Nach Protesten gegen Mathe-Abi: Philologen fordern Bildungsdebatte – Kraus: „Junge Menschen haben nichts mehr drauf!“

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BERLIN. Angesichts der Schülerproteste gegen ein angeblich zu schweres Mathe-Abitur in etlichen Bundesländern hat die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Prof. Susanne Lin-Klitzing, eine Standortbestimmung für die Hochschulreife gefordert. „Die gesellschaftliche Funktion des Abiturs ist neu zu bestimmen“, sagte sie. Der Ehrenvorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, bezeichnete unterdessen in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk die Proteste und Petitionen als „Affenzirkus der Generation Schneeflocke“.

Mann der deutlichen Worte: Josef Kraus, 30 Jahre lang Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Lehrerverband
Mann der deutlichen Worte: Josef Kraus war 30 Jahre lang Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Lehrerverband

Die Gesellschaft erwarte zu Recht ein anspruchsvolles Abitur, meint Lin-Klitzing. Aber: Was es leiste und zukünftig leisten solle, sei eine gesellschaftliche Festlegung. „Die einzelnen Akteure müssen neu zusammengebracht werden“, fordert die Philologen-Chefin. „Die verschiedenen Interessen der Politik, der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Lehrkräfte am Gymnasium und nicht zuletzt der jungen Generation, die jetzt gerade aufbegehrt, müssen neu abgestimmt werden! Da geht es um mehr als um Kritik an einzelnen Aufgaben des Matheabiturs!“

Studierfähigkeit sei eine der Voraussetzungen, die moderne Gesellschaften sichern müssten, um ihren eigenen wissenschaftlichen Fortbestand zu gewährleisten. Die Gesellschaft artikuliere hier ihre Erwartungen an ihren Nachwuchs. Doch zu viele Fragen seien offen: In welchem Umfang sollen Abiturienten allgemeines und gesellschaftlich anschlussfähiges Wissen haben? Auf welchem Niveau sollen sie Positionen einnehmen, sie argumentativ vertreten und auch wieder infrage stellen können? Oder sollen sie primär funktionsgerecht in ein bestehendes Wettbewerbssystem integrierbar sein?

Diese Fragen, die im Zusammenhang mit der Konzeption und Qualitätssicherung des Abiturs gestellt werden müssten, seien in der Vergangenheit nicht breit genug diskutiert worden – was die aktuelle Debatte um den Schwierigkeitsgrad von Mathe-Aufgaben im Zentralabitur zeige. Die isolierten Erwartungen der einzelnen Akteure müssten offen artikuliert und überwunden werden, um endlich ein gesellschaftlich breit anerkanntes Leitbild zu erhalten. Die Erwartung des Philologenverbands gab die Vorsitzende schon mal mit: „Absolventen des Gymnasiums sollten auf jeden Fall in der Lage sein, an einer Hochschule mit Erfolg zu studieren.“

„Schüler nicht in Watte packen“

Allein in Bayern haben mittlerweile rund 55.000 Menschen eine Online-Petition unterschrieben, in der gefordert wird, den Notenschlüssel des Mathematik-Abiturs zu senken „und dem Schwierigkeitsgrad anzupassen“. „Lächerlich!“, meint dazu Josef Kraus laut BR-Bericht. „Wir haben in Bayern 37.000 Abiturienten, aber 55.000 haben unterschrieben – das ist eine typische Reaktion der Generation Schneeflocke.“

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Die Schüler seien es nicht mehr gewohnt, sich durchzubeißen, meint der pensionierte Leiter eines Gymnasiums in Bayern. Der Nachwuchs sei in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend geschont worden. „Mathematik aber ist ein wichtiges Fach, das muss man üben.“ Die Tatsache, dass jede Hochschule mittlerweile Mathematik-Nachholkurse anbiete, zeige, dass „die jungen Leute nichts mehr draufhaben!“, so Kraus. Die Welle der Schülerproteste gegen das Mathe-Abitur, die mittlerweile durch alle Bundesländer läuft, die sich am zentralen Aufgabenpool bedient haben, stellt für Kraus eine „aufgesetzte Hysterie“ dar.

Kraus fordert das bayerische Kultusministerium und alle Schulen dazu auf, konsequent zu bleiben und den Schülern damit zu zeigen: „Ihr müsst das können, sonst seid ihr nicht studierfähig. Die Schüler müssen sich daran gewöhnen, dass das nicht geht. Wir können die Schüler nicht bis ins 20. Lebensjahr in Watte packen.“ Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hat – wie auch andere Landesbildungsminister – angekündigt, die Aufgaben prüfen lassen zu wollen.

