeführt, und diese hatten sogar Rettungsassistenten dabei, um ihre möglicherweise verletzten Mitstreiter versorgen zu können – welch perverse Organisationsformen das Ganze angenommen hat, erschließt sich erst bei genauer Recherche.

Bernd
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Nicht jeder, xxx und Herr Wrobel, ist eben so fix im Ermitteln wie Sie.

Nur mal für den Hintergrund:

„Einen ähnlich hohen Zuwachs stellten die Behörden bei antisemitisch motivierten Straftaten fest, sagte Seehofer bei der Vorstellung der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2018. Seehofer betonte, beinahe 90 Prozent der rund 1800 antisemitischen Straftaten seien dem „Phänomenbereich rechts“ zuzuordnen.“

Quelle: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/horst-seehofer-fremdenfeindliche-straftaten-nehmen-um-20-prozent-zu-a-1267357.html

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

PS. Bernd
Aber auch gerade unter diesen finden sich Mitmenschen, die den Antisemitismus durch väterliche und staatliche Indoktrination von Kind an aufgesogen und erlernt haben, gleich dem Hass, den unsere Vorväter erlernten einzuüben.
Und so war mein Vergleich auch nicht falsch gelegen, so er doch eine gleichgelagerte Problematik widerspiegelt.

Stefan B.
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Antisemitische Übergriffe werden relativ selten aufgeklärt und gelten dann in Polizeistatistiken automatisch als Tat von Rechtsextremisten. An dieser Zuordnungspraxis wird zunehmend Kritik geübt.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/kritik-an-polizeistatistik-motive-fuer-antisemitische-straftaten-nicht-klar-erfasst-32481196

https://www.juedische-allgemeine.de/politik/kritik-an-polizeistatistik/

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan B.

Danke. Vorauseilende Antidiskriminierung kann auch kontraproduktiv sein.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Im Übrigen weiß ich aus sehr direkten Erfahrungen und Begegnungen in sehr streitbaren Dialogen, in welchen, meist männlichen Gruppen, der Antisemitismus und Verschwörungstheorien, zum Beispiel zur World Trade Center und Pentagon-Katstrophe, gedeihen und kultiviert werden, nämlich bei Neonazis und bei salafistischen und dschihadistischen Arabern.
Und diese Quelle des Gifts dürfte Ihnen als wissbegieriger Mitmensch nicht unbekannt sein, und so verläuft Ihr Hinweis in Richtung einer ergänzenden Erklärung, denn diese von Ihnen beschriebenen Gruppen, sind in Teilen selbst indoktrinierend erzogen worden, voller Hass und dummer Ablehnung einer ihnen nahe stehenden Kultur, die sie aber scheinbar erblich belastet als Ballast ihr Leben lang beabsichtigen mit sich herumzutragen.
Welch freudloses Leben gebiert eine derartige Erziehung, und so bringen deren Herzen eben viel Schlechtes hervor, so wie Trauben nicht von Dornenbüschen geerntet werden und Datteln nicht von Disteln gepflückt werden.
Denn im schlechten Geist erzogene Menschen bringen eben auch viel schlechtes hervor.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor

@ Bernd
Die Saat des Antisemitismus findet reichhaltigen Nährboden auch auf dem Boden dummen und stolzem Nationalismus, denn dieses Kraut der Vernichtung weiß gut zu gedeihen, gerade in wissensfremden und in sozialem Handeln wenig geschulten Kreaturen, die sich mit einfachsten Parolen zu den niederträchtigsten Handlungen verführen lassen.
Sie werfen mir indirekt einäugige Wahrnehmung vor, obwohl Sie es besser wissen sollten.

„Erkenne, was du vor Augen hast, und was dir verborgen ist, wird dir enthüllt.
Denn es gibt nichts Verborgenes, das sich nicht manifestieren wird.“

Ursula Prasuhn
4 Jahre zuvor

@Stefan B.
Vielen Dank auch meinerseits für die beiden Links. Ich frage mich, ob und inwieweit der Kampf gegen den unseligen Antisemitismus durchschlagenden Erfolg haben kann, wenn nicht alle Ursachen und Hintergründe ehrlich auf den Tisch gelegt und angegangen werden.
Wenn Angela Merkel sagt, dass in Deutschland antisemitische Entwicklungen «immer noch in einem bestimmten Kontext, auch unserer Vergangenheit zu sehen» sind, hat sie zweifellos Recht. Doch was nützt es, wenn sie mit „auch“ nur eine Halbwahrheit nennt und die andere verschweigt?

Die Bedrohung jüdischer Mitbürger durch wachsenden Antisemitismus ist eine viel zu ernste Angelegenheit, als dass sie mit Kleinmut bekämpft werden kann. Wer wirklich will, dass antisemitische Entwicklungen gestoppt werden und sich Geschichte nicht wiederholt, benennt zudem mutig Kontexte, die in der Gegenwart liegen – auch wenn sie nur schwer über die Zunge kommen und Konflikte mit Muslimen im In- und Ausland bedeuten.
Ansonsten drängt sich der Verdacht auf, der Schutz jüdischer Mitbürger sei eine halbherzige Sache und nur dann wichtig, wenn der politische Preis stimmt.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Es ist schon eine Schande, dass man als ein mit einer Kippa tragender Mitbürger, von moslemischen Arabern so oft offen aggressiv angegangen wird, denn schließlich genießen diese Menschen hier politisches Asyl im Gastrecht, das sie missbrauchen, um ihren erlernten Hass gegen Mitbürger zu richten.
Es handelt sich wohl auch in der Mehrzahl der Fälle um religiös begründeten Hass gegen Juden.

Pälzer
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

der Hass ist eher kulturell, nicht religiös begründet. Siehe Meldungen über palästinensische Schulbücher. Hat jemand Schulbücher anderer Staaten betrachtet?

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Genau diese Indoktrinierung in den Heimatländern bewirkt eine Übertragung der Denkweisen von den Vätern auf die hier aufwachsenden Jugendlichen, die dann eben selbst Hand anlegen und zu Straftätern werden.

Gerald
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Es ist mindestens ebenso eine Schande, Herr Wrobel, dass diese Aggressionen sowohl von der Politik als auch von den Medien weitgehend unbeachtet bleiben oder kleingeredet werden. Ehrlicher und mutiger Kampf gegen Antisemitismus sieht anders aus. Er dient dem Schutz der Juden in Deutschland und nicht einer politisch korrekten Schuldzuweisung, die anderen zugute kommt.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerald

Ich lasse hier die Türen knallen, wenn der nordafrikanische Salafist wieder dem kleingeistig ebenbürtigen Osteuropäer seine Verschwörungstheorien gegen Juden in die Ohren schraubt, um seinen ganzen Hass über das von ihm verfluchte Israel und die Juden zu ergießen, und dann blitzen wieder dessen hasserfüllten Augen auf und es kommt nur noch Schlechtes aus seinem Mund, einfach widerlich.

Maren
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Henryk M. Broder, Sohn einer jüdischen Familie aus Polen:
„Der Antisemitismusbeauftragte sagt auch etwas, das in solchen Fällen immer gesagt wird. Etwa 90 Prozent der Straftaten seien „dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen“. Das freilich ist eine Mär, die dadurch entstanden ist, dass die Polizei alle unaufgeklärten Fälle automatisch dem rechtsradikalen Umfeld zurechnet. Sie wurde zwar inzwischen falsifiziert, was die Polizei und den Antisemitismusbeauftragten nicht davon abhält, sie weiter zu verbreiten.“

Christian
4 Jahre zuvor
Antwortet  Maren

Broder ist ziemlich nach rechts gewandert und daher ein heikler Zeuge. Aber in diesem Punkt hat er nicht unrecht.

xxx
4 Jahre zuvor

Heute protestierten rund 1200 Menschen in Berlin gegen Israel:

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/06/al-kuds-demo-berlin-gegendemonstration-antisemitismus.html

Menschen, die dem Anschein nach dem Antisemitismus von rechts zuzuordnen sind, habe ich in dem Video auf der Seite nicht gesehen. Es scheint wohl andere Bevölkerungsgruppen zu geben, von denen deutlich mehr Antisemitismus ausgeht …

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wenn ich die Plakate richtig gelesen habe, so richtet sich der Protest der Palästinenser auch gegen die illegale Landnahme durch den israelischen Staat. Diesem kann man zustimmen, der Vernichtung Israels nicht.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Das mag sein. Jedoch wird jegliche Kritik an Israel oder Juden hierzulande als Antisemitismus eingestuft.

Ignaz Wrobel
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Es entsprach der inneren Doktrin unterschiedlichster politischer Kreise in Deutschland, dass man sich einer objektiv korrekten Kritik an falschen Handlungsweisen Israels verschloss, weil man die Verantwortung für Vergangenes und das Bewusstsein für das Unsägliche, sie davon abhielt, einer berechtigten und sachlichen Kritik gegenüber einer aggressiven Siedlungspolitik nachzugehen.

realo
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Man kann es auch umgekehrt antreffen:
Antisemitismus wird geschickt hinter „Kritik an Israel oder Juden“ versteckt.