Antisemitismus: CDU-Chefin schlägt Pflichtbesuche von Schülern in Gedenkstätten vor

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STUTTGART. «Du Jude» – das ist mancherorts ein weit verbreitetes Schimpfwort, gerade auch unter Schülern. Immer wieder gibt es schwerwiegende antisemitische Vorfälle. Wie geht man damit um? Damit beschäftigt sich eine Fachtagung in Baden-Württemberg. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat unterdessen verpflichtende Besuche von Schülern in Holocaust-Gedenkstätten vorgeschlagen. „Ich bin davon überzeugt, dass der Besuch einer Gedenkstätte auf jedem Lehrplan stehen und sich jeder zumindest einmal in seinem Leben damit auseinandersetzen muss“, sagte Kramp-Karrenbauer der „Bild“-Zeitung.

Die Halle der Namen in der Gedenkstätte Yad Vashem. Foto: sdo216 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Kramp-Karrenbauer, die in dieser Woche nach Israel gereist war und dort auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchte, erklärte: „Es ist unsere historische Verpflichtung, Antisemitismus in jeder Form zu bekämpfen, dabei auf Bildung bei Kindern und Jugendlichen zu setzen.“ Dabei gehe es um alle Jugendliche, „nicht nur um Flüchtlinge“. Die CDU-Chefin habe ich vom Besuch in Yad Vashem bewegt gezeigt. „Mir ist durch diesen Besuch noch einmal ganz bewusst geworden, dass wir eine persönliche Verpflichtung und Verantwortung haben, für die Sicherheit Israels einzustehen.“

Schulen melden antisemitische Vorfälle an die Behörden

Heute beginnt in Stuttgart ein Fachtag, der sich mit Antisemitismus in der Schule beschäftigt. 27 Schulen haben seit dem Frühjahr 2018 in Baden-Württemberg antisemitische Vorfälle an die Kultusverwaltung gemeldet. Darunter seien Hakenkreuz-Schmierereien und antisemitische Äußerungen gewesen, teilte eine Sprecherin von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit. Auch seien antisemitische Verschwörungstheorien in sozialen Medien verbreitet worden. Seit April 2018 müssen alle öffentlichen Schulen im Land Vorfälle an die Aufsichtsbehörden melden, die antisemitisch oder anderweitig religiös oder ethnisch begründet sind. An diesem Freitag will das Kultusministerium in Stuttgart eine Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen vorstellen.

Der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Michael Blume, berichtete von einem Fall aus dem Jahr 2017 im Südwesten, bei dem ein Schüler nach massivem Mobbing die Schule gewechselt habe. Der betroffene Schüler habe sich anders nicht mehr zu helfen gewusst.

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Jüdische Schüler berichten von Anfeindungen

Antisemitische Vorfälle gibt es nach Blumes Einschätzung quer durch die Schularten. Relativ häufig tauchten judenfeindliche Inhalte in WhatsApp-Gruppen auf, etwa in Form von Witzen oder Sätzen wie «Dich sollte man vergasen». Vereinzelt erklärten jüdische Schüler, dass sie nicht am jüdischen Religionsunterricht teilnehmen wollten mit der Begründung, sich nicht für jedermann sichtbar als Jude outen zu wollen. Auch berichteten jüdische Schüler von der unter Gleichaltrigen verbreiteten, falschen Vermutung, Juden müssten in Deutschland keine Steuern bezahlen. «Und wir haben natürlich immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien an Schulen», sagte Blume.

Wie Schulen und Lehrer damit umgehen sollten, darüber wird an diesem Freitag bei einem Fachtag in Stuttgart diskutiert. Blume begrüßte die Meldepflicht für Schulen nach antisemitischen Vorfällen. Das Kultusministerium nimmt dann Kontakt mit der betroffenen Schule auf, um eine Lösung zu finden. «Dies ist ein enorm wichtiger Schritt, um Schulleitungen von der Entscheidung zu entlasten, ab wann und wie man auf antisemitische Vorfälle an der eigenen Schule reagiert.» Blume regte die Einrichtung einer Anlaufstelle gegen Antisemitismus beim Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) an, an die sich Schulen wenden können. Auch forderte er eine bessere Fortbildung von Lehrern, aber auch von anderen Mitarbeitern der Landesverwaltung. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Antisemitismus: Sollen alle Schüler verpflichtend eine KZ-Gedenkstätte besuchen? Diskussion kocht hoch

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3 Kommentare
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Juri Winterberg
4 Jahre zuvor

Gab es diesen „verordneten Antifaschismus“ (Pflichtbesuche in KZ-Lagern) nicht auch schon in der DDR und klagen wir nicht über Ausländerfeindlichkeit gerade dort?

xxx
4 Jahre zuvor

Von den Verbrechern der Nazizeit „inspierter“ Antisemitismus und/oder bei Schülern aus bildungsnahen Bevölkerungsschichten lässt sich so durchaus vermeiden oder verhindern. Bei anderen Ursachen bin ich mir nicht sicher.

Carsten60
4 Jahre zuvor

Heute meldet die Tagesschau, dass in Berlin Jemand auf der Straße von einem Fremden ins Gesicht geschlagen wurde, weil er mit anderen Hebräisch sprach:
https://www.tagesschau.de/inland/berlin-antisemitische-attacke-101.html
In Paris ist sowas auch schon mal ähnlich passiert. Und damals habe ich gelesen, dass ein normaler Franzose (oder auch ein Deutscher) ohne Spezialkenntnisse Hebräisch im Klang nicht von Arabisch unterscheiden kann. Beides klingt sehr ähnlich. Aber ein Araber hört natürlich den Unterschied, ein Israeli sicher auch. Was folgt jetzt daraus? Der Regierende Bürgemeister brachte den Vorfall gleich mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Verbindung, aber das ist wohl zu kurz gesprungen, denn es gibt noch eine andere Quelle des Antisemitismus, und der hat was mit dem Nahost-Konflikt zu tun. Dem Judenhass soll man sehr wohl kompromisslos begegnen, aber auch KZ-Besuche werden nicht ausreichen.