Verständnis für die Proteste

Der Brandenburgische Pädagogenverband (BPV) äußerte mittlerweile Verständnis für die Schülerproteste. „Das Abitur war zu umfangreich, zu unterrichtsfremd und an manchen Stellen bei Fragestellungen ungeschickt formuliert», sagte Präsident Hartmut Stäker. Er ist selbst Mathematik-Lehrer und Zweitkorrektor bei den Prüfungen (hier geht es zum dazugehörigen Bericht). News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

War das Mathe-Abi zu schwer? Protestwelle von Schülern läuft durch zahlreiche Bundesländer – Lehrerverbände sind uneins

 

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Gerd Möller
4 Jahre zuvor

Josef Kraus ist bekannt für seine kantigen Pauschalurteile. Hier überzieht er mal wieder mit seinen Urteilen, ohne dass er Begründungen für seine Mutmaßungen liefert, wie so oft.
Die Behauptung von Kraus „Die Tatsache, dass jede Hochschule mittlerweile Mathematik-Nachholkurse anbiete, zeige, dass „die jungen Leute nichts mehr draufhaben!““.
Ich habe bereits 1970 an der Uni Bochum Vorbereitungskurse („Vorsemester“) als Vorbereitung auf das Mathematik-Studium abgehalten. Aus dieser Tatsache haben aber weder die Uni noch die Studierenden geschlossen, wie es Kraus tut, dass die zukünftigen Mathe-Studenten „nichts drauf haben“.
Damit kein falscher Eindruck entsteht, ich kenne die Abi-Aufgaben nicht, und kann und will auch nicht beurteilen, ob sie zu schwer waren.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Vergleichen Sie aber mal bitte den schulischen Lehrplan von 1970 mit dem heutigen. So weit kann ich nicht zurückblicken, aber der Grundkurs Mathematik von meiner eigenen Schulzeit (Abi Ende der 1990er Jahre) war fachlich anspruchsvoller und tiefgehender als der Leistungskurs von heute. Streng nach Lehrplan (NRW) kann man den Leistungskurs ohne mathematische Beweise durchnehmen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das in den 1970er Jahren, als sogar Mengenlehre in der Grundschule vorgesehen war, möglich war. Die Kompetenzorientierung führte in NRW die grafikfähigen Taschenrechner ein, die jeglicher Wissenschaftspropädeutik den Todesstoß gab.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Da widerspreche ich Ihnen. Auch meine Mathe-Abiturarbeit 1964 war nicht schwerer, sondern anders (Hieb und Stichgeometrie: Kegelschnitte) Habe sie mir beim Klassentreffen in NRW in diesem Jahr nochmals angeschaut.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Vergleichen Sie dann mal Ihren damaligen Lehrplan mit dem heutigen im Hinblick auf das Abstraktionsniveau, Algebrakenntnisse, Beweisverfahren usw. Kegelschnitte sind zum Beispiel nicht mehr relevant.

Die heutzutage abgefragten Inhalte sind vielleicht breiter gestreut, aber überproportional weniger tiefgehend.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Auch dies ist mir hier als Aussage wieder zu vage. Hier müssten Sie schon konkreter werden. Das meiste wovon Mathematik handelt, kommt in der Schule nicht vor. Wie auch.
Was vermissen Sie denn z.B. bei den Algebrakenntnissen, welche Beweisverfahren meinen Sie denn? Kegelschnitte wurde durch Lineare Algebra ersetzt. Sie können doch nicht alles machen, gerade wenn Sie Tiefe vermissen.
Aber Stochastik wurde endlich eingeführt. Ich weiß, dass dies bei vielen Mathematiklehrern nicht beliebt ist, weil sie selber sich das neu erarbeiten müssten und weil es gerade da keinen deduktiven Weg gibt, das passende Statistikmodell zu finden.
Ich befürchte, dass dies für Nichtmathematiker im Blog allmählich zu Mathematik lastig wird.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Statistikmodelle gibt es in NRW nicht, weil im Grundkurs alles binomialverteilt ist bzw. als so angenommen wird und im Leistungskurs nur noch die Normalverteilung dazukommt. Mit dem grafikfähigen Taschenrechner sind diese Aufgaben mehr eine Knöpfchendrück- als Mathematikleistung.

Unter Algebrakenntnisse verstehe ich nur das Rechnen mit Termen, Polynomdivision, nicht das, was an den Universitäten in der (nicht-linearen) Algebra gelesen wird.

PeterPan314
4 Jahre zuvor

Mit Einschränkungen gebe ich Josef Kraus Recht mit seiner Einschätzung einer Generation Sternflocke und sehe die Diskussion, die Susanne Lin-Klitzing anregt, als bedenklich.
Für mich hat die Tendenz der Studenten und Schüler, mangelnde Leistungen nicht den eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben, sondern den falschen Prüfungsaufgaben, eine trauige Regelmäßigkeit erreicht.
Waren während meines Mathematikstudiums Durchfallsquoten von 90% oder sogar 95% keine Seltenheit, (aber man hat sich durchgebissen,) so beschwert man sich heute lieber, bis die Bestehensquote angemessen ist.
Das gleiche geschieht mittlerweile auch beim Abitur, in dessen Vorlauf in meinem Kollegium schon mal die Wettrunde darauf setzt, wie viele Bundesländer dieses Jahr einen Shitstorm aufgrund „zu großer Schwierigkeit“ erdulden dürfen. Ich lag mit meinen „zehn“ nicht schlecht.
Online-Petitionen, die mehr Stimmen als das Bundesland Schüler haben, sind aufgrund von Anonymität schon per se nicht legitim, aber die Bedeutung des Abitur scheint zu wanken.
Ohne Abitur mit angemessenem Schnitt, wird man wohl nichts mehr, wenn man mit Schülern spricht. Da geht es vermeintlich um die Existenz und nicht um die Studierfähigkeit. (Dass es auch viele gibt, die Mathe nehmen müssen, aber nicht motiviert sind und/oder es unterschätzen, lass ich außen vor.)
Eine ehemalige Schülerin aus dem Mathe-Leistungskurs zeigte mir diese zwei Ansprüche in einer zweiteiligen Diskussion. Während der Schulzeit beschwerte sie sich über jede Klausur, da die Ansprüche zu hoch waren, und warf mir vor, mit ihrer „2“ ihre Zukunft zu gefährden. Als Studenten kam sie mich besuchen und bedankte sich, weil sie im Studium zu den besten zählte und den perfekten Anschluss an die Mathevorlesungen hatte – anders als andere Studenten, denen trotz „1“ die Grundlagen fehlten.
Wenn jetzt also Susanne Lin-Klitzing die Bedeutung des Abiturs und der Fachwissenschaft neu hinterfragen möchte, sehe ich darin die Gefahr der Niveauanpassung, um den Schnitt zu erhöhen. Da geht es wohlmöglich nicht mehr darum, wie das Abitur auf das Studium vorbereitet, sondern darum, was man von Seiten der Schule und der Universität noch von den Schülern erwarten kann, ohne diese zu „zerdrücken“. Man wird sich wohl stärker an der jungen Generation ausrichten.
Bislang sind mir dazu aber leider keine Aufgaben vorgelegt worden, die die Schüler vor größere Probleme hätten stellen müssen, aber wer bin ich schon. Wenn Hartmut Stäker, Mathelehrer UND Zweitkorrektor (Warum das zweite so wichtig ist?) schon widergegeben wird mit
„Er sei die Prüfung selbst durchgegangen und habe dafür 15 Stunden gebraucht, die Schüler hätten dafür aber nur fünf Stunden zur Verfügung gehabt, sagte Stäker.“,
dann sagt schon „““viel“““. Ich meinerseits werde Teile der Aufgaben meinen verschiedenen Mittelstufenschülern geben und sie staunen lassen, dass die schon „Abi“ können.
Verzeihung, aber wer glaubt, dass Herr Stäker 15 Stunden ahnungslos mit den Aufgaben am Schreibtisch stand? Oder übertreibt er nur unangemessen, um Gehör zu finden?
Worin ich aber vielen Kommentatoren zustimmen kann, ist die im Rahmen der Kompetenzeinführung begonnene und mittlerweile unrealistisch dumme Kontextualisierung von Aufgaben. Wenn ich sehe, dass man in Bayern ein Skate-Hindernis mit Logarithmusfunktionen beschreibt oder parallele Bodenschichten mit Hilfe von Ebenengleichungen auf deren Abstand hin untersucht, dann halte ich das an Lächerlichkeit für kaum zu überbieten. Abstrus wird es dann, wenn diese Modelle über eine Seite eingeführt werden, damit man sie in zwei Aufgabenteilen betrachtet, um Standardverfahren durchzuführen.
[Zusätzlich muss ich in NRW feststellen, dass es sich einige Schulen in der Vergangenheit sehr einfach gemacht haben. Als man noch die große Aufgabenauswahl hatte, wurden einzelne Themen in der Oberstufe nicht mehr angemessen behandelt. Ein Beispiel war eine Matrizenaufgabe zum Baumbestand.
Im Vergleich zu den Vorjahren, in denen die Matrizenaufgabe (sehr einfaches Thema) immer den Vorzug zur Vektoraufgabe (mittelschweres Thema) erhalten hat, wurden plötzlich eine Matrizenaufgabe mit Unbekannten (anspruchsvoller) und eine sehr einfache Vektorenaufgabe zur Auswahl gestellt. Dennoch entschieden sich viele Schulen einstimmig für die Matrizenaufgabe und die Schüler stöhnten, aufgrund des Themas und des Niveaus. Warum war das so? Wollte man die Schüler fordern? Ich gehe vom gezielten Vorbereiten auf spezielle Themen aus.
Dass einige Schulen die Schüler nur noch auf die Klausuren vorbereiten („teaching to the test“) und ihren eigenen Erfolg nur durch Noten und nicht durch Fähigkeiten bestätigt bekommen, beschreibt für mich ein verzerrtest Bild von Schule. Eine solche Schule überreicht am Ende ein schönes, aber wertloses Stück Papier, doch das wird momentan für jeden gefordert.]

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Teaching to the test ist eine logische und unvermeidliche Folge von zentral gestellten Aufgaben, die sich von der Art her immer wiederholen.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

@xxx Da gebe ich Ihnen recht

Biene
4 Jahre zuvor

Ich habe einen Blick auf die Stochastikaufgabe aus dem diesjährigen Abi geworfen. Und muss sagen, wer einen Textmarker mit auf dem Tisch liegen und im Unterricht aufgepasst hat, der hat diese Aufgabe bestanden. Viel Text naja, da hätten die Ersteller noch mehr machen können! So eine Aufgabe ist durchaus lebensnah, da es um „Kalkulation“ von Reservierungen geht und somit auch ums Geld.
Anwendngsaufgaben sind dazu da die SuS zu fordern, wer im Unterricht ständig quasselt oder im Internet unterwegs ist, darf sich über eine „Überraschung“ nicht wundern. Gleiches gilt für alle, die der Meinung sind, dass Hausaufgaben nur was für Streber sind und nur nerven!

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

@ xxx 21:09:“Mit dem grafikfähigen Taschenrechner sind diese Aufgaben mehr eine Knöpfchendrück- als Mathematikleistung.“
Was stört Sie denn daran, dass elektronische Hilfsmittel zur Verfügung stehen und nicht mehr seitenlange Tafeln durchsucht werden müssen oder sollen die genannten Verteilungen zu Fuß errechnet werden?
Die angezeigten Taschenrechnerwerte müssen doch noch z.B. im Hypothesentest verarbeitet werden und dies ist keineswegs trivial.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Sogar das ist mit dem an meiner Schule eingeführten Taschenrechner durchaus trivial. Man muss nur das Kochrezept für den Hypothesentest auswendig können. Nicht-trivial ist höchstens die Entscheidung, ob linksseitig, rechtsseitig oder beidseitig. Für die inverse Binomialverteilung gibt es einen entsprechenden Befehl.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Mit dem Begriff „Kochrezept“ wäre ich vorsichtiger: Ist z.B. Polynomdivison kein Kochrezept. Im weitesten Sinne werden in der Schule doch fast alle Aufgaben nach einem Prozessalgorithmus (=Kochrezept=Standardverfahren) abgearbeitet. Das gilt so gar in weiten Teilen für die Übungsaufgaben im Mathestudium (hier sind die Verfahren allerdings in der Regel komplexer).

Pälzer
4 Jahre zuvor

An einer Schülerin habe ich heuer den großen Druck erlebt, unbedingt beste Noten im Abitur zu erhalten. Es geht nicht allein darum, „was drauf“ zu haben – darin würde ich Kraus zustimmen – sondern darum dass die Schüler es so erleben und vorgegaukelt kriegen, dass für bestimmte Studienfächer nur die allerbesten Notenschnitte genügen, da gibt es absurde Numerus Clausus-Werte! Das dürfte nicht sein! Wer kann schon – und noch über Bundesländergrenzen weg – den Unterschied zwischen Schnitt 1,1 und 1,2 verschieden „guten“ Studien-erfolgsprognosen zuordnen!?

Stefan Feuchtinger
4 Jahre zuvor

Armer alter Mann! Wie unzufrieden muss jemand denn mit seinem Leben sein wenn man er Selbstwertgefühl nur noch damit aufbauen kann, über die Jungen zu jammern. Mit Statements dass die Jugend heute nix mehr taugt (mal lese zwischen den Zeilen „als ich jung war war ich aber viel toller!“) dokumentiert dieser bedauernswerte alte Mann doch nur seinen Lebensfrust.
Das ist aber sein Problem, nicht das der heutigen Abiturienten. Die tangiert er ja zu Recht nur dorsal.
Natürlich macht es einen Unterschied, ob die 5% der Jahrgangsbesten aufs Gymnasium übertreten oder 35%. Aber das kann man dich nicht den Schülern anlasten. Und das im Durchschnitt logischerweise sinkende Niveau kann man doch nicht mit einem harten Abi zurückholen.
Und ist das ein grundloses Gejammere ob einer harten Abiprüfung? Warten wir doch den Gesamtnotenschnitt im Matheabitur an und vergleichen ihn mit den letzten Jahren. Unter der Hypothese dass weder die Abiturienten noch die Lehrer heuer dümmer oder fauler waren, wird diese Zahl ja eine objektive Größe für die Schwierigkeit der Prüfung sein. Mal sehen wer dann nich die große Klappe schwingt…

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

Bravo, Herr Feuchtinger

xxx
4 Jahre zuvor

Es geht nicht um 35%, die wären ja in Ordnung. Politisches Ziel sind mindestens 50%.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In Frankreich war das politische Ziel des sozialistischen Bildungsministers Jospin sogar 80 % Abiturquote. Quelle:
library.fes.de/pdf-files/bueros/paris/04166.pdf

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

In Frankreich sind auch Krankenschwestern und -pfleger Bachelors, also Akademiker. Mit dem, was man sich in Deutschland unter dem Begriff Akademiker vorstellt, hat das nicht viel zu tun.

Carsten60
4 Jahre zuvor

Herr Feuchtinger und Herr Möller: Sie scheinen die Unlogik in dem längeren Beitrag vom 8.5., 23:30 nicht zu bemerken.Daher hier ein paar Gedanken.
„die 5 % Jahrgangsbesten“:
Wenn früher tatsächlich die 5 % Jahrgangsbesten auf dem Gymnasium waren, dann war das doch gerecht und nicht zu beanstanden. Die anderen 95 % mussten ja nicht hungern und frieren, die mittlere Reife war sehr angesehen und eröffnete gute Chancen für das weitere Leben (schon im deutschen Kaiserreich als das „einjährige“). Wenn die besten Kicker in der ersten Liga spielen, was soll dagegen eingewandt werden? Es wird doch immer behauptet, es war ganz anders: Das Gymnasium war eine Standesschule für die verwöhnten und missratenen Akademikerkinder, während die hochbegabten und bildungshungrigen Arbeiterkinder auf der Hauptschule versauerten. Manche Journalisten berichten noch heute, der Übergang aufs Gymnasium erfolge bekanntlich nach dem Geldbeutel der Eltern (woher sie das wohl wissen?). Was soll aber der Geldbeutel mit den Jahrgangsbesten zu tun haben?

„das im Durchschnitt logischerweise sinkende Niveau“
Das ist nur zynisch. Haben Sie schon mal aus dem Munde eines einzigen Kultusministers gehört, dass das zugegeben wurde? Ich höre immer nur, dass das Niveau dank der hervorragenden Bildungspolitik der Landesregierungen natürlich nicht sinkt, egal wie hoch die Abiturquote steigt, und das selbstverständlich auch beim verkürzten G8-Gymnasium (die Realschule um ein Jahr zu verlängern, auf diese Idee kam wohl niemand). Tatsache ist übrigens, dass die Hochschulen der mangelnden Studierfähigkeit von Abiturienten heute damit begegnen sollen, dass sie sie „dort abholen, wo sie sind“ (im Klartext: das Anspruchsniveau soll abgesenkt werden). Früher gab es diese Forderung nicht: Man erwartete, dass die Studenten sich den Hochschulen anpassten. Wer ungeeignet war, studierte eben nicht. Eventuelle finanzielle Probleme der Studenten haben damit nichts zu tun, die gab es und die gibt es noch heute.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Danke.

Das hohe Niveau des deutschen Bildungssystems wird ja immer mit den Abiturschnitten belegt. Das sinkende Niveau als signifikanten Beitrag dazu wird ignoriert oder durch die Kompetenzorientierung überlagert.

xxx
4 Jahre zuvor

Danke.

Das hohe Niveau des deutschen Bildungssystems wird ja immer mit den Abiturschnitten belegt. Das sinkende Niveau als signifikanten Beitrag dazu wird ignoriert oder durch die Kompetenzorientierung überlagert.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

entschuldigen Sie die Dopplung.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

XXX: „Das sinkende Niveau als signifikanten Beitrag dazu wird ignoriert oder durch die Kompetenzorientierung überlagert.“
Obwohl ich mich nicht aufregen wollte, aber Ihre ständig unbegründeten Behauptungen, dass das Niveau der Anforderrungen ständig sinke, gehen mir allmählich auf den Geist. Belegen Sie doch mal endlich, Ihre penetranten Behauptungen, aber bitte nicht mit inhaltlichen Einzelbeispielen. Mir sind keine empirischen Untersuchungen bekannt, die Ihre pauschalen Behauptungen untermauern.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Durch meine inhaltlichen Einzelbeispiele habe ich meinen Eindruck belegt, Carsten60 oben ebenfalls.

Da Sie nach eigener Aussage bereits in den 1970er Jahren Unikurse geleitet haben, haben Sie einen sehr viel breiteren Erfahrungsschatz als ich. Bitte belegen Sie doch mal, weshalb die Anforderungen gleich geblieben oder sogar gestiegen sind. Sie dürfen sogar oberflächlich anhand von Schulbüchern und deren Inhaltsverzeichnisse argumentieren. Ich bestreite aber schon jetzt, dass Matrizenmultiplikation von Hand vergleichbar anspruchsvoll ist wie oder anspruchsvoller ist als Integration durch Substitution von Hand.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Weder Carsten60 noch Sie haben etwas belegt, sondern nur Ihre Eindrücke widergegeben. Ich hatte Sie um Belege für Ihre Mutmaßungen anhand von belastbaren Untersuchungen gebeten.
Stattdessen verlangen Sie von mir, was Sie verweigern.
Tolle Argumentation!

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Belastbare Argumente sind für mich die Lehrpläne mit den verbindlichen Inhalten für die Abiturprüfungen, repräsentiert durch die Originale oder die Inhaltsverzeichnisse der Schulbücher aus der Zeit. Jetzt sind Sie wieder dran.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

xxx hat das mit dem sinkenden Niveau nicht gerade geschickt formuliert. Tatsache ist aber, dass die heutige Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (Überschrift: Wenn fast jeder Abitur macht, wird anderso selektiert) von „sinkenden Anforderungen“ spricht:
https://www.sueddeutsche.de/bildung/abitur-gymnasium-mathe-1.4440709
Wörtlich schreibt die Süddeutsche: „… aber es wird auch leichter gemacht, gute Noten zu bekommen, weil die Anforderungen sinken. Dies sieht man schon daran, wie von der fünften Klasse an korrigiert wird: Direktoren und Ministerien drängen darauf, dass die ‚Eins‘ leichter und die ‚Sechs‘ schwerer zu vergeben ist, auch wenn dies den Leistungen nicht entspricht.“
Ob sich Herr Möller jetzt auch über die Süddeutsche aufregt?

Gerd Möller
4 Jahre zuvor

@xxx: Die Diskussion auf dieser Spekulationsebene bringt nichts. Auch ich kenne keine Untersuchung, ob sich die Abiturprüfungen bezüglich der Anforderungsschwere im Laufe der Zeit geändert haben. Hier muss man auch beachten, dass die „Schere einer Aufgabe von vielen Dingen abhängt (Vorbereitung im Unterricht, Komplexität, u.a.). In der Testtheorie wird der Schwierigkeitsgrad anhand der Lösungshäufigkeit in einer Population gemessen. Es handelt sich also um ein relatives Maß.

Wir brauchen stattdessen empirische Daten über die tatsächlichen Kompetenzen der Abiturienten. Wir haben zwar viele nationale und internationale Lernstandserhebungen wie Pisa, TIMSS oder die Ländervergleiche zur Überprüfung der Bildungsstandards bis zur Mittelstufe – aber wir wissen kaum etwas über den Wissensstand kurz vor dem Abitur. Wir brauchen diese standardisierten Messungen sowohl zwischen den Bundesländern als auch im Zeitverlauf. Dann könnten wir vergleichen, über welche Kompetenzen Abiturienten heute und vor zehn Jahren verfügten.
Anekdotische Befunde bringen uns nicht weiter.
Was ich Ihnen entgegen gehalten habe, war lediglich Ihre Verallgemeinerung aus Ihren „Eindrücken“. Das ist unwissenschaftlich, tut mir leid.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Noch ein Zusatz:
Man kann natürlich bedauern, dass die Integration durch Substitution nicht mehr vorgesehen ist, – wie Sie schreiben – muss man aber nicht. Sie wissen wie ich, dass die Integration nur in ganz einfachen Fällen durch „Standardsubstitutionen“ möglich ist. Für kompliziertere Integrationsaufgaben braucht man viel Erfahrung, um raffinierte Substitutionen zu finden. Die meisten Integrationsaufgaben lassen sich nur durch numerische Verfahren näherungsweise berechnen. Im Zeitalter schneller Rechner allerdings kein Problem.
Bei der Festlegung von Inhalten, muss man prinzipiell Entscheidungen treffen, welche man für wichtig hält und welche nicht. Hier kann und darf man auch streiten. Absolute Entscheidungskriterien gibt es allerdings nicht. Auch im Mathe-Unterricht ist die Zeitressource nur endlich.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Ihre Weigerung, anhand Ihrer eigenen Eindrücke Ihre eigene Einschätzung zu belegen, schwächt aus meiner Sicht Ihre Position und stärkt meine. Mich interessiert übrigens nicht die „Schwere“ einer Aufgabe für die jeweiligen Schüler, sondern die „Schwere“ einer Aufgabe aus Sicht eines studierte Mathematiklehrers unabhängig von der Vorbereitung im Unterricht. Auf dieser Ebene sollten Sie Stellung nehmen können. Damit böten Sie eine kraftvolle Gegenposition zur sehr oft aus den verschiedensten Bundesländern vertretenen Auffassung, dass die Anforderungen an die Abiturprüfung seit Jahrzehnten immer weiter zurückgefahren wurden.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wenn ich mich auch wiederhole: Eine abstrakte Einschätzung der „Schwere“ einer Aufgabe auch aus Sicht eines studierten Mathematikers ist und bleibt relativ ohne Beachtung der Unterrichtsvoraussetzung und der Vorkenntnisse der Bearbeiter der Aufgabe.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Sie scheinen inhaltliche Anforderungen und Schwierigkeitsgrad für Schüler nicht trennen zu wollen. Das finde ich sehr schade, zumal Sie einen über etliche Jahrzehnte an Erfahrung verfügen.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Natürlich kann man die inhaltlichen und mathematischen Prozessanforderungen von Aufgaben in der Schule analysieren und benennen. Es fehlen aber valide Kriterien, wie man auf dieser Basis zwischen Aufgaben die Anforderungen graduell gewichten soll. Insbesondere, wenn sie unterschiedlichen math. Bereichen entstammen (Matrizen vs. Integration durch Substitution)
Vielleicht hilft dieser Hinweis:
Die Aufgabe: Zeige, dass es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt. Ist eine sehr schwere Aufgabe, weil sie bisher niemand lösen kann.
Es weiß aber auch niemand, welche Anforderungen diese Aufgabe beinhaltet.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Kleiner Nachtrag: Mir würden Argumente ausreichen, die die Inhalte dieser Präsentation über die Entwicklung des Mathematikunterrichts seit 1960 aus Ihrer individuellen Sicht widerlegen:

https://www.bfmathematik.de/wp-content/uploads/2015/08/VortragW%C3%BCrzburg2013_PPT.ppsx

Der Referent bestätigt meinen Eindruck sehr deutlich.

Gerd Möller
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Beim Öffnen bekomme ich nur kryptische Zeichen?

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

bei mir funktioniert der Link über Windows und Android 6.0…

Wie dem auch sei: Herr Möller, würden Sie heutzutage in einer Realschule den Logarithmus besprechen? Es gab Zeiten, in denen war das verpflichtend und natürlich von der Klientel her auch möglich.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Warum haben Sie nicht von Herrn Feuchtinger (dem Sie Beifall geklatscht haben; war das ironisch?) verlangt, er solle seine Formulierung „das im Durchschnitt logischerweise sinkende Niveau“ belegen? Diese Formulierung war doch der Ausgangspunkt, und da steckt eine Behauptung drin. Es scheint sich einzubürgern, die empirischen Belege immer nur von einer gewissen Gegenseite zu verlangen, nie von den eigenen (politischen oder sonstigen) Freunden.

Carsten60
4 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Sie beklagen oben „… aber wir wissen kaum etwas über den Wissensstand kurz vor dem Abitur.“
Warum wissen wir das denn nicht? Weil es nicht getestet wird. Die standardisierten Tests befassen sich immer nur mit Grundschülern und 15-Jährigen (das schreiben Sie auch oben).
Und warum wird es nicht getestet? Dazu schreiben Sie nichts. Die Antwort ist aber: Weil die KMK das nicht will, also weil die Kultusminister das nicht wollen. Der Spiegel beruft sich am 12.6.2015 unter der Überschrift „Vergleichbar unvergleichbar“ (elektronisch leicht erreichbar) auf ein Strategiepapier der KMK, nach dem die Abiturienten „weiter ausgespart bleiben“. „Mit zusätzlichen Tests wolle man sie weder unmittelbar vor ihrer Abi-Prüfung noch bei Eintritt in die gymnasiale Oberstufe zeitlich ‚belasten‘, heißt es in dem Papier.“ Dass es auch andere mögliche Zeitpunkte gäbe, das leuchtet der KMK offenbar nicht ein.
Und warum will die KMK solche Tests nicht? Da kann man nur Vermutungen anstellen. Vielleicht, weil die Ergebnisse zu peinlich sein könnten?

Paul Meyer
4 Jahre zuvor

Als ehemaliger Mathematik-Abiturient und jetziger Mathematik-Lehrer glaube ich doch sehr realistisch einschätzen zu können, dass das Abitur im Laufe der letzten Jahre auf keinen Fall schwerer geworden ist. Ganz im Gegenteil! Heutzutage wird viel weniger Abstraktionsfähigkeit verlangt und auch die Komplexität an sich hat doch stark abgenommen. Bleibt die Frage, warum dennoch so viele Schüler über das Abitur lamentieren. Ein Aspekt der sicherlich sehr vielschichtigen Antwort hierauf liegt meiner Meinung nach in den Übertrittsquoten von der Grundschule aufs Gymnasium. In manchen vor allem urban geprägten Gegenden liegen diese bei knapp 100%!!! Dies hat zur Folge, dass Lehrer mit einer enorm heterogenen Schülerschaft konfrontiert werden, was ein effektives Unterrichten sehr erschwert. Ich erlebe es immer wieder am eigenen Leib, dass manche (gymnasial geeignete Schüler) gerne noch tiefer in die Materie einsteigen würden, jedoch sehr viel Zeit aufgewendet werden muss, um schwächeren Schülern wieder und wieder zu versuchen, einen Sachverhalt zu vermitteln. Und leider sind kognitive Voraussetzungen sowie Einstellungen zur Schule an sich bei vielen Schülern u.a. der Oberstufe so mangelhaft, dass sehr, sehr viele Schüler dort mit unfassbar großen Lücken (nicht nur in der Mathematik) sitzen. Mich persönlich wundert es, dass die Durchfallquoten bei dieser Schülerschaft nicht noch höher ausfallen. Und den Fehler dann bei anderen anstatt in der eigenen Einstellung oder Begabung zu suchen oder gar die Lehrer für die fehlenden Kenntnisse zu beschuldigen, finde ich unverschämt. Aber dies ist wohl der einfachaste Weg. Problematisch nur, wenn solche Bewegungen dann von der Politik sogar ernst genommen werden (ich sage nur: über 60000 Unterzeichner bei 37000 Abiturienten…) Bei manchen Schülern hört es sich fast so an, als ob sie das Abitur als Grundrecht verkennen und ihnen gar nicht mehr bewusst ist, dass es sich um den höchsten Bildungsabschluss handelt, für den man eben SELBST erst mal investieren muss. Nunja, und das Thema Vorkurse und Niveau an Universitäten werde ich hier gar nicht mehr anreisen. Auch das spricht Bände bzgl. des Bildungsstandards hierzulande.
Eine sehr bedenkliche Entwicklung… Quo vadis…