Ein Drittel hat nicht einmal Seepferdchen – Vereine sollen Schülern im Nordosten das Schwimmen beibringen

6

SCHWERIN. Die erste Badetote in diesem Sommer in Mecklenburg-Vorpommern war eine zehnjährige Schülerin – Nichtschwimmerin. Nun wird über die Gründe oft fehlender Schwimmfähigkeit von Kinder diskutiert und nach Lösungen gesucht.

Der tragische Tod eines zehnjährigen Mädchens im Freibad von Tessin (Landkreis Rostock) hat die Debatte um unzureichende Schwimmfähigkeiten bei Kindern neu belebt. Die Landtagsfraktion Freie Wähler/BMV sieht sich in ihrer Forderung nach zusätzlichen Schwimm-Angeboten bestätigt und kündigte für die nächste Parlamentssitzung Mitte Juni einen weiteren Antrag dazu an. «Ein solcher Todesfall ist das Schlimmste, was es geben kann. Dann lesen zu müssen, dass an der Schule Schwimmlehrer fehlen, macht deutlich, wo ein Grund des Übels mangelnder Schwimmfähigkeit liegt», sagte Matthias Manthei von den Freien Wählern/BMV. Das Mädchen, das Anfang Juni in Tessin ertrank, war laut Staatsanwaltschaft Nichtschwimmerin.

Schwimmendes Kind mit Poolnudel - Nach dem Willen der Freien Wähler in Mecklenburg-Vorpommern sollen DLRG und DRK Schwimmkurse geben. Foto TaniaVdB / pixabay (CC0 1.0)
Mecklenburg-Vorpommern verfügt über rund 2000 Kilometer Küste und unzählige Seen. Nach dem Willen der Freien Wähler sollen DLRG und DRK Schwimmkurse geben. Foto: TaniaVdB / pixabay (CC0 1.0)

In ihrem neuen Antrag fordert die Oppositionsfraktion die Landesregierung auf, «den flächendeckenden Schwimmunterricht an Grundschulen in Mecklenburg-Vorpommern sicherzustellen». Fast 60 Prozent der Schüler, die im Schuljahr 2017/2018 die Grundschule abschlossen, seien keine sicheren Schwimmer gewesen. Ein Drittel der Schüler habe nicht einmal das Niveau des «Seepferdchens» erlangt, erklärt Manthei unter Hinweis auf Daten der Landesregierung.

Laut Antrag sollen die Schulträger von den anfallenden Kosten des Schwimmunterrichts entlastet werden. Und als «Sofortmaßnahme» sollen Vereine wie zum Beispiel die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und die Wasserwacht des DRK dabei unterstützt werden, zusätzliche Schwimmkurse für Kinder außerhalb der Schulzeit zu geben.

Anzeige

«Obwohl damit lediglich Kosten von 13 500 Euro verbunden wären, wird dieser Vorschlag von SPD und CDU bislang abgelehnt», äußerte Manthei sein Unverständnis. In Nordrhein-Westfalen funktioniere dieses Zusatzangebot seit zehn Jahren. DLRG und DRK seien auch in Mecklenburg-Vorpommern bereit, Kurse zu geben, sagte Manthei und berief sich auf Gespräche mit Verantwortlichen im Land. «Es liegt doch in deren eigenem Interesse: Bei Schwimmern ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie in Not geraten und gerettet werden müssen. Und je mehr sehr gute Schwimmer es gibt, desto größer ist das Reservoir potenzieller Rettungsschwimmer, die im Sommer an Meeresstränden und an Badeseen Dienst tun», sagte Manthei.

Schwimmen sei in Mecklenburg-Vorpommern – gerade auch wegen der vielen Seen und kurzen Wege zum Strand – Teil des Sportunterrichts und in allen Rahmenplänen für das Fach verankert, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Zum Ende der Grundschulzeit solle jeder Schüler sicher schwimmen können. Im Schuljahr 2016/2017 hätten 272 von 279 staatlichen Grundschulen Schwimmunterricht erteilt. Die sieben Schulen, in denen dies nicht der Fall gewesen sei, hätten im Folgejahr entsprechende Angebote für den Schwimmunterricht gemacht.
Weiter hieß es, das Land habe in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um Schwimmlehrkräfte auszubilden.

Nach Ansicht von Linksfraktionschefin Simone Oldenburg reicht das aber nicht aus. «Es ist ein Unding, dass einige Schulen nicht in der Lage sind, Schwimmunterricht durchzuführen, obwohl dies fester Bestandteil des Unterrichts ist. Jedes Kind, das in der Grundschule keinen Schwimmunterricht hat und das ‚Seepferdchen‘ nicht erlangen kann, ist gerade im ‚Land der Seen‘ ein Skandal», sagte sie. Schwimmunterricht sei Pflicht und müsse genauso erfüllt werden, wie der Unterricht für Lesen- und Schreiben. (dpa)

GEW fordert vom Land Mittel für flächendeckenden Schwimmunterricht

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

6 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
xxx
4 Jahre zuvor

Wie viele Schwimmbäder haben die Kommunen eigentlich geschlossen, weil marode? Wo kein Schwimmbad, da kein Schwimmunterricht, da keine Schwimmer.

dickebank
4 Jahre zuvor

Nicht nur die geschlossenen Bäder und Lehrschwimmbecken sind das Problem, die Vereine finden immer weniger Ehrenamtliche, die bereit sind, sich an den Beckenrand zu stellen. Und dafür in ihrer Freizeit eine erweiterte Erste-Hilfe-Ausbildung zu machen, die Rettuingsfähigkeit nachzuweisen, ein erweitertes Führungszeugnis einzuholen, Vereinsbeitrag zu zahlen und ggf. noch eine C-Lizenz oder zumindest einen Übungsleiterschein zu machen bzw. die oben genannten Punkte alle paar Jahre auf ein Neues zu erledigen.

dickebank
4 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

PS – ich vergaß zu erwähnen, dass die emisten Bäder nicht geschlossen sonder in Spaßbäder umgewandelt worden sind, wo man prima rutschen aber nur bedingt Schwimmunterricht geben kann geschweige denn „Kacheln zählen“ kann.

AvL
4 Jahre zuvor

Es ist so, wie Sie es beschreiben, denn die Angebote an Schwimmkursen nehmen durch fehlende Bäder und Kurse zum Erlernen des Schwimmens beständig ab.
Die Zahl der Ertrunkenen hat in den vergangenen Jahren bei allen Altersgruppen zugenommen.
Betroffen sind vom Ertrinkungstot in zunehmenden Maße auch gute Schwimmer, die in Folge einer Unterkühlung in Ufernähe durch ein Zusammenwirken von Unterkühlung, Erschöpfung, Entkräftung und eventuellem Alkoholkonsum dann ertranken.
Mit sinkender Außentemperatur steigt auch das Risiko, bei entsprechender koronarer Vorerkrankung des Herzen, dass eine relative Sauerstoffunterversorgung des Herzens beim Herzfrequenzanstieg und schnellerem Atmen sich manifestiert und ein Herzinfarkt in Folge der Gegenregulation des Kreislaufsystems ausgelöst wird, was dann zur akuten Herzinsuffizienz führt mit der Folge des Ertrinkens.

AvL
4 Jahre zuvor
Antwortet  AvL

Der Liedermacher Wolfram Eicke ist in mit 63 Jahren in der Ostsee ertrunken.
Die Ostsee hat in Lübeck aktuell 15°C, auf Usedom sind es 20°C, wahrscheinlich i Ufernähe.
Dabei ist die Gefahr der Auskühlung mit der Folge starker vegetativer Reaktionen des Herz- und des Kreislaufsystem sehr hoch, und bei 15°C tritt nach 2 Stunden Bewusstlosigkeit ein.
Entsprechend ist es wichtig sich mit Schwimmanzügen gegen eine Unterkühlung und gegen die Sonne zu schützen.
Das sieht zwar komisch aus, dafür kühlt man nicht so schnell aus, denn gerade Kinder und unbekannt Herzkranke sind von den Gefahren der Auskühlung besonders betroffen.
Kommt noch Alkoholgenuss hinzu, so wird die Gefahr der Auskühlung noch erhöht, da die peripheren Gefäße weit gestellt werden und das Empfinden für die Unterkühlung nachlässt.
Außerdem sind die Leute nicht mehr voll orientiert, was die Gefahr des Ertrinkens noch erhöht.

omg
4 Jahre zuvor

Mal als Lesehinweis:
https://www.wlz-online.de/landkreis/schwimmunterricht-schulen-im-kreis-koennten-bald-mehr-geld-erhalten-12392414.html
Bei einem von den Schulen auszugleichenden Defizit bei der Finanzierung des verpflichtenden Schwimmunterrichts von 126500 Euro ist es sicherlich nicht erstaunlich, dass Schwimmunterricht ausfällt.