Sanierungsstau an Schulen beträgt jetzt offiziell 42,8 Milliarden Euro!

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HANNOVER. Der Digitalpakt, mit dem der Bund die Schulen an die IT bringen will, umfasst fünft Milliarden Euro – und es hat zweieinhalb Jahre gedauert, um die politischen Verhandlungen darüber abzuschließen und die Summe endlich bereitzustellen. Mehr als das Achtfache – nämlich 42,8 Milliarden Euro – ist aber nötig, um die Schulen überhaupt erst einmal baulich auf Vordermann zubringen. Das macht die Dimension des aktuellen Sanierungsstaus deutlich.

Das Umweltgift PCB lauert in Schulgebäuden aus den 70-er und 80-er Jahren. Foto: Priboschek
Bonjour Tristesse: Viele Schulgebäuden stammen aus den 70-er und 80-er Jahren. Foto: News4teachers

Versiffte Toiletten, dreckige Fußböden, undichte Fenster: Hunderte Schulgebäude in Deutschland sind marode, häufig werden sie zudem schlecht geputzt. Laut dem KfW-Kommunalpanel 2019, einer hochgerechneten Befragung von Stadtkämmerern, lag der Investitionsrückstand in Bezug auf Schulen bundesweit im vergangenen Jahr bei 42,8 Milliarden Euro. Viele Gebäude stammten aus den 1970er Jahren und seien sanierungsbedürftig, sagt der Kommunalexperte der bundeseigenen Förderbank KfW, Stephan Brand. Auch neue Herausforderungen wie der Ausbau von Ganztagsschulen sowie wachsende Städte machten Investitionen notwendig. Ein Jahr zuvor lag der Sanierungsstau an den Schulen sogar bei 47,7 Milliarden Euro.

Schultoiletten werden nur einmal am Tag gereinigt (wenn überhaupt)

Der reguläre Unterricht und Arbeitsgemeinschaften ziehen sich vielerorts bis 16.00 Uhr, teilweise bis 17.00 Uhr hin. Gereinigt werden die Sanitärbereiche der Schulen in der Regel jedoch weiterhin nur einmal am Tag – und das meist nicht von städtischen Angestellten, sondern billigen externen Firmen. «Ganz dringend müssen hier mehr Gelder in die Hand genommen werden», sagt der Vorsitzende des Bundeselternrates, Stephan Wassmuth. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Schülerinnen und Schüler bei Schulstreiks unter anderem für saubere und funktionsfähige Toiletten auf die Straße gehen müssten.

Die Bildungsgewerkschaft GEW versucht schon länger das Thema auf die Agenda zu heben und hat dazu vor einem Jahr ihre Mitglieder befragt. «Die Lehrkräfte sind sehr unzufrieden mit dem Zustand der Schulgebäude, den räumlichen Möglichkeiten, insbesondere für Ganztagsangebote, und der Hygiene», sagt die Bundesvorsitzende Marlis Tepe. «Es braucht einen Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen», fordert die GEW-Chefin. Die 3,5 Milliarden Euro für die Schulsanierung, die der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorsehe, seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch KfW-Experte Brand plädiert dafür, finanzschwache Kommunen gezielt zu entlasten beziehungsweise zu unterstützen.

In Schulgebäuden bröckelt der Putz

Schulleitungen reden oft nicht gern über defekte Heizungen und bröckelnden Putz in ihren Einrichtungen. Dagegen hat die Fritz-Karsen-Schule in Berlin-Britz vor zwei Jahren einen Einblick gewährt. Auf ihrer Internetseite beschreibt die GEW den Besuch der ältesten Gesamtschule Deutschlands, in der sich die Fliesen von den Wänden lösten, die Waschbecken verschmutzt und Duschen defekt waren.

Anfang dieses Jahres schlug die Leiterin der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Wennigsen bei Hannover Alarm und drohte, den Unterricht vorübergehend einzustellen, sollten hygienische Mängel nicht behoben werden. Die Gemeinde beauftragte daraufhin eine Firma mit der Grundreinigung des Gebäudekomplexes.

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Stinkende Klos sowie fehlende Seifen- und Papierspender sind kein Einzelfall: Das Gesundheitsamt der Region Hannover kontrollierte zwischen 2016 und Ende vergangenen Jahres 112 Mal Schulen in der niedersächsischen Landeshauptstadt und dem Umland: In 79 Prozent der geprüften Schulen wurden Reinigungsmängel festgestellt, bei 56 Prozent gab es bauliche Defizite oder sogar einen Sanierungsstau. Etwa die Hälfte hatte nicht den vorgeschriebenen Hygieneplan.

Schimmel an den Klassenraum-Wänden

Schimmel an den Wänden können Eltern, Lehrer und Schüler nicht in Eigeninitiative beseitigen, bei anderen Problemen greifen sie selbst zu Wischmop und Besen. Oft werden auch zusätzliche Reinigungskräfte von Fördervereinen finanziert. Wenn Schmierereien überhandnehmen, richten schon Grundschulen Toiletten-Wachdienste ein. Dann machen Dritt- und Viertklässler Kontrollgänge auf dem Stillen Örtchen.

Die German Toilet Organization, die sich weltweit für sauberes Wasser einsetzt, prämiert solche kreativen Ideen. Beim bundesweiten Wettbewerb «Toiletten machen Schule» wurde Anfang Juni unter anderem die Grundschule Sankt Arnual aus Saarbrücken ausgezeichnet. Sie will ihre im Keller gelegenen Sanitärräume als Unterwasserwelt oder Weltraum gestalten und mit einer «Zwitscherbox» für angenehme Naturgeräusche sorgen.

Sieger der ersten Ausgabe war die KGS Pattensen, die unter anderem mit Kunstausstellungen unter dem Motto «CloArt» punktete. Inzwischen hat die Schule bei Hannover sogar einen Neubau erhalten – mit mehr Toilettenräumen, die jetzt mit Beteiligung der Schüler gestaltet werden. Mit den neuen Toiletten sei das Problem nicht gelöst, sagt die stellvertretende Schulleiterin Mirjam Gerull. Gereinigt werde weiterhin nur einmal am Tag: «Das ist zu wenig.» Von Christina Sticht, dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor

Entsprechen diese rund 40 Milliarden nicht dem Steuerüberschuss? Na, die sind ja dann jetzt schon für höhere Lehrergehälter verplant. Hmmm … Da wird’s dann wohl erstmal nichts mit den Schulsanierungen